Wie das Video eines Serben als Inspiration für Kapitol-Sturm diente
"Hello Americans, ich glaube, ihr habt etwas vergessen. Ein Serbe sollte euch wohl sagen, was zu tun ist". So begann Aleksandar Savić, vor einer leeren weißen Wand stehend, seine Videobotschaft. Die darauffolgenden Worte des Serben gingen in rechtsextremen Kreisen viral - und sollten später gar als Inspiration für den Sturm auf das US-Kapitol am 6. Jänner dienen.
Savić zog in seiner Message eine Parallele zwischen dem Wahl-Sieg von Joe Biden im Jahr 2020 und dem des inzwischen verstorbenen serbischen Präsidenten Slobodan Milošević aus dem Jahr 2000. Diesem waren aufgrund von Manipulationsvorwürfen sechs Tage lange Proteste auf den Straßen Belgrads gefolgt. Man könne solche "gestohlenen" Wahlen nicht akzeptieren und müsse dagegen ankämpfen, stellte Savić in seinem Video fest.
Aufruf zur Gewalt
"Eine Million Menschen sind damals nach Belgrad gekommen, um zu protestieren. Die Frage ist, ob ihr den Mut dazu habt?", sagte Savić mehr fordernd als fragend in die Kamera. "Sie müssen Angst haben, wenn sie die gefälschten Stimmzettel auszählen. Sie müssen sich fragen, ob sie da überhaupt noch lebend rauskommen. Ja, ich rufe euch zur Gewalt auf", sagt er. "Wenn das der einzige Weg ist, wen kümmert es dann?"
Das Video wird mit einem immer emotionaler werdenden Redner immer bizarrer. Jedoch dürfte seine Botschaft bei den rechtsextremen Oath Keepers und vor allem ihrem Gründer Stewart Rhodes Gehör gefunden haben. Im Gerichtsverfahren gegen Rhodes, der inzwischen wegen des Kapitol-Sturms angeklagt und verurteilt wurde, kam ans Licht, dass er das Video des jungen Serben in eine interne Gruppe weitergeleitet haben soll.
Rhodes schrieb dazu: "Wir müssen jetzt das tun, was das serbische Volk getan hat, als Milošević die Wahlen gestohlen hat: Wir müssen uns weigern, das zu akzeptieren und in Massen auf das Kapitol der Nation marschieren." Er erwähnte auch, dass er in direktem Kontakt mit Savić stehe und empfahl seinen Gleichgesinnten, dem "serbischen Plan" zu folgen.
Das Video von Savić wurde gemeinsam mit einer Step-by-Step-Anleitung dazu auf der Website der Oath Keepers hochgeladen. Das wohl "perfekte Rezept" für einen Putsch. BBC-Journalisten interviewten in einem Artikel über Savić Aktivisten aus der damaligen serbischen Oppositionsbewegung, die "fundamentale Unterschiede" zwischen Slobodan Milošević und Joe Biden feststellten.
Zur Erinnerung: Milošević führte sein Land in den 1990er Jahren in mehrere Kriege und musste sich wegen 66 Anklagepunkten der Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Völkermord und Kriegsverbrechen vor dem Tribunal in Den Haag verantworten. Milošević starb aber, bevor es zu einem Urteil kommen konnte.
Umzug nach Amerika
Kurz nach dem Sturm auf das Kapitol ist Savić mit seiner Frau nach Texas gezogen. Zuvor hatte er als Chemiker in Serbien, Frankreich und Slowenien gearbeitet. Wie es in dem BBC-Artikel heißt, soll er auch heute noch ein problematisches Auftreten im Netz aufzeigen und regelmäßig Verschwörungstheorien oder antisemitische Aussagen auf Twitter posten.
"Selbst, nachdem sein Video dazu beigetragen hat, die illegalen Aktionen der Oath Keepers am 6. Januar zu inspirieren, sind die Social-Media-Posts von Savić und seiner Frau voll von gewalttätiger und antisemitischer Rhetorik und Verschwörungstheorien über Covid-19 und den Aufstand vom 6. Jänner", wird Stephen Piggott, Analyst beim Western States Center, einer gemeinnützigen Organisation, die extremistische Gruppen verfolgt, von BBC zitiert.
"In den zwei Jahren seit dem Aufstand haben demokratiefeindliche Gruppen und Einzelpersonen weiterhin zu politischer Gewalt auf nationaler und lokaler Ebene aufgerufen und sich daran beteiligt", erklärt Piggott. "Immer wieder haben wir erlebt, dass gewalttätige und entmenschlichende Rhetorik politischen Hass und Gewalt beschleunigt."
Serbischer Nationalismus als Inspiration
Zuletzt wurde im März 2019 nach dem Anschlag auf zwei Moscheen in Neuseeland über den serbischen Nationalismus gesprochen. Der Australier Brenton Tarrant, der 51 Personen bei seinem Anschlag in Christchurch umbrachte, soll ein Fan von serbischem Nationalismus gewesen sein und hat das auch öffentlich gemacht haben.
In einem von ihm veröffentlichten Text bezieht er sich direkt auf die serbischen Nationalisten der 1990er Jahre. Für ihn sind sie die "christliche Europäer, die versuchen, islamische Besatzer aus Europa zu entfernen." Sein Gewehr und seine Munition waren mit den Namen von europäischen Führern des Mittelalters und des 19. Jahrhunderts versehen, die für ihre antiosmanischen Feldzüge bekannt waren. Außerdem hat er auf seinem Weg zum Anschlag ein serbisch nationalistisches Lied, das den bosnisch-serbischen Kriegsverbrecher Radovan Karadžić verherrlicht, gehört.
In seinem Text schreibt er auch, dass Anders Brevik eine große Inspiration gewesen sein soll. Der Neo-Nazi hat sich als Polizist verkleidet und auf der norwegischen Insel Utøya 77 Menschen umgebracht. Er selbst sieht sich ebenfalls als Retter der christlich-europäischen Ordnung und begründet seine Tat in einem 1500-seitigem Manifest. Er macht keinen Bogen um die Kriegsverbrechen am Balkan und seine Faszination für die Geschichte der Region. Im Manifest befinden sich 1000 direkte Erwähnungen der Jugoslawienkriege aus den 1990er Jahren.
Experten warnen vor dem steigenden Nationalismus und welche Früchte das trägt. Die Verbindung zwischen rechtsextremen Anschlägen und serbischem Nationalismus sei kein Phänomen, dass sich auf Savić, Tarrant und Brevik fixiert. Es ist viel mehr eine "ideologischen Säule für viele heutige Rechtsextremisten" geworden.
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