Inzko entfachte zum Abschluss seiner Amtszeit in Bosnien einen Streit

FILE PHOTO: Valentin Inzko, Bosnia's international peace envoy, speaks during a Reuters interview in his office in Sarajevo
Der Kärntner Diplomat macht nach zwölf Jahren Platz für den Deutschen Christian Schmidt. Kurz davor traf er eine umstrittene Entscheidung.

Der ehemalige deutsche Landwirtschaftsminister Christian Schmidt ist neuer Hoher Repräsentant der internationalen Gemeinschaft in Bosnien-Herzegovina. Der CSU-Bundestagsabgeordnete trat am Sonntag in Sarajevo die Nachfolge des Österreichers Valentin Inzko an. Die Stimmung in dem 3,3-Millionen-Einwohner-Land ist auch mehr als ein Vierteljahrhundert nach dem Ende des Bosnien-Kriegs noch von ethnischen Konflikten geprägt.

Als Hoher Repräsentant hat der 63-Jährige weitreichende Vollmachten: Schmidt kann Gesetze erlassen und Amtsträger entlassen, unabhängig von Regierung und Parlament. Derzeit gibt es in Bosnien-Herzegowina neuen Streit um die jüngere Geschichte. Inzko hatte kurz vor Ende seiner Amtszeit das nationale Strafgesetzbuch geändert: Wer leugnet, dass das Massaker von Srebenica 1995 Völkermord war, kann nun mit jahrelanger Haft bestraft werden. Dies wollen die politischen Führer der bosnischen Serben nicht akzeptieren. Am Freitag beschloss das Parlament des mehrheitlich von Serben bewohnten Landesteils Republika Srpska, dass die Änderung auf ihrem Territorium ungültig sei.

"Jedes Kriegsverbrechen muss geahndet werden"

In Srebrenica hatten serbische Polizei und Paramilitärs nach der Eroberung der UN-Schutzzone damals etwa 8.000 bosnische Muslime getötet. Das Massaker wird international schon länger als Völkermord bezeichnet. Es gibt auch entsprechende Urteile des Internationalen Strafgerichtshofs für das ehemalige Jugoslawien (UN-Kriegsverbrechertribunal) sowie des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) in Den Haag.

Schmidt stellte sich hinter die Entscheidung seines Vorgängers. Der Deutschen Presse-Agentur sagte er: "Wer Teil der Europäischen Union werden will, muss sich an europäische Richtlinien halten. Ein derartiges Gesetz ist in der EU längst Standard und Voraussetzung für den Beitritt." Erklärtes Ziel des CSU-Politikers ist es, Bosnien-Herzegowina an die Europäische Union heranzuführen.

Weiter sagte Schmidt: "Jedes Kriegsverbrechen muss geahndet werden, wie auch alle Kriegsverbrechen der Geschichte, von wem auch immer begangen." Im Vordergrund stehe dabei die Schuld von Einzelnen. "Es kann niemals um Kollektivschuld für Völker gehen. Ein Volk oder eine ethnische Gruppe kann man nicht unter Anklage stellen."

Keine Zustimmung aus Russland

Der sogenannte Friedensimplementierungsrat für Bosnien-Herzegowina verurteilte die Entscheidung der Republika Srpska. Dies führe zu einer "Eskalation der Spannungen" und untergrabe das Funktionieren des Staats Bosnien-Herzegowina, erklärte das internationale Gremium am Samstagabend. In der Stellungnahme wird allerdings festgehalten, dass Russland diese Position nicht unterstützt. Russland hatte zusammen mit China im UN-Sicherheitsrat versucht, das Amt des Hohen Repräsentanten abzuschaffen.

Der Friedensimplementierungsrat (Peace Implementation Council) ist das Gremium, das den Hohen Repräsentanten ernennt. Mehr als 50 Staaten sind darin vertreten. Es wurde durch den Friedensvertrag von Dayton (USA) 1995 geschaffen, mit dem der Bosnien-Krieg beendet wurde.

"Dysfunktionaler" Staat

Theoretisch kann der Hohe Repräsentant auch die im Land stationierten EU-Truppen zur Hilfe rufen, um Beschlüsse durchzusetzen. Dazu sagte Schmidt: "Das ist zuallererst einmal Aufgabe der Behörden in Bosnien-Herzegowina." Das jüngste Beispiel zeige jedoch, dass Rechtsstaatlichkeit und Justiz gestärkt werden müssten. "In Bosnien-Herzegowina ist die Dysfunktionalität des Staates noch weit verbreitet. Wir brauchen aber einen verlässlich funktionierenden Staat, wenn die jungen Menschen im Land bleiben sollen."

Der Vertreter der Serben in der dreiköpfigen Staatspräsidentschaft, Milorad Dodik, erklärte am Sonntag, dass er Schmidts Autorität nicht anerkenne. Dem Online-Portal klix.ba zufolge will die Republika Srpska mit der Zentralregierung erst wieder zusammenarbeiten, wenn die Entscheidung des Vorgängers zurücknimmt. Zum Staatspräsidium gehören auch der Kroate Željko Komšić sowie Šefik Džaferović als Vertreter der Bosniaken.

Kommentare