Wie ein Attentat auf Serbiens Demokratie noch heute einwirkt
„Wenn du einen Frosch essen musst, iss ihn gleich. Wenn du mehrere Frösche essen musst, dann iss den größten zuerst.“ Nach diesem Sprichwort arbeitete Zoran Đinđić. Er war der erste demokratische Ministerpräsident Serbiens (2001-2003) und hatte große, pro-westliche Ziele.
Seine größten „Frösche“ waren der Kampf gegen die organisierte Kriminalität, die Aufarbeitung der Kriegsverbrechen während der Jugoslawienkriege sowie die Lösung der Kosovo-Frage. Dazu erbte er ein Land, das durch jahrelange Kriege und Sanktionen verwüstet wurde.
Westlich orientiert
Am 12. März 2003 wurde Đinđić 50-jährig von ehemaligen Mitgliedern des Geheimdienstes und des Zemun-Klans vor dem Regierungsgebäude in Belgrad erschossen. Seine pro-westlichen Ansichten und die Ambition, das Nachkriegsland in Richtung Europa zu führen, wurden ihm zum Verhängnis.
Der Wissenschafter Ivan Vejvoda vom Institut für die Wissenschaften vom Menschen hat Đinđićs Regierung zu EU-Integration und Außenpolitik beraten. Im Gespräch mit dem KURIER erinnert er sich vor allem an „einen mutigen Politiker“: „Đinđić ließ sich nicht von Todesdrohungen oder Mordversuchen abschrecken.“ Diese kamen größtenteils von kriminellen Banden und nationalistischen Politikern. Für sie war der Reformpolitiker ein Dorn im Auge.
Đinđić hatte sich der Vergangenheitsaufarbeitung verschrieben, er forcierte eine Zusammenarbeit mit dem Internationalen Kriegstribunal für das ehemalige Jugoslawien. Einer der größten Erfolge war die Auslieferung des ehemaligen jugoslawischen Präsidenten, des „Schlächters des Balkans“, Slobodan Milošević an Den Haag für seine Verantwortung für die Kriegsverbrechen der 90er-Jahre. Die Überbleibsel seines autoritären Regimes sitzen heute noch in der serbischen Regierung: Sowohl heutiger Präsident Aleksandar Vučić als auch Außenminister Ivica Dačić waren für Milošević tätig.
Die Frage um den Kosovo war damals wie heute Thema. Đinđić war der Ansicht, dass die ungelöste Problematik für Serbien ein großes Hindernis darstellen würde, sollte es einmal um den EU-Beitritt des Landes gehen. Sein Ziel war eine „gefestigte Demokratie und offene Gesellschaft.“
Sein Vermächtnis
Im heutigen Serbien scheint davon nicht viel übrig zu sein. Experten nennen es einen „autoritären Virus“, der die Institutionen des Landes seit Jahren ausgehöhlt. Vejvoda hat trotzdem Hoffnung: Das größte Problem sei die „geteilte“ Opposition und Unterdrückung der Medienfreiheit. Er nennt es einen „Kampf um die Demokratie. Aber ein Kampf, der geführt werden muss.“
Dennoch scheint Serbien Đinđić pro-westlichen Zielen gerade näher als selten zuvor in den letzten 20 Jahren: Belgrad und Pristina verhandeln über einen Kompromissvorschlag einer Anerkennung. Zudem soll Serbien Medienberichten zufolge Sanktionen gegen Russland „nicht mehr ausschließen.“ 20 Jahre nach Đinđićs Tod könnten einige „Frösche“ also doch bald geschluckt werden.
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