Mirna Jukić war wohl eine der erfolgreichsten Schwimmerinnen der österreichischen Sportgeschichte. Zweimal war sie als Athletin bei den Olympischen Spielen dabei. 2008 holte sie in Peking für Österreich sogar eine Bronzemedaille. Was sie aus dieser Zeit mitgenommen, wie sie zu Olympia ohne Zuschauer steht und warum im Sport der Grat zwischen Integration und Rassismus manchmal sehr schmal ist, darüber sprach sie mit dem KURIER.
KURIER: Fehlen dir die Zuschauer bei den Olympischen Spielen?
Mirna Jukić: Ich freue mich, dass sie überhaupt stattfinden. Die Pandemie ist noch nicht vorbei und es ist nicht alles entspannt. Aber es ist wichtig für die Athleten. Für manche ist es das erste und vielleicht auch das letzte Mal, dass sie dabei sind. Und natürlich ist es doof, wenn keine Zuschauer dabei sind. Aber ganz ehrlich: Lieber so als, wie bei der Fußball-EM. Wenn 60. 000 Menschen in einem Stadion sind, erzeugt es einfach ein falsches Bild.
War das fahrlässig?
Ich bin keine Expertin auf dem Gebiet. Aber ich persönlich hätte es jetzt nicht gemacht. Ich finde, es war schon eigenartig, die EM in so vielen Ländern zu machen. Deshalb glaube ich, dass es gut war, dass man für Tokio anders entschieden hat.
Wirst du nostalgisch, wenn wieder Olympische Spiele sind?
Nein, nostalgisch nicht. Ich freue mich, weil ich es supercool finde, dass es so eine Veranstaltung gibt, für die Athleten teilweise vier, acht oder sogar zwölf Jahre hintrainieren. Die Olympischen Spiele sind das A und O im Sport und es ist schön, sie zu verfolgen. Aber ich sitze jetzt nicht da und denke mir: Wie schön wäre es, wenn ich mitmachen könnte. Ich war oft genug dabei.
Was hast du persönlich von Olympischen Spielen mitgenommen?
Es ist einfach wirklich ein Spektakel. Es kommen so viele Menschen aus so vielen verschiedenen Ecken dieser Welt zusammen. Du lernst neue Menschen kennen. Du hast die Möglichkeit, Sportarten zu sehen, die du davor nie gesehen hast. Man kann Athleten treffen, die man sonst nur im Fernsehen siehst. Das sind einfach Erlebnisse, die dir für immer bleiben. Es ist als Athletin auch einfach schön sagen zu können: Ich war ein Teil davon.
Sport hat aber auch seine Schattenseiten. Nach dem EM-Finale etwa kam es zu Rassismus gegenüber englischen Spielern mit Migrationshintergrund.
Zwischen Sport und Integration und Sport und Rassismus ist manchmal ein schmaler Grat. Solange man erfolgreich ist, ist alles leiwand. Aber in dem Moment, wo es nicht so gut läuft, kommen Diffamierungen und Beschimpfungen. Das hat man bei der Fußball-EM deutlich gesehen. Ich finde, das geht gar nicht. Entweder stehe ich hinter jemandem oder nicht. Und wenn ich hinter meiner Mannschaft stehe, dann stehe ich hinter jedem Einzelnen, der in dieser Mannschaft ist.
Am Anfang war es schon schwer, weil ich einfach kein Deutsch konnte und nichts um mich herum verstanden habe. Das habe ich aber relativ schnell nachgeholt. Nach einem halben Jahr in Österreich habe ich schon mein erstes Interview auf Deutsch bei Sport am Sonntag gegeben. Als ich dann aber gesagt habe, dass mein Lieblingstier „das Delfin“ ist, hat man sich in der Schule über mich lustig gemacht. Das war nicht schön. Mein Vater versuchte mich zu beruhigen und gab mir den Rat, mal meinen Mitschülern vorzuschlagen, ein halbes Jahr in Kroatien zu leben und dann ein Interview auf Kroatisch zu geben.
Welche Sprache sprichst du mit deinen Kindern?
Größtenteils kroatisch. Meine Tochter spricht und versteht auch beides. Eine Zeit lang hat sie auch Italienisch geredet, weil mein Mann in Italien gespielt hat. Unser Sohnemann versteht auch beides, spricht aber mehr Deutsch als Kroatisch. Das ist auch vollkommen okay. Ich finde es einfach eine Bereicherung, wenn Kinder zweisprachig aufwachsen können und dürfen.
Seit deiner Heirat heißt du Jukić-Berger im Nachnamen. Wie ist es für dich jetzt auch einen österreichischen Namen zu tragen?
Für mich war einfach klar, dass ich den Nachnamen meines Mannes annehmen möchte und werde. Dadurch, dass ich mir schon einen Namen aufgebaut habe, habe ich mich für einen Doppelnamen entschieden. Ich glaube, es wäre komisch gewesen, wenn ich nicht mehr Jukić heißen wurde. Jeder kennt mich als Mirna Jukić. Für meinen Mann war das auch kein Thema. Aber es ist für mich unter anderem ein Gefühl der Zugehörigkeit:
Du machst viele Projekte im Integrationsbereich. Warum ist dir das so wichtig?
Österreich ist einfach ein Land mit vielen Kulturen und Religionen. Menschen mit Migrationshintergrund leben hier schon seit Jahrzehnten und Jahrhunderten. Und ich finde, es ist superwichtig, zusammenzukommen. Wir können nur erfolgreich sein, wenn wir zusammen an einem Strang ziehen und uns gegenseitig unterstützen. Es muss aber von beiden Seiten kommen. Ich bin der Meinung, dass Sport ein sehr gutes Mittel dafür ist. Ich sage immer: Kannst du kicken, machst du mit. Da fragt dich keiner, wie du heißt oder wo du herkommst. Sport verbindet.
Hattest du das Gefühl, als Frau im Sport benachteiligt zu sein?
Ganz ehrlich: Ich habe selber nie ein Thema daraus gemacht. Ich kenne das nur so. Wir trainieren alle gemeinsam. Und natürlich bin ich langsamer als ein Mann. Die Darstellung der Männer und Frauen ist aber schon anders. Es kommt bei Sportlerinnen oft irgendwo daneben auch noch, ob sie geschminkt waren, was sie anhatten, oder wie schön sie sind. Bei den Männern schreibt das keiner. Es sollte auch egal sein. Wenn jemand eine Leistung bringt, super. Und wenn nicht, egal ob Mann oder Frau, dann kann man die Leistungen kritisieren. Einige Sportlerinnen haben auch schon angefangen, andere Outfits anzuziehen. Warum muss es eine Vorschrift geben, wie breit dein Höschen, wie es etwa kürzlich bei Beach-Handballerinnen der Fall war, sein darf? Männer dürfen Hosen tragen, die bis zum Knie gehen. Wir sollten aufhören Sportlerinnen zu sexualisieren.
Was hättest du gemacht, wenn du nicht Schwimmerin geworden wärst?
Je nachdem, wann ich draufgekommen wäre, hätte ich wahrscheinlich dann Volleyball gespielt. Das war immer meine zweite Leidenschaft. Im Sport wäre ich sicher geblieben. Ich komme aus einer sportlichen Familie. Sport ist einfach ein Teil unseres Lebens. Vielleicht hätte ich Zeit gehabt, Klavier oder Gitarre spielen zu lernen, oder wäre früher mit meinem Publizistik-Studium fertig geworden. Aber ich bin froh, dass es genau so gekommen ist, wie es gekommen ist.
Mirna Jukić wurde 9. April 1986 im ehemaligen Jugoslawien geboren. Im November 1991 musste ihre Familie die Heimatstadt Vukovar wegen des Kroatien-Krieges verlassen. Die Familie flüchtete nach Zagreb. 1999 übersiedelte die Familie nach Wien. Seit 2000 ist Mirna Jukić österreichische Staatsbürgerin. Ihre Disziplinen waren Brust und Lagen. Über 200 Brust wurde sie bei den Europameisterschaften 2002 und 2004, sowie über 100 Brust im Jahr 2008 Siegerin. Auf der Kurzbahn holte sie über 200 Brust im Jahr 2002 und 2003 Gold. Bei den Olympischen Sommerspielen 2008 in Peking gewann sie die Bronzemedaille über 100 Brust. 2010 gab sie das Aus ihrer Leistungskarriere bekannt. Im Jahr darauf veröffentlichte sie ihr Buch „Unter Wasser, über Leben“, nahm bei „Dancing Stars“ teil und war als Moderatorin tätig sowie Teil zahlreicher Projekte im Integrationsbereich. Seit Anfang des Jahres arbeitet sie im Sportministerium. Mirna Jukić ist seit 2015 mit dem österreichischen Volleyballer Alexander Berger verheiratet. Das Paar hat zwei Kinder.
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