Kosovo-Premier Kurti: Serbien will den Kosovo destabilisieren
Der Ministerpräsident der Republik Kosovo, Albin Kurti, hat am Montagabend bei einem Vortrag im Renner-Institut in Wien den Kandidatenstatus für sein Land gefordert, um Beitrittsverhandlungen mit der EU starten zu können. "Das wäre nur fair", sagte er, denn damit würde die EU die Fortschritte seines Landes, was Reformen zur Rechtsstaatlichkeit, Korruptionsbekämpfung und Wirtschaftsstruktur betrifft, anerkennen.
Ein Beitritt zur EU werde dann seiner Meinung nach "Jahre, aber nicht Jahrzehnte" dauern. Die zum Jahreswechsel bevorstehende Visa-Liberalisierung der EU für Staatsbürger des Kosovo begrüßte Kurti zwar, weil sie vor allem Studenten und Geschäftsleuten zugutekommen werde. "Aber vor einigen Jahren wäre das noch eine große Sache für uns gewesen, jetzt kommt es etwas spät", kritisierte der Regierungschef der 2008 ausgerufenen Republik.
➤ Mehr lesen: Vučić betont: "Serbien will keinen Krieg" - Ruhe ist aber nicht in Sicht
Serbien wolle Gebiete im Nordkosovo mit einer serbischen Mehrheit durch Gewalt einnehmen
Sorgen bereitet ihm aber nach wie vor das Verhältnis zu Serbien, das die Unabhängigkeit des Kosovo - so wie auch fünf EU-Staaten - nicht anerkennt. So unterstütze Serbiens Regierung terroristische und paramilitärische Verbände im Norden des Kosovo, klagte Kurti und verwies auf den Zwischenfall vom 24. September, bei dem schwerbewaffnete Serben einen albanischen Polizisten erschossen und sich anschließend Gefechte mit kosovarischen Sicherheitsorganen lieferten. "Serbiens Fingerabdrücke sind überall auf diesem Vorfall, die EU und die USA müssen das verurteilen", so der Regierungschef. Serbien wolle Gebiete im Nordkosovo mit einer serbischen Mehrheit durch Gewalt einnehmen. Dazu versuche Serbiens Präsident Aleksandar Vučić durch Provokationen den Kosovo zu destabilisieren, was ihm nicht gelingen werde. "Serbien will zurück in die 90er Jahre!" Einen Gebietstausch mit albanisch besiedelten Regionen in Südserbien lehnt Kurti ab, "weil Grenzänderungen nur neue militärische Konflikte auslösen".
➤ Mehr lesen: Mehrere Tote bei Kämpfen mit bewaffnetem Kampftrupp im Kosovo
Ein im vergangenen März über den EU-Sondervermittler Miroslav Lajčák ausgehandeltes Abkommen zur Normalisierung der Beziehungen zwischen Serbien und dem Kosovo habe Serbiens Präsident Vučić auch beim vorwöchigen Gipfeltreffen in Brüssel nicht unterzeichnen wollen, betonte der Ministerpräsident. Umgekehrt lehnt Kurti die Umsetzung eines vor zehn Jahren von seinem Amtsvorgänger unterzeichneten Abkommens zur Autonomie für Gemeinden mit einer serbischen Mehrheit im Norden des Kosovo ab, "weil es die Verfassung des Kosovo verletzt und eine neue Republika Srpska (wie in Bosnien-Herzegowina, Anm.) schaffen würde"(Kurti). "Hier muss sich auch Premier Kurti endlich bewegen", erklärte der frühere Balkan-Diplomat Wolfgang Petritsch im Gespräch mit der APA. "Ansonsten konnte er sein Land durch zahlreiche Reformen modernisieren und demokratisieren. Kurti ist auch persönlich integer und hat die Korruption zurückgedrängt."
➤ Hier lesen Sie unser KURIER-Interview mit dem Kosovo-Sonderbeauftragten Miroslav Lajčák
Kosovo: Wachstumsraten des Bruttonationalprodukts in Höhe von 10,7 Prozent
Kurti lobte die "beispiellose institutionelle Stabilität und den wirtschaftlichen und demokratischen Fortschritt" in seinem Land, erreicht unter seiner Regierung in den vergangenen zweieinhalb Jahren. Dazu präsentierte er Wachstumsraten des Bruttonationalprodukts von 10,7 Prozent (2021), 5,2 Prozent (2022) und heuer 3,8 Prozent. Die Exportrate habe sich verdoppelt und das Steueraufkommen sei um zwei Drittel gewachsen. Auch die Löhne hätten eine Steigerung erfahren und wären gerechter als früher verteilt. "Jetzt verdienen Uni-Professoren, Ärzte und Staatsanwälte ungefähr das Gleiche", so Kurti. Er verwies auf Erfolge bei der Bekämpfung der Korruption und der organisierten Kriminalität. So wurden Dutzende Labors zur Herstellung von Drogen und gefälschten Kryptowährungen geschlossen.
Es sei zwar grundsätzlich "ein legitimes Ziel, reich zu werden, aber nicht in der Politik und im öffentlichen Sektor, sondern in der Wirtschaft", so der Politiker der Vetëvendosje (Selbstbestimmung), die am vergangenen Wochenende bei einem Kongress in Marbella in Spanien Beobachterstatus bei den Europäischen Sozialdemokraten erhielt.
Kommentare