Diskriminierung und Rassismus hinterlassen auch körperliche Spuren

Diskriminierung und Rassismus hinterlassen auch körperliche Spuren
Wiener Psychologen fanden heraus, dass Menschen, die häufig solche Erfahrungen machen, längerfristig höhere Kortisolspiegel aufweisen.

Sind Personen kontinuierlich mit Diskriminierungserfahrungen und rassistischen Anfeindungen konfrontiert, kann das zu messbaren Veränderungen in den Stresssystemen des Körpers führen. Das zeigt eine Untersuchung von Wiener Psychologen im Fachblatt "Psychoneuroendocrinology". So wiesen Menschen, die häufig solche Erfahrungen machten, längerfristig höhere Kortisolspiegel und ein höheres Stressempfinden auf.

In welchem Ausmaß Menschen mit Migrationshintergrund, die Diskriminierung im Alltag öfters erfahren, auf eine derartige Situation anders reagieren, als Personen, die dem seltener ausgesetzt sind, haben die Forscher um Ricarda Nater-Mewes und Studienleiter Andreas Goreis von der Universität Wien untersucht. Insgesamt 72 Männer mit türkischem Migrationshintergrund nahmen an der Untersuchung teil. Unter ihnen gaben 35 an, oft in solche Situationen zu kommen, während der andere Teil lediglich über gelegentliche Erfahrungen mit Rassismus und Diskriminierung berichtete. Dass ethnische Diskriminierungen akute Stressreaktion auslösen, liegt auf der Hand. Die Frage war, ob sich Anzeichen finden lassen, dass damit verbundene physiologische Prozesse, wie die Ausschüttung des Stresshormons Kortisol, längerfristig verändert werden.

Erhöhter Stress

Für ihre Untersuchung baten die Wissenschafter die Herren ins Labor, wo sie in eine an einen Stresstest angelehnte Situation gebracht wurden, erklärte Nater-Mewes gegenüber der APA. Simuliert wurde ein Arzt-Patient-Gespräch, in dem der Forscher, der die Arzt-Rolle ausfüllte, abwertende Aussagen einstreute und sich auch nonverbal herablassend verhielt. So stellte der "Arzt" etwa die Deutschkenntnisse der Teilnehmer in Frage oder unterstellte ihnen die Absicht, krankgeschrieben werden zu wollen, ohne dass eine Erkrankung vorliegt.

Dass es in der nun vorgestellten Untersuchung um Diskriminierung geht, wurde den Versuchspersonen vorher nicht gesagt. Die Versuchspersonen konnten die Teilnahme jederzeit abbrechen und Unterstützung in Anspruch nehmen, heißt es am Dienstag seitens der Uni Wien. Untersucht wurde der Kortisolspiegel im Speichel vor und nach der Interaktion, außerdem wurden die langfristigen Werte des Stresshormons anhand von Haarproben ermittelt.

Die Herzrate und die Hautleitfähigkeit während der unangenehmen Diskriminierungssituation entwickelten sich in beiden Gruppen in etwa gleich. Die Gruppe mit derartigen chronischen Erfahrungen gab an, mehr Stress in der Situation empfunden zu haben als jene mit sporadischen Diskriminierungserlebnissen. Überraschenderweise stieg der Kortisolspiegel in erster Gruppe aber weniger stark an.

Trotzdem zeigte sich in den Haarproben, dass kontinuierlich Diskriminierte über längere Zeiträume hinweg höhere Werte des Hormons aufwiesen. Das lasse sich so erklären, dass Personen, die derartigen Begebenheiten öfters ausgesetzt sind, auf Einzelereignisse mitunter gar nicht mehr so stark reagieren. "Das biologische Stresssystem des Körpers kann sich quasi nicht mehr so aktivieren, es ist wie ausgelaugt", sagte Nater-Mewes.

Stresssystem wird längerfristig verändert

Die insgesamt höheren Kortisol-Werte ließen sich damit erklären, dass Personen durch die fortlaufenenden negativen Erlebnisse, dann auch auf andere Alltagsstressoren sensibler reagieren dürften. Das Stresslevel ist also alles in allem erhöht und eine feinere Reaktion bleibt aus. Das werten die Wissenschafter als Hinweis, dass das Stresssystem tatsächlich längerfristig verändert wird.

Die Wiener Psychologen wollen nun erproben, ob kleine Interventionen, wie etwa Musikhören direkt nach so einem Erlebnis bei der Verarbeitung helfen können. Überprüfen wollen sie das in einer Studie mit einer eigens entwickelten Smartphone-App. Insgesamt denke man über Unterstützungsmaßnahmen nach, die das Stresserleben reduzieren können und die körperliche Reaktion wieder ins Lot kommen lassen. Letztlich hätte die Studie aber auch gezeigt, dass die künstlich herbeigeführte Situation Alltagserfahrungen oft entspreche, sagte Nater-Mewes. Das sei auch eine wichtige Information für das Gesundheitssystem.

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