Adem Hüyük: "Für manche bin ich ein Türkei-Feind"

Adem Hüyük: "Für manche bin ich ein Türkei-Feind"
Adem Hüyük betreibt das austro-türkische Nachrichtenportal "Der Virgül". Was ihn antreibt und bewegt, erzählte er dem KURIER.

"Alles, was du hier siehst, ist im Grunde mein Arbeitsbereich", sagt Adem Hüyük auf den Favoritener Keplerplatz hinter sich zeigend. Hier, im Herzen des zehnten Wiener Gemeindebezirks, sei für ihn das Zentrum des Gesehenes: Hier passiere vieles, was ihn, und vor allem die Community interessiere.

Wer in Österreich, insbesondere in Wien lebt, und türkischer Abstammung ist, hat wahrscheinlich schon mal etwas von ihm mitbekommen: Adem Hüyük, besser bekannt auch als "Der Virgül".

Von der Ägäis nach Österreich

Ursprünglich aus dem ägäischen Izmir stammend, betreibt der heutige Wahl-Wiener eines der meist-gelesenen austro-türkischen Nachrichtenportale Österreichs. Mehr als 11.000 Abonnenten auf Facebook und laut Eigenangaben bis zu 10.000 täglichen Website-Aufrufe verzeichnet Der Virgül mit Berichten, Recherchen und Analysen auf Türkischer sowie Deutscher Sprache. Neben Hüyük arbeiten einige andere ehrenamtlich bei Der Virgül.

Derzeit arbeitet Hüyük auch an seiner zweiten Dokumentation über die Entwicklung der türkischen Gastronomie in Wien - von den 1980er Jahren bis heute. In seiner ersten Dokumentation begab sich Hüyük auf eine Reise mit dem Ost-Express. "Am liebsten erzähle ich die Geschichten von Menschen", sagt er. Journalismus bezeichnet Hüyük als seine Berufung. Von Beruf ist er aber eigentlich gelernter Installateur.

Mehr dazu: Türkei-Wahl in Österreich: Schlange stehen für das Heimatland

Hüyük zog 1989 im Alter von 14 Jahren von Izmir zu seiner Schwester nach Österreich. "Das war damals Schock für mich. Es war alles so anders. Am Sonntag hatte nichts offen", erinnert er sich an die Anfangszeit in seiner neuen Heimat zurück. Der Anschluss fiel ihm schwer, sowohl bei den Österreichern - konnte er damals noch kein Deutsch - als auch bei den Türkischstämmigen.

"Ich war ein Stadtkind. Viele Türken, die hier lebten, hatten ihre Wurzeln in Dörfern. Wir sprachen teilweise nicht mal dasselbe Türkisch. Meines war vielen zu hochgestochen, ich wiederum kannte viele anatolischen Begriffe nicht", erzählt der gebürtige Türke.

Hüyük machte eine Lehre zum Installateur, beschloss jedoch mit 19 Jahren wieder in die Türkei zurückzuziehen. Ein Abenteuer, das nur neun Monate währte. "Es war schwierig, in der Türkei einen Job zu finden. Und irgendwie hatte ich mir doch ein Leben in Österreich aufgebaut", so Hüyük.

Ermordeter Journalist als Vorbild

 

Wieder in Österreich begann Hüyük, sich in verschieden Verein und Organisationen zu engagieren. "Ich bin überall dort hingegangen, wo es vorher immer hieß, da soll man nicht hin. Ich wollte es für mich selbst herausfinden", sagt Hüyük. In dieser Zeit begann er sich immer mehr mit Geschichte, Philosophie und Politik auseinanderzusetzen. 

Sein Journalismus-Debüt hatte Hüyük aber erst 1995, als er von der türkischen Zeitung Evrensel gefragt wurde, ob er für sie arbeiten will. "Kurz davor wurde in der Türkei der Journalist Metin Göktepe ermordet. Das hat mich sehr mitgenommen, mir aber auch die Wichtigkeit dieses Jobs gezeigt", erzählt er. So begann der gelernte Installateur nebenbei zunächst für Evrensel und später auch für andere türkische Medien zu schreiben.

Neustart nach Hackerangriff

"Anfang der 2000er habe ich begonnen zu bloggen. 2010 entdeckte ich, dass es auch türkische Seiten in Österreich gibt", erinnert sich Hüyük zurück. Es dauerte aber noch bis ins Jahr 2016, ehe  Der Virgül ins Leben gerufen wird, zunächst noch ohne Artikel, sondern nur als Virgül. Das steht im Türkischen für Beistrich. "Meine Nichte hatte die Idee. Und ich fand sie auf Anhieb super. Der Beistrich, etwas, dass Sachen unterbricht und teilt", erklärt Hüyük die Geschichte hinter dem Namen. 

Der deutsche Artikel kam hinzu, als die anfängliche Seite Hackerangriffen zum Opfer fiel und vor drei Jahren neu gelauncht werden musste. Das Zweisprachige sei aber sowieso viel passender, findet der Reporter heute.

Und den Hackerangriff sieht Hüyük auch ein wenig als Bestätigung seiner Arbeit. "Für manche bin ich ein Türkei-Feind, weil ich kritisch über die Türkei und auch die Community hier berichte. Aber ich bin weder jemandes Feind noch Freund. Ich bin Journalist", betont er.

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