Wie Dubrovnik ein Drittel der Einwohner in nur 7 Jahren verlor

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Während die Touristen die malerische Stadt im Süden des Landes erobern, ergreifen viele Einheimische die Flucht. Warum?

In der alten Republik Ragusa gab es einen Brauch: Der Besucher musste beim Betreten des maritimen Stadtstaates einen Stein dabei haben. "Wie hätte man diese ganzen Bauten denn sonst errichten können", erklärt eine in der Altstadt Dubrovniks sitzende Souvenirverkäuferin den Reportern und deutet auf die umherstehenden mittelalterlichen Häuser. 

Die modernen Besucher bringen in die malerische Küstenstadt im Süden Kroatiens, die vom 14. Jahrhundert bis zum Jahr 1808 eine Seerepublik war, keine Steine mehr. Dafür aber Geld, das sie ausgeben, um bewundern zu können, was dank Hilfe ihrer Vorgänger aus den mitgebrachten Steinen geworden ist. Dieses Geld ist ein Segen - aber auch Fluch für die Ureinwohner von Dubrovnik.

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"Souvenir-Straßen" und flüchtende Alteinwohner

Moderne Besucher nennen sich heutzutage Touristen und gelangen in die Stadt mit riesigen Kreuzfahrtschiffen und Flugzeugen. Allein im vergangenen Jahr hätten eine Million Touristen Dubrovnik besucht, heißt es in einem Bericht von Al Jazeera Balkans. Die Straßen der Altstadt sind übersät mit Menschen, die aus allen Ecken der Welt kommen, um die Stadt, die nicht zuletzt durch den Serienhit "Game of Thrones" globale Bekanntheit erlangte, zu sehen. 

Einige historischen Gassen haben sich inzwischen zu "Souvenir-Straßen" gewandelt, lediglich zwei Greißler haben überlebt, die nun überteuerte Ware anbieten. Die Einheimischen bemängeln, dass man in der Altstadt keine Sachen mehr zum alltäglichen Gebrauch finden könnte. "Die Zuschauer werden lachen, aber man kann hier nirgendwo mehr Strumpfhosen kaufen", erzählt eine jüngere Altstadtbewohnerin namens Mirela. 

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Früher war der Marktplatz voll mit Ständen gewesen, heute könne man dort selten mehr als fünf zählen. Diese müssen spätestens zu Mittag den Schanigärten der zahlreichen Lokale weichen. "Alles hat sich verändert. Man erkennt die eigene Stadt nicht mehr", erzählt Marija, die seit 55 Jahren am Markt Gemüse verkauft. "Die alten Einwohner sind weggezogen, haben die Flucht ergriffen".

Wäscheleinen sind nicht mehr

"In unserem Haus ist nur noch meine Familie dageblieben", sagt Mirela, die am Hausgang wöchentlich neue Menschen begrüßen darf. Alte Gesichter sind weg. Auch die Wäscheleinen zwischen den eng anliegenden Häusern Dubrovniks, die man von Postkarten kennt, sind Schildern gewichen, auf denen "Appartements" zu lesen ist. 

Statistiken sagen, dass die Altstadt von Dubrovnik in den vergangenen sieben Jahren ein Drittel ihrer Einwohner verloren hat. Die Stadtverwaltung versucht, dem Trend gegenzusteuern. Vier verlassene Häuser, die in ihrem Besitz sind, werden derzeit grundsaniert. Die Wohnungen sollen anschließend an lokale Familien vermietet werden. Zwanzig weitere Wohneinheiten will der Bund zur Verfügung stellen. 

Die Sehnsucht nach den Nachbarn

Darüber freut sich auch Anica. Die alte Dame wohne seit ihrer Geburt vor 78 Jahren in ein- und demselben Haus, erklärt sie stolz in die Kamera. Weniger stolz zeigt sich das marode Haus, in dem sie ihr gesamtes Leben verbracht hat. Das dürfte zugleich auch die Erklärung dafür sein, warum sie die einzige Bewohnerin des vierstöckigen Hauses, dem ein neues Leben eingehaucht werden soll, ist. 

Einsam fühlen sich die älteren Bewohnerinnen und Bewohner der Altstadt, zeigte eine Studie über das Leben im historischen Kern Dubrovniks. Von geschätzten 1.200, die es laut Statistik gibt, ist ein Drittel älter als 65. "Die älteren Menschen fühlen sich unsicher - aber nicht etwa wegen der Kriminalität. Sie vermissen Nachbarn, die ihnen helfen können", sagt Sanja Klempić Bogadi vom Migrationsinstitut. 

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