Bosnien läuft mit Blick auf den EU-Beitritt die Zeit davon

 Bosnien läuft mit Blick auf den EU-Beitritt die Zeit davon
Besuch der Außenminister Schallenberg und Tajani als „Ermutigung und deutliche Warnung“.

Das Stimmengewirr lässt schon einen Hauch von Europa durch das bosnische Außenministerium wehen. Neben der Landessprache ist hier am Montag auch Deutsch und Italienisch zu hören, als mit Alexander Schallenberg und Antonio Tajani die Außenminister Österreichs und Italiens gemeinsam in Sarajevo zu Gast sind. 

Die beiden verfolgen ein gemeinsames Ziel: Sie wollen den Weg dafür ebnen, dass bei der nächsten EU-Ratssitzung am 21. März offiziell der Startschuss für Beitrittsverhandlungen mit Bosnien-Herzegowina ertönen kann.

„Bosnien ist ein Teil Europas. Und wir wollen, dass Bosnien auch so bald wie möglich Teil der EU wird“, sagte Tajani. Gemeinsam mit seinem „guten Freund Alexander“ arbeite er hart daran, auch die restlichen EU-Staaten von diesem Ziel zu überzeugen. 

Zwei Reformen sind noch ausständig

Doch eigentlich sind für die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen noch zwei Reformen notwendig, für die Bosnien nur noch knapp zweieinhalb Wochen bleiben.

“Dieser Besuch ist gleichzeitig eine Ermutigung und eine deutliche Warnung“, so Schallenberg zum KURIER. Die Möglichkeit für EU-Beitrittsverhandlungen sei noch nie so günstig gewesen wie jetzt, nachdem der Krieg in der Ukraine Bosnien vor zwei Jahren schon im Eilverfahren den Kandidatenstatus beschert hatte. 

Aber es müsse schnell gehen, bevor sich der Fokus in Brüssel in Richtung der nahenden EU-Wahlen verschiebt. „Wenn sie dieses Mondfenster verpassen“, so Schallenberg, „sieht es nicht gut für Bosnien aus. Dann verlieren wir wieder ein Jahr.“

Konkret verlangt die EU von Bosnien vier Reformen, um formell mit Beitrittsverhandlungen zu beginnen. Zwei davon hat Sarajevo bereits umgesetzt: ein Anti-Geldwäsche-Gesetz sowie ein Abkommen mit der EU-Grenzschutzagentur Frontex

Streit um Standort

Zwei weitere sind noch ausständig: ein neuer Bundesgerichtshof und ein sogenanntes Gesetz zu Interessenskonflikten, das verhindern soll, dass staatliche Institutionen - wie bisher - immer mit Vertretern aller drei Volksgruppen besetzt werden; also Bosniaken, Kroaten und Serben.

Bei Letzterem könnte es tatsächlich in den nächsten Tagen eine Einigung geben, wie Bosniens Außenminister Elmedin Konaković sagt: „Ich glaube, dass das Gesetz in den nächsten ein, zwei Tagen steht.“ 

Doch die letzte EU-Bedingung, der neue Gerichtshof, scheitert offenbar daran, dass sich die drei Volksgruppen nicht auf einen Standort einigen können. 

Schallenberg warnt vor "Haarspalterei"

Konaković hofft trotzdem auf einen Beginn der Beitrittsverhandlungen: „Das wäre auch ein Signal an das bosnische Volk. Wir können nicht nur über Bürokratie reden.“ 

Schallenberg sieht das ähnlich: „Wir sollten keine Haarspalterei betreiben, wenn ein Gesetz durchgeht und das andere nicht“, so der Außenminister. „Bosnien hat in den letzten Monaten mehr erreicht, als in Jahren zuvor.“

Warum kämpft Österreichs Regierung eigentlich so für einen EU-Beitritt Bosniens, wo das Land doch offensichtlich mit Problemen kämpft und mit der Republika Srpska ein de-facto abtrünniger Staat im Staat besteht, dessen Serbenführer Milorad Dodik noch dazu engste Beziehungen zu Russland pflegt?

Schallenberg gibt offen zu, dass auch eine gehörige Portion Eigeninteresse mitschwingt: Seit bald dreißig Jahren investiert kein Land mehr in Bosnien als Österreich, zudem lebt ein großer Teil der Diaspora in Österreich. 

Doch der Krieg in der Ukraine habe die Dringlichkeit erhöht: „Wir befinden uns in Kriegszeiten, es braucht einen Ring der Stabilität in Europa“, so Schallenberg. Die EU müsse die Westbalkanstaaten so schnell wie möglich aufnehmen, „sonst werden fremde Mächte wie Moskau und Peking hier weiter an Einfluss gewinnen.“

Hinweis: Der KURIER begleitete Außenminister Alexander Schallenberg als Teil einer Presse-Delegation nach Bosnien-Herzegowina.

Kommentare