Auf Sommerfrische: ein Urlaub wie damals

Die Reise in die unberührte Natur beginnt meist am Laptop oder iPhone
Ein Urlaub wie damals: Die Sommerfrische erfährt in Österreich eine Renaissance.

Den Duft der eigenen Mutter bewahren. Als Margit Aigner den Osttiroler Tassenbacherhof erbte, wurde ihr klar: Der Vanilleduft in der Küche, das Zirbenholz im Schlafzimmer, die Veilchensäcke in der Wäsche erzählen die Geschichte ihrer Kindheit. Sie renovierte gemeinsam mit ihren Kindern den ehemaligen Fuhrmannsgasthof und öffnete ihn wieder für Gäste.

Eine Auszeit am See, in den Bergen oder am Bauernhof ist im Sommer 2020 wieder besonders en vogue: Laut aktueller Gallup-Umfrage wollen heuer fast zwei Drittel der Österreicher Urlaub im eigenen Land verbringen. "Derzeit ist eine Renaissance der Sommerfrische zu beobachten", bestätigt Historikerin Lisa Fischer ("Liebe im Grünen", Edition Mokka).

Die Landlust der Städter nahm ihren Anfang im 19. Jahrhundert als Form der Naturerholung, Hygiene und einem neuen Körperbewusstsein. Die Höhepunkte der Sommerfrische in den Bergen und an den Seen fanden um 1900 sowie in der Zwischenkriegszeit statt. "Die Entwicklung ging von der Kaiser-Familie aus, ihr folgten der Adel, das Bürgertum sowie die künstlerische Bohème."

Städter wollten der stickigen Großstadt entfliehen

Heute zeugen alte Fotografien davon, wie Kaiser Franz Joseph in Bad Ischl spazieren geht oder Maler Gustav Klimt in seinem langen Künstlerhemd am Attersee posiert. Karl Kraus schrieb, dass Ischl aussähe, "als ob die Berge ringsum nur Decoration wären, die man auf die Wiener Ringstraße gestellt hat."

Imposante Villen, Hotels oder Strandbäder entstanden in der Hochblüte dieser Auszeit an der Westbahn, der Südbahn oder der Kamptalbahn: Besonders beliebt waren das Salzkammergut, die Regionen um Semmering und Rax, Bad Vöslau, der Wienerwald und das Kamptal.

Der Adel und die Reichen bauten sich eigene Sommervillen oder aber quartierten sich in ein Grand Hotel ein: "Man entfloh im Sommer der stickigen Großstadt. Jene, die sich einen längeren Aufenthalt nicht leisten konnten, gingen bergsteigen oder wandern. Jene, die sich Hotels nicht leisten konnte, mieteten sich bei Bauernfamilien ein. Diese räumten für die Gäste ihre Schlafzimmer und übernachteten im Heustadel."

Kreative Auszeit? Warum nicht ein paar Monate lang

Die Saison dauerte von Mai bis Oktober: In Wien wurden die Teppiche zusammengerollt und der Hausrat in das Sommerdomizil transportiert. "Man reiste mit dem Dienstpersonal, die Frauen blieben über Monate mit ihren Kindern in der Natur, die Ehemänner kamen am Wochenende mit dem "Busserlzug".

Die Erholung vom Alltag beinhaltete einen Perspektivenwechsel und eine kreative Schaffenspause. Wobei Schriftsteller Arthur Schnitzler festhielt, er sei nur so produktiv, weil er sich nicht unter die "herumsitzenden und quatschenden Sommerteppen" mische.

"Auch wenn es am Wochenende nur in das von Wien nahe gelegene Strombad Kritzendorf ging: Hier konnte man der Etikette und dem starken Standesdünkel der Stadt entkommen, denn in der Badehose wurden alle gleich."

Urlaub am Bauernhof: Österreicher zieht es auf Winzerhöfe

Sommerfrische-Expertin Fischer, die selbst ein Häuschen im einstigen Frischluft-Kurort Payerbach besitzt, beobachtete während der Corona-Krise, wie Städter ihnen unbekannte Wanderwege nahe Wien erkundeten.

"Dieser Trend wird bleiben, denn jenseits des Stresses von Fernreisen, liegt das große Glück geradezu ums kleine Eck. Gerade rund um Wien kann man eine Fülle von historischen Schätzen und Naturoasen entdecken."

Hans Embacher, Geschäftsführer von der Plattform "Urlaub am Bauernhof" zeigt sich optimistisch angesichts der Buchungslage: "Wir sehen heuer auch, dass spezielle Angebote wie Almhütten sehr gefragt sind, da hier eine Abgrenzung zu anderen Gästen durch die Einzellage sowieso gegeben ist. Aber auch Urlaub auf Winzerhöfen liegt stark im Trend, da man hier Urlaubserlebnis und lukullischen Genuss perfekt verbinden kann und häufig durch die Landschaft und Lage der Höfe ein südliches Flair genießen kann. Das Gleiche gilt für das Angebot an Kellerstöckln im Südburgenland."

Zudem heißt man heuer Hunderte Familien auf Ferienbauernhöfen willkommen, die in den Vorjahren ans Meer gefahren sind.

"Es gibt ja keine bessere Möglichkeit, um Land und Leute kennenzulernen, als Ferien auf einem Bauernhof. Den Kindern kann man spielerisch und als Urlaubserlebnis ein Stück Lebenswissen mitgeben."

Auch Aigner veranstaltet im Tassenbacherhof Brotbackkurse und lehrt alte Rezepte aus dem Fundus des ehemaligen Gasthauses – so lebt das Wissen ihrer Mutter weiter. Fischer: "Die historische Sommerfrische hatte freilich nichts mit Brot backen am Bauernhof zu tun, denn diese Tätigkeiten erledigte damals das Dienstpersonal."

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