Hat die Kardinalschnitte etwa einen faschistischen Hintergrund?

Hat die Kardinalschnitte etwa einen faschistischen Hintergrund?
Ausgerechnet an ihrem runden Ehrentag wird die Geburtsstunde der beliebten Mehlspeise ins rechte Licht gerückt.

Das hätte sich die Kardinalschnitte zu ihrem 90. Geburtstag sicherlich nicht gewünscht: eine Debatte über ihre Entstehungsgeschichte. Eine eben solche ließ aber ein Standard-Artikel nun aufkommen. Darin wird der Frage nachgegangen, was die beliebte Mehlspeise mit dem Austrofaschismus zu tun habe. 

Tatsächlich entstand die Kardinalschnitte im dunkelsten Kapitel der österreichischen Geschichte. Das belegt die Wiener Konditorei Heiner, die als Urheberin der Süßspeise gilt. Kreiert wurde sie demnach anlässlich des Allgemeinen Deutschen Katholikentages, der von 7. bis 12. September 1933 in Wien stattfand. Die beiden Farben, die die Kardinalschnitte trägt, Gelb (Biskuit) und Weiß (Baisermasse) wurden also nicht zufällig ausgewählt. Sie sollten die Flagge des Vatikans repräsentieren. Alles legitim und dem Anlass entsprechend, würde man meinen. 

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Kardinal Innitzer soll ein Unterstützer Dollfuß' gewesen sein

Problematisch wird die Geschichte über die Geburt der Kardinalschnitte erst dann, wenn ein gewisser Kardinal Theodor Innitzer ins Spiel kommt. Dem Standard-Artikel zufolge soll das Dessert ihm zu Ehren entstanden sein. Zumindest wird das auf der Webseite der ehrwürdigen Hofzuckerbäckerei angedeutet: "Dieser süßen Versuchung konnte sich auch Kardinal Theodor Innitzer nicht entziehen. Das Erzbischöfliche Palais liegt übrigens zwischen unserem Stammhaus, der Wollzeile und dem Stephansdom".  

Die Tatsache, dass Innitzer ein Stammgast bei Heiner gewesen ist, wäre an sich kein Skandal. Dieser soll jedoch laut Standard eine "kontroverse Figur" gewesen sein, die als Unterstützer des damaligen Kanzlers Engelbert Dollfuß galt. Dieser habe den Katholikentag "natürlich für politische Zwecke instrumentalisiert", in dem er eine Begrüßungsansprache hielt, "um vor jubelnden Massen den Ständestaat zu propagieren. Unterstützung fand er in den Bischöfen und vorneweg von Innitzer. Sie befürworteten einen Staat, der auf christlichen Grundsätzen beruht, wenn auch nicht immer kritiklos, wie Kirchenhistorikerin Michaela Sohn-Kronthaler von der Uni Graz betont". 

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Erinnert wird in dem Standard-Text auch daran, dass Innitzer 1938 gemeinsam mit Bischöfen eine feierliche Erklärung an die Bevölkerung unterzeichnete. Darin wird ihr nahegelegt, bei der Volksabstimmung für den "Anschluss" zu stimmen. Einen Begleitbrief soll der Kardinal demnach mit "Heil Hitler!" signiert haben. 

Innitzers Verhältnis zu den Nationalsozialisten stünde allerdings unter einem Fragezeichen: Er dürfte sich später von dem Regime distanziert haben. Ein Schatten über der Kardinalschnitte dürfte ob der kontroversen Figur, der sie gewidmet wurde, aber bleiben. 

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