Türkei-Wahl in Österreich: Schlange stehen für das Heimatland
Am Donnerstag begann der Urnengang für drei Millionen Auslandstürken, in Österreich dürfen knapp 108.000 abstimmen. Und das tun sie mehrheitlich für Erdoğan.
Ein Taxi hält vor dem türkischen Generalkonsulat in Wien-Hietzing. Ein älterer Mann mit Krücken steigt aus und reiht sich in die lange Schlange der türkischen Staatsbürger ein, die vor dem Konsulat warten. Die Wartezeit scheint er, genauso wie die anderen Wartenden, bereitwillig in Kauf zu nehmen.
Gut zwei Wochen vor den türkischen Präsidentschafts- und Parlamentswahlen hat am Donnerstag die Stimmabgabe für die rund drei Millionen Auslandstürken weltweit gestartet. Den größten Wählerpool außerhalb der Türkei gibt es in Deutschland.
Dort sind rund 1,45 Millionen Türken wahlberechtigt. In Österreich dürfen rund 108.000 türkische Staatsbürger wählen. Bis 9. Mai können sie ihre Stimmen in den Generalkonsulaten in Wien, Salzburg und Bregenz und in Wahllokalen in Linz, Graz und Innsbruck abgeben.
Erdoğan-Hochburg
Traditionell gelten die Auslandstürken als wichtige Unterstützer von Präsident Recep Tayyip Erdoğan und seiner islamisch-konservativen AKP. Bei der letzten Wahl 2018 hatte Erdoğan bei den Stimmberechtigten im Ausland sogar ein besseres Ergebnis erzielt als in der Türkei selbst: Damals votierten 59,4 Prozent der Auslandstürken für ihn, im Gesamtergebnis kam der Präsident auf 52,6 Prozent.
In Österreich waren es sogar 72,3 Prozent, die für den Machthaber stimmten. Mehr Zustimmung genoss Erdoğan nur in Belgien und den Niederlanden.
Der (selektive) Lokalaugenschein vor dem Konsulat in Wien am Donnerstag lässt vermuten, dass es heuer ähnlich kommen könnte. "Mein Favorit ist Erdoğan, ich wähle ihn jetzt schon zum dritten Mal. Er hat Frieden in unser Heimatland gebracht", sagt Mehmed, der in der Schlange vor dem Generalkonsulat steht.
Der 58-Jährige lebt seit rund 30 Jahren in Wien. Auch eine Frau, ein paar Meter hinter Mehmed in der Schlange, ist überzeugt: "Erdoğan hat es geschafft, dass der Lebensstandard für die Türken besser geworden ist."
Dass in Österreich viele Türken hinter Erdoğan stehen, weiß auch Soziologe Kenan Güngör. Gleichzeitig warnt er aber, nicht alle Türkischstämmigen in Österreich in einen Topf zu werfen: "Diese 72 Prozent, die letztes Mal für Erdoğan gestimmt haben, sind natürlich eine hohe Zahl. Gleichzeitig muss man aber auch bedenken, dass die Hälfte der in Österreich lebenden wahlberechtigten Türkeistämmigen überhaupt nicht wählen gegangen ist."
2018 nutzten 49 Prozent der in Österreich stimmberechtigten Auslandstürken ihre Stimme. Botschafter Ozan Ceyhun rechnet heuer mit einer Wahlbeteiligung von über 50 Prozent. Er selbst hat – trotz Wartezeiten – am Donnerstagvormittag im Generalkonsulat gewählt. "Dass es am ersten Tag besonders in der Bundeshauptstadt lange Wartezeiten gibt, ist normal", sagt Ceyhun. Viele würden es als ihre Pflicht dem Heimatland gegenüber sehen, gleich die erste Möglichkeit zum Urnengang zu nutzen.
Cengiz Günay, Direktor des Österreichischen Instituts für internationale Politik, teilt diese Prognose nicht: Die Themen im Wahlkampf seien heuer ganz andere als 2018. Damals ging es um die türkische Identität, damit konnte sich auch die Diaspora identifizieren. "Diesmal dominieren die schlechte wirtschaftliche Lage, die hohe Inflation und das schlechte Management der Regierung nach dem Erdbeben den Wahlkampf", so Günay. Die Themen würden nicht alle Auslandstürken gleich beschäftigen.
Je knapper jedenfalls die Wahl am 14. Mai ausgehen wird – die Umfragen sehen das heterogene Oppositionsbündnis mit CHP-Spitzenkandidaten Kemal Kılıçdaroğlu wenige Prozentpunkte vor Erdoğan – desto mehr zählt jede Stimme. Auch die der Auslandstürken.
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