Diversity Ball: Wo Humana-Outfit erwünschter ist als Frack

Diversity Ball: Wo Humana-Outfit erwünschter ist als Frack
Heuer findet der Diversity Ball zum 15. Mal statt. Veranstalter Darko Marković über dessen Bedeutung, Hürden und Herausforderungen.
Von Mirad Odobašić und volmehrplatz

Der Saal gleicht einem Raum, in dem nur die High Society speisen darf. Darko Marković steht in der Mitte des im Stil der Renaissance restaurierten Festsaals und sagt stolz: "Hier findet unser Ball statt". Der gebürtige Bosnier ist heuer zum siebenten Mal für den Ball "der gelebten Vielfalt und Inklusion" verantwortlich. 2023 findet er erstmals im Wiener Rathaus statt – unter dem Motto “In Love We Trust”. 

Bei einem Gespräch mit dem KURIER sprach er darüber, was den Ball ausmacht, woher seine Motivation kommt und was Diversität überhaupt bedeutet.

Was verstehen Sie unter Diversität?

Wo beginnt man, die menschliche Vielfalt zu erklären? Es ist immer ein schweres Unterfangen. Es gibt so viele verschiedene Merkmale, die extrem exponiert sind, wie Sexualität, Herkunft, Hautfarbe, Behinderung. Wenn man jetzt sagt, es ist die Vielfalt und alle Menschen, dann stimmt das auch nicht ganz. Nazis oder sonstige extreme, radikale und fundamentale Richtungen würde ich jetzt nicht zur Diversität zählen, sondern eher zu anderen Problemen, die der Mensch so mit sich bringt.

Wie ist der Begriff aus Ihrer Sicht behaftet? Mehr positiv oder negativ?

Aus meiner Sicht auf jeden Fall positiv, weil ich mich damit auseinandersetze und weil ich die Diversität auf anderen Ebenen schätze. Also sprich die Inklusion von Menschen mit Behinderung in die Arbeitswelt oder allgemein ins Leben. Wir sehen ja auch, dass man noch immer vorherrschende Vorurteile zerbricht, wie eben Hautfarbe. Ich glaube aber auch, dass es sicherlich einen Teil der Bevölkerung gibt, die extrem skeptisch gegenüber dem Ganzen steht und das nicht wahrhaben will. Obwohl es in fast jeder Familie Diversität in dem Sinne gibt, ob es jetzt ein Familienmitglied mit einer Behinderung ist oder sonst wie. Wir sind alle divers.

Für viele dürfte das so etwas wie ein Modebegriff sein?

Das hat angefangen mit Ethnomarketing. Das sind Begriffe, die meistens aus der Wirtschaft kommen, mit denen dann natürlich dann auch Geld gemacht wird bzw. mit denen neue Märkte erschlossen werden. So ist es wahrscheinlich auch mit dem Begriff Diversität. Das ist jetzt in aller Munde. Jedes größere Unternehmen, jede politische Partei, jede Regierung hat das Thema ganz oben irgendwo priorisiert. Ob das gelebte Inklusion ist, bezweifle ich stark. Es ist halt für ein Unternehmen einfacher, Geld in eine Werbekampagne mit BIPoC-Personen zu investieren als Menschen mit Behinderung anzustellen.

Was halten Sie von einer Quote für Mitarbeiter mit Migrationshintergrund?

Jemanden nur aufgrund einer Quote einstellen, bringt nie etwas. Das sollte aufgrund ihrer Qualitäten passieren. Ich bin aber auch nicht der Meinung, dass der Migrationshintergrund unbedingt immer der Grund ist, warum man nicht weiterkommt. Sicherlich ist es nach wie vor institutionell sehr, sehr weit verbreitet, dass Personen mit Migrationshintergrund teilweise nicht weiterkommen, ist aber mit der Zeit besser geworden.

Wie ist es um die Diversität in Wien bestellt? Vor allem im Vergleich zu anderen europäischen Großstädten?

Bevölkerungstechnisch haben wir ja in Wien einen sehr großen Anteil an Menschen mit Migrationshintergrund. Wir haben eine Justizministerin, die aus derselben Stadt in Bosnien kommt wie ich. Und auch auf vielen anderen politischen Bühnen sind es immer mehr Menschen mit Migrationshintergrund. Auch für Menschen mit Behinderung wird sehr viel getan und sehr viel Geld in die Hand genommen. Da ist Wien auch im Vergleich zu anderen Städten in Europa sehr weit vorne. Was da alles geleistet wird, ist echt großartig.

Jetzt lassen wir mal die ganzen gesellschaftspolitischen Fragen und reden über das Wesentliche: Den Diversity Ball, der heuer zum 15. Mal stattfindet. Was unterscheidet euren Ball von anderen in Österreich?

Ganz viel. Der Ball war sonst immer für die elitäre Oberschicht der Gesellschaft reserviert, bei uns nicht. Wir sind auch einer der wenigen Bälle, die sich um maximale Barrierefreiheit kümmert. Zudem haben wir auch eine ganz andere Preispolitik, bei der es keine VIPs und abgetrennte Bereiche gibt, sondern alle gleichgestellt werden. Mit Patenschaft-Paketen möchten wir auch Menschen, die sonst nicht am Ball teilnehmen könnten, eine Teilnahme ermöglichen. Und das gleichgestellt. Wir versuchen auch zu kommunizieren, dass kein 1.500 Euro teures Kleid oder Frack notwendig ist. Ein kreatives Secondhand-Outfit von Humana reicht vollkommen aus und ist bei uns sogar erwünscht. Seid kreativ!

Heuer findet der Ball zum ersten Mal im Rathaus statt. Wie groß war der Aufwand, um das möglich zu machen?

Sehr groß. Wir haben sehr lange darum gekämpft und jetzt haben wir die Ehre. Wir wurden vom Bürgermeister direkt eingeladen, den Ball im Rathaus abzuhalten. Mit der Zusage wurde bekräftigt, dass wir eine strategisch wichtige Veranstaltung für die Stadt sind.

Wie groß ist der Ball eigentlich? 

Im Rathaus sollen es jetzt knapp 3500 Personen inklusive Personal werden. Ich bin mir aber sicher, dass es viel mehr werden könnten. Leider gibt es aber gesetzliche Vorgaben und die müssen wir natürlich einhalten. Jede Location hat eine maximale Anzahl an Gästen im Rollstuhl, die gleichzeitig anwesend sein dürfen. Nach monatelanger Suche konnten wir einen Kompromiss finden und dürfen heuer 60 Personen im Rollstuhl begrüßen. Was natürlich nicht optimal ist, weil ich am liebsten keine Unterscheidung machen würde.

Diversity Ball: Wo Humana-Outfit erwünschter ist als Frack

Ihr geht auch seit Jahren eine Kooperation mit Humana ein und schreibt die Nachhaltigkeit ganz groß. Was steckt dahinter?

Wir machen es bewusst zu einem großen Thema. Großevents sind immer eine wahnsinnige Energieverschwendung für einen Abend. Ich ärgere mich jedes Mal darüber und frage, ob es nicht anders geht. Ich weiß nicht, ob wir es schaffen, das zu ändern.

Wo sehen Sie den Ball in fünf Jahren?

Im Rathaus. Ich halte das für den perfekten Ort. Eventuell wäre es ein ganzes Wochenende mit verschiedenen Veranstaltungsformen. 

Letztes Jahr hattet ihr auch Conchita Wurst zu Gast. Wie kommt ihr an die Leute ran?

Wir wachsen ja langsam. Und ich möchte Leute versammeln, die sich dieser Sache widmen, die authentisch und wahrhaftig dahinter bleiben. Es soll einfach vom Herzen kommen. Das spürt man dann auch beim Ball. Natürlich kann man irgendwelche Stars herholen und etliche Tausende Euro auszahlen und die sind dann auch super gut auf der Bühne - stehen aber gar nicht hinter der Sache. Wir tun uns da keinen Zwang an. Wir fragen wirklich die Leute direkt an, ob sie mitmachen wollen. Es gibt keine Honorare. Es ist halt ein gemeinnütziger Verein und eine Charity-Veranstaltung.

Sie nehmen für das Ganze einen ziemlich großen Aufwand in Kauf. Da muss doch sicher eine persönliche Überzeugung dahinterstecken. Wie hat das für Sie angefangen?

Mein Sohn hatte eine Autoimmunkrankheit, wodurch ich sehr viel Zeit in Krankenhäusern verbracht und eine andere Welt erlebt habe. Da hat es dann Klick gemacht. Ich habe in der Familie auch zwei Cousins, die mit einer Behinderung leben und es hat sich dann eins zum anderen gefügt. Man versucht dann in diese Lebensrealitäten einzutauchen und ich kann sagen, ich lebe es jetzt. Sicherlich auch durch den Ball, der mich auch sensibilisiert hat für das Thema. 

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