Warum Austrotürken die höchste Impfrate in Österreich haben

Warum Austrotürken die höchste Impfrate in Österreich haben
Und was das auch über Österreich aussagt, erklärt Soziologe Kenan Güngör im Interview.

Migranten waren in der Corona-Krise oftmals die Sündenböcke. Ob als diejenigen, die das Virus mitbringen, diejenigen, die Intensivstationen belegen oder auch als Impfmuffel.

Kürzlich veröffentliche Statistiken zeigen nun: Menschen mit türkischer Staatsbürgerschaft führen die Liste mit einer Impfquote von 73,6 Prozent an. Bei Österreichern liegt sie bei 67,6 Prozent (Stand 30. November). Warum sich prozentuell so viele türkische Staatsbürger impfen lassen, erklärt Soziologe Kenan Güngör.

KURIER: Herr Güngör, wie kann man die hohe Impfrate bei Türkeistämmigen erklären?

KENAN GÜNGÖR: Das Ergebnis hat in dieser Eindeutigkeit alle überrascht. Zumal die Studie belegt, dass mit niedriger Bildungs- und Erwerbsbeteiligung, die Impfbereitschaft auch sinkt. Doch wie kommt es, dass trotz einer niedrigen Bildungs- und Erwerbsbeteiligung, die Impfquote bei den Türkeistämmigen österreichweit am höchsten ist? Dies ist auf den ersten Blick „kontra-soziologisch" und erklärungsbedürftig.

Nun ein erheblicher Teil der türkeistämmigen Menschen nutzen hauptsächlich türkische Medien. Obwohl die türkische Regierung zur Kaschierung ihrer eigenen Fehler und Missstände gerne zu Verschwörungsmythen neigt, wurde im Gegensatz zu Österreich oder Deutschland, den Impf- und Coronagegnern in den Medien und der Politik kaum Raum gegeben. Das konnten sie auch, weil die Meinungs- und Medienfreiheit sehr eingeschränkt ist, die Medien von der Erdoganregierung nahezu gleichgeschaltet wurden. Im Gegensatz dazu wurde hierzulande Coronaleugnern und Impfgegnern überproportional viel Raum gegeben. Befeuert wurde dies auch von Parteien wie der FPÖ. Damit wurde eine False-Balance erzeugt, die es in der Türkei so nicht gab. Das hat sicher eine große Rolle gespielt.

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