Eine große Rolle bei der Teuerung spielen die derzeitigen Energiepreise. Sowohl Öl als auch Gas werden an den Weltmärkten immer teurer. In Kombination mit der derzeit sehr schwachen türkischen Währung leidet das Land massiv darunter. Die türkische Lira ist auf einem Rekordtief. Hinzu kommen die Folgen der Corona-Krise und der Lockdowns. Auch der Tourismus, der für die Türkei der wichtigste wirtschaftliche Träger ist, blieb unter den Erwartungen. Gerade im Sommer hatte das Land mit Naturkatastrophen zu kämpfen. Waldbrände machten über Wochen hinweg die Ägäis zum Krisengebiet. In der Haupturlaubszeit mussten zahlreiche Hotels evakuiert werden. Mehr als 150.000 Hektar Land wurden schätzungsweise zerstört, acht Menschen kamen ums Leben.
Extreme Regenschauer und Überflutungen zerstörten kurz daraufhin Ortschaften an der Schwarzmeerküste im Norden des Landes. Und den „Meereschleim“, ein Ausscheidungsprodukt bestimmter Algen, der das Marmarameer zeitweise bedeckte, gab es auch noch. Die Unzufriedenheit in der Bevölkerung wird immer größer und zeigt sich nun auch in sinkenden Umfragewerten. Die Regierungspartei stürzt an die 30-Prozent Marke. Im Vergleich dazu: Bei den Parlamentswahlen 2018 holte die AKP 42,6 Prozent der Stimmen. Auch die Umfragewerte des Koalitionspartners, der MHP, gehen zurück.
Präsident Recep Tayyip Erdoğans Krisenmanagement dürfte auch seinen Teil dazu beitragen. Für Aufregung sorgte kürzlich seine Reaktion auf die hohen Supermarktpreise. Erdoğan ging einkaufen und berichtete, „dass die Preise doch in Ordnung“ seien. Von der Bevölkerung und der Opposition hagelte es Kritik. „Du zahlst weder Strom noch Gas oder Wasser. Weißt du überhaupt wie jemand mit Mindestlohn überlebt? Weißt du, wie hoch die Preise sind?“, konterte Kemal Kiliçdaroglu, Vorsitzender der sozialdemokratischen CHP. Die Oppositionspartei könnte von der derzeitigen Situation am meisten profitieren. Sie legt in den Umfragewerten zu, wie auch die IYI Parti – die beiden bilden seit 2018 ein Wahlbündnis. 2023 finden Parlamentswahlen in der Türkei statt.
Kampf um die Nachfolge
Die Frage, ob Erdoğan da überhaupt antreten kann, ist noch nicht zu beantworten. Der Gesundheitszustand des Präsidenten beschäftigt derzeit die Gerüchteküche. Erdoğans Konter in Form eines Videos, in dem er Basketball spielt und dabei eher desorientiert wirkt, heizte die Situation aber nur noch mehr auf. Im Hintergrund soll der Kampf um die Nachfolge bereits begonnen haben. Als mögliche Nachfolger gelten der frühere Generalstabschef und aktuelle Verteidigungsminister Hulusi Akar, Innenminister Süleyman Soylu sowie der langjährige Geheimdienstchef Hakan Fidan. Alle drei zählen zum nationalistischen Lager.
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