Gastarbeiter-Denkmal in Wien: Zwischen Politik und Notwendigkeit

Gastarbeiter-Denkmal in Wien: Zwischen Politik und Notwendigkeit
Am Wiener Hauptbahnhof soll ein Denkmal für die Gastarbeiter entstehen. Investoren gibt es viele, darunter die Millionenerbin Marlene Engelhorn.

Arbeitskraft ist ein hässliches Wort - Gastarbeiter klingt da schon freundlicher und greifbarer. 

Im Zuge des Anwerbeabkommens wurden in den 1960er Jahren die sogenannten Gäste aus der Türkei und dem ehemaligen Jugoslawien nach Österreich geholt. 60 Jahre sind seit dem Abkommen vergangen - von den damaligen Gastarbeitern ist weder in der Politik noch in der Öffentlichkeit etwas zu spüren. "Sie wurden nicht als vollwertige Mitglieder der österreichischen Gesellschaft gesehen, sondern als Gäste, die im Idealfall bald wieder in ihre Heimatländer zurückkehren", erklärt Judith Kohlenberger, Migrationsforscherin an der WU Wien.

Dass diese Menschen ihre Familien nachgeholt und zum wirtschaftlichen Erfolg des Landes beigetragen haben, wurde in der offiziellen Geschichtsschreibung lange Zeit ausgeblendet. "Sichtbare Denkmäler im öffentlichen Raum, aber auch eigene Museen und Ausstellungsorte sind unerlässlich, um diesen Teil der österreichischen Geschichte in der offiziellen Erinnerungskultur des Landes abzubilden", so Kohlenberger. 

Diese Notwendigkeit hat auch Savo Ristić erkannt, der sich seit einigen Jahren für die Errichtung eines Denkmals in der Nähe des Wiener Hauptbahnhofs einsetzt. Seine Idee fand Anklang bei der Volkshilfe Community Work, die ihn seither unterstützt. 

Haben sie unser Abbild in Stein gehau'n: Sie haben uns ein Denkmal gebaut (Song von "Wir sind Helden")

Der Ort ist nicht zufällig gewählt: Der einstige Südbahnhof in Favoriten diente vielen Gastarbeitern als Treffpunkt, hier tauschten sie sich aus und halfen sich gegenseitig bei der Job- und Wohnungssuche. 

Ristić plant aber nicht nur ein Denkmal, sondern auch ein Bildungszentrum, in dem Schüler über die Geschichte der Gastarbeiter lernen können. "Es soll ein symbolischer Ort für die Aufarbeitung der österreichischen Migrationsgeschichte werden, um die Leistung der Gastarbeiter für die Entwicklung Wiens zu würdigen", sagt Ristić

Auch die Millionenerbin Marlene Engelhorn hat 50.400 Euro für das Projekt zugesagt. Das Gastarbeiterdenkmal war eines ihren von 77 geförderten Projekten. "Wir werden öffentliche Diskussionen veranstalten, eine Video-Dokumentation vorbereiten, weiterhin Lobbyarbeit betreiben und einen Teil des Geldes für den vorgesehenen Bildungsraum einsetzen", erzählt Savo Ristić

Ein Viertel der Bevölkerung

Dass die Initiative erst Jahrzehnte nach dem Anwerbeabkommen von einem Migranten und nicht vom Staat selbst ausging, spiegele wohl das schwierige Verhältnis Österreichs zu seiner Rolle als Einwanderungsland wider. Auch die Politik, die seit der Ära Jörg Haider verstärkt auf dem Rücken der Ausländer ausgetragen wird, dürfte dazu beigetragen haben, das Thema Gastarbeiter unter den Teppich zu kehren. 

"Die 'Ausländerfrage' wurde ab den 1990er Jahren stark politisiert und von rechtspopulistischen Akteuren instrumentalisiert, so dass sich auch Parteien des linksliberalen Spektrums nur zögerlich und zurückhaltend für mehr Anerkennung von Migranten einsetzten", sagt Judith Kohlenberger. 

Dabei hat ein Viertel der österreichischen Bevölkerung einen sogenannten Migrationshintergrund. Es liegt auf der Hand, dass ihre Geschichte auch offiziell anerkannt werden sollte. Das Gastarbeiter-Denkmal von Savo Ristić könnte ein erster Schritt in die richtige Richtung sein. Sein Wunschtermin für die Einweihung des Denkmals ist das Jahr 2026 – symbolisch für das Anwerbeabkommen mit dem ehemaligen Jugoslawien, das vor 60 Jahren geschlossen wurde.

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