Haftmilderung bei brutalem Femizid sorgt für Entsetzen in der Türkei

Haftmilderung bei brutalem Femizid sorgt für Entsetzen in der Türkei
Die Entscheidung, "ungerechtfertigte Provokation" als strafmildernden Grund anzuwenden, wird von vielen Seiten heftig kritisiert.

Die 27-jährige Pinar Gültekin war im Juli 2020 tot im westtürkischen Mugla aufgefunden worden. Wenig später hatte der Mörder, der in einer Beziehung mit Gültekin gestanden haben soll, die Tat gestanden. Die brutale Tötung hatte über die Landesgrenzen hinaus Proteste ausgelöst, weltweit teilten Menschen in sozialen Netzwerken den Namen der ermordeten Kurdin. Der Mörder soll die damals 27-Jährige getötet, angezündet und in einem Fass in einen Wald geschafft haben.

Nach einem langen Verfahren ist nun der 32-jährige Cemal Metin Avcı zu 23 Jahren Haft unter erschwerten Bedingungen verurteilt worden. Die Entscheidung des Gerichts stieß auf scharfe Kritik, weil „ungerechtfertigte Provokation“ als strafmildernder Grund auf das Urteil angewendet wurde. Aus Sicht vieler wurde dem Opfer damit eine Mitschuld an der Tat gegeben. Der Hashtag #PınarGültekinİçinAdalet (dt. Gerechtigkeit für Pinar Gültekin) trendet seither auf türkischen sozialen Medien.

Die Föderation der Frauenverbände in der Türkei schrieb zur Entscheidung auf Twitter, die Leute hinter der Entscheidung trügen das „Blut von Frauen“ an ihren Händen. Der Oppositionspolitiker und Jurist Sezgin Tanrikulu twitterte, mit dem Verfahren sei das Recht erneut „ermordet“ worden.

Auswirkungen des Austritts aus der Istanbul-Konvention

Rechtsanwältin Yelda Koçak von der EŞİK-Plattform (Plattform für Gerechtigkeit), die den Fall verfolgte, erinnerte daran, dass die Angeklagte Präsident Recep Tayyip Erdoğan in einer der Anhörungen für den Rückzug der Türkei aus der Istanbul-Konvention gedankt hatte, und sagte: „Wir haben den Lohn für diese Entscheidung. Das sind die Auswirkungen des Austritts aus der Istanbul-Konvention“, betonte sie.

Per Dekret hatte die Regierung in einer Nacht-und-Nebel-Aktion den Austritt aus dem völkerrechtlichen Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt beschlossen. Dieser sei rechtswidrig, sagen Frauenrechtlerinnen und Juristen bis heute.

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