Der Autor dieser Zeilen hat – den Warnungen seiner kroatischen Freunde zum Trotz – fast alle Bahnverbindungen in Kroatien selbst ausprobiert. Gut, es gibt eh nicht so viele. Sein Resümee: Keine einzige war dabei, die zeitlich, preislich und/oder in Sachen Komfort mit der Konkurrenz (privater Pkw, Bus, Flugzeug) mithalten konnte.
Highlight diesbezüglich ist die Fahrt von der Hauptstadt Zagreb in die Hafenstadt Rijeka: Autofahrende schaffen die hundertdreißig Kilometer lange Strecke bei Einhaltung aller Tempolimits in gut fünf Viertelstunden. Die Bahnreisenden veranschlagen dafür sicherheitshalber fünf Stunden. Der Fahrplan wird nicht immer eingehalten. Immerhin ist das Ticket im alten Rumpelzug mit aktuell sieben Euro nicht überteuert.
Die kroatische Eisenbahngesellschaft, kurz HŽ, zählt, um es höflich zu formulieren, nicht zu den innovativsten in der EU. Und die in der Hauptstadt Zagreb angelobten Verkehrsminister eröffnen weiterhin öfter Straßen, Autobrücken und Flughafengebäude als ein Stück Gleis.
Die Bahnlinien wurden seit dem Ende der Monarchie beziehungsweise der Tito-Ära kaum modernisiert, so sind das Wagenmaterial und auch die Lokomotiven mehrheitlich veraltet (selten Steckdosen in den Waggons, kein Internet). Auch an den Bahnhöfen nagt der Zahn der Zeit, barrierefreie Aufgänge zu den Bahnsteigen sind selten. Nur die Preise für die Fahrkarten der Züge (aus Österreich) haben bereits Eurozonen-Niveau.
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Mit dem D-Zug nach Split
Ein Kapitel für sich: die Züge in Dalmatien. Dubrovnik ist erst gar nicht an das Bahnnetz angeschlossen, und der Bahnhof in Zadar sieht aus wie der Bahnhof einer lange verlassenen Goldgräberstadt. Sehr viel Unkraut wächst auf den längst stark verwaisten Gleiskörpern.
Bleibt umweltbewussten Dalmatien-Urlaubern noch Split. In die zweitgrößte Stadt Kroatiens können sie mit der Bahn fahren, im Sommer sogar mit einem Nachtzug aus Wien. Doch es muss ihnen dabei bewusst sein, dass sie viele Stunden in der Bahn verbringen und der Fahrplan mehr einer Idee als einer verbindlichen Zusage entspricht.
Was die ÖBB in der Bewerbung dieses Zugs aus gutem Grund mittlerweile verschweigen: Den längsten Weg zwischen Zagreb und Split werden die Waggons von oft recht altersschwachen Diesellokomotiven gezogen. Ob die für das Klima dienlich sind?
Stillstand an der Grenze
Wenig motiviert, weil nicht übermäßig bezahlt, sind viele von jenen, die Fahrkarten verkaufen oder Züge begleiten. Ein realer Anti-Held ist jener Schaffner, der seinen Zug im Bahnhof Koprivnica still und heimlich abfertigte und zig Fahrgäste, ohne auch nur einen Muckser zu machen, auf einem anderen Perron zurückließ.
Auf die empörte Frage von einem, der es noch in den Zug geschafft hat, warum er die Leute nicht vor der Abfahrt informiert hat, zuckte der Uniformierte mit den Schultern: „Weil ich jetzt weniger Arbeit habe.“
Ein Symbol für den Stillstand ist auch der slowenisch-kroatische Grenzübergang in Dobova. Seit Jahresbeginn dürfen sich Reisende darüber freuen, dass sie hier nicht mehr von den Polizisten beider EU-Länder um ihre Ausweise gebeten werden. Sind sie nunmehr schneller an ihrem Ziel?
Leider nein. So wie schon im alten Jugoslawien und in den österreichischen Grenzbahnhöfen zu Slowenien werden hier gemächlich die Lokomotiven ausgetauscht.
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Zeitgemäß in einer europäischen Eisenbahn-Union, die diesen Namen verdient, wäre heute ein Stunden-Takt von Graz nach Zagreb oder von Villach nach Rijeka.
Die Realität? Ein direkter Zug pro Tag zwischen Wien und Zagreb, mit dem ältesten Wagenmaterial, das die ÖBB aufbieten will. Zur Ehre der Österreicher sei aber gesagt: Würden sie nicht Züge nach Kroatien schicken, gäbe es keine Verbindungen mehr. Von kroatischer Seite wurden ausgerechnet zum EU-Beitritt 2013 die internationalen Züge aus dem Verkehr gezogen.
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