Warum der Döner weit mehr als nur Fast Food ist
Große, weiße Letter auf rotem Hintergrund. So laut und eindringlich, dass ich sie heute noch vor meinem geistigen Auge sehe. "Berliner Döner - Türkischer Döner nach Berliner Art". Ich blieb sicher einige Minuten vor dem Laden stehen, drückte meine Verwunderung sogar bei meiner Begleitung aus. "Schon sehr bizarr, dass es hier so etwas gibt", war meine erste Reaktion.
Falls Sie sich nun fragen, wieso mich ein Dönerladen so aus der Fassung brachte: Das liegt hauptsächlich daran, dass sich besagtes Etablissement nicht in Wien oder irgendeinem hippen Berliner Viertel befindet, sondern in einer kleinen Stadt an der türkischen Schwarzmeerküste.
Wie konnte es nur so weit kommen, dachte ich mir. Dass das türkische Nationalgericht nach "Berliner Art" in der Türkei verkauft wird.
Macht man sich jedoch länger darüber Gedanken, kommt man zur Feststellung: Eigentlich wäre alles andere unverständlich. Ein kleiner Blick in die Geschichte reicht.
Vom Tellergericht zum Fast Food
Der Döner Kebab gilt als Nationalgericht der Türkei. Seine Geschichte soll bis ins 19. Jahrhundert zurückgehen. Kebab, was eigentlich ein Überbegriff für gegrilltes Fleisch ist und in vielen Variationen existiert, soll es sogar noch länger geben.
Als Erfinder des heute bekannten Döner-Kebabs gilt aber weitestgehend ein Mann namens Iskender. In den 1850er Jahren in der türkischen Stadt Bursa kam dieser laut Erzählungen auf die Idee, das Fleisch nicht direkt auf Kohle zu grillen, sondern eine vertikale Konstruktion zu verwenden - mit dem Vorteil, dass das Fleisch so nicht verkohlt und hauchdünn heruntergeschnitten werden kann. Geboren war der Döner - was auf Türkisch übrigens so viel wie “drehen” bedeutet.
Der “Iskender Döner” oder “Iskender Kebab” gilt bis heute als die Ursprungsform des Döners. Traditionell handelt es sich dabei ein Tellergericht: Das gut gewürzte Fleisch wird auf gegrilltem Brot, getoppt mit zerlassener Butter und Joghurt serviert.
Die heute vor allem im europäischen Raum bekannte Form des Döners kam erst viel später ins Spiel. Und zwar in Deutschland.
"Hauptstadt des Döners"
Der Legende nach, oder zumindest der Erzählung von ATDiD, dem Verein türkischer Dönerhersteller in Europa, soll Kadir Nurman die bahnbrechende Idee gehabt haben, das ursprüngliche Tellergericht als Fast Food zu verkaufen. Selbst als Gastarbeiter nach Deutschland gekommen, sei ihm schnell aufgefallen, dass die Menschen hier lieber beim Gehen essen. 1972 soll so der “Berliner Döner" entstanden sein. Wurde Nurmans Imbissbude beim Zoo am Kurfürstendamm anfangs noch großteils von Gastarbeitern besucht, entdeckten später auch immer mehr Deutsche das Gericht für sich.
Mittlerweile gibt es allein in Deutschland 16.000 Dönerbuden. Berlin gilt allein mit über 1000 als “die Hauptstadt des Döners”. In Österreich, vor allem in Wien, gehören Dönerläden auch zum Stadtbild dazu.
Türkei - Deutschland - Türkei
Die neue, schnelle Version des Döners schwappte mit den Gastarbeitern auch in die Türkei über - und erfreut sich mittlerweile auch dort großer Beliebtheit. Einmal von der Türkei nach Deutschland und dann wieder zurück also - eine Entwicklung, die sich übrigens nicht nur auf die Kulinarik beschränkt. So gilt als Geburtsstätte des türkischen Raps auch Berlin. Kinder von Gastarbeitern hatten die neuartige Musikrichtung in den 1990er in der Heimat ihrer Eltern groß gemacht (siehe etwa Cartel).
Ah ja, falls sie sich nun fragen, wie das Essen im anfangs erwähnten Laden schmeckt: Ich kann es ihnen leider nicht sagen. Der Imbiss dürfte wohl der Pandemie zum Opfer gefallen sein.
Türkischen Döner nach "Berliner Art" bekommt man zum Glück ja aber auch in Wien.
Kommentare