Siamesische Zwillinge vor 10 Jahren getrennt

Ihre Körper wurden als Babys operativ getrennt, Michaela und Melanie sind aber noch immer eng verbunden.
Melanie und Michaela teilten sich eine Blase sowie Dick- und Dünndarm.

Was esst ihr am liebsten? „Spaghetti“! Was macht ihr am liebsten in eurer Freizeit? „Zeichnen – und lesen!“ Und welche sind eure Lieblingsfarben? „Meine ist rosa“, sagt Michaela. „Und meine lila“, sagt Melanie.

„Das ist der einzige Unterschied – bei all den anderen Fragen antworten sie immer im Doppelpack dasselbe“, lacht Milena Stankovich, die Mutter der beiden Mädchen. Gemeinsam mit ihrem Mann Zeljko und der älteren Tochter Jacqueline, 17, blickt sie am heutigen Weihnachtsabend auf zehn „sehr schwierige Jahre“ zurück.

Im Herbst 2003 kamen Michaela und Melanie im Wiener AKH als siamesische Zwillinge auf die Welt. Sie waren am Bauch auf einer Länge von fünf Zentimetern zusammengewachsen, hatten die Blase, einen Teil des Dünndarms und den Dickdarm gemeinsam. „Aber unser Einsatz hat sich gelohnt, es sind so liebe Mädchen geworden.“

Siamesische Zwillinge vor 10 Jahren getrennt

Date: Fri, 03 Oct 2003 15:28:37 0200 Subject: FW: …
Siamesische Zwillinge vor 10 Jahren getrennt

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Siamesische Zwillinge vor 10 Jahren getrennt

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Siamesische Zwillinge vor 10 Jahren getrennt

Siamesische Zwillinge vor 10 Jahren getrennt

Siamesische Zwillinge vor 10 Jahren getrennt

Siamesische Zwillinge vor 10 Jahren getrennt

Siamesische Zwillinge vor 10 Jahren getrennt

Weihnachtsgeschichte Familie Stankovich, Fischamen…
Siamesische Zwillinge vor 10 Jahren getrennt

Ernst Horcher, Kinderchirurg…
Siamesische Zwillinge vor 10 Jahren getrennt

Weihnachtsgeschichte Familie Stankovich, Fischamen…
Siamesische Zwillinge vor 10 Jahren getrennt

Weihnachtsgeschichte Familie Stankovich, Fischamen…
Siamesische Zwillinge vor 10 Jahren getrennt

Weihnachtsgeschichte Familie Stankovich, Fischamen…
Siamesische Zwillinge vor 10 Jahren getrennt

Weihnachtsgeschichte Familie Stankovich, Fischamen…
Siamesische Zwillinge vor 10 Jahren getrennt

Weihnachtsgeschichte Familie Stankovich, Fischamen…

Es sind sehr ruhige, stille Kinder, erzählen die Eltern aus Fischamend, NÖ: „Sie haben viel mitgemacht. Deshalb zeichnet sie eine ganz besondere Verbundenheit aus. Für Außenstehende ist das oft schwer zu verstehen.“

Geprägt

In der Volksschule – sie gehen in die 3. Klasse – waren sie tieftraurig, als sie einige Zeit nicht nebeneinander saßen: „Das war ganz schlimm für sie. Deshalb sitzen sie heute wieder beisammen. Und wenn Melanie Schmerzen hat, weint sofort auch Michaela – und umgekehrt. Sie sind durch ihre monatelangen Spitalsaufenthalte geprägt und haben große Angst umeinander. Das müssen wir akzeptieren und so nehmen, wie es ist.“

Gestritten haben die beiden noch nie: „Streit gibt es bei uns nicht, die Sommerferien sind unsere ruhigste Zeit“, sagt die Mutter. „Wenn ich ihnen beim Puppenspielen zuschaue, kommt mir das so vor, wie wenn die eine die Gedanken der anderen voraus liest und das Spiel darauf ausrichtet“, ergänzt der Vater.

Beim Einkaufen suchen sich Michaela und Melanie durchaus selbstständig Kleidungsstücke aus, so die Mutter: „Da passiert es im Geschäft, dass sie mit unterschiedlichen Stücken zu mir kommen. Wenn ich dann aber sage, heute kann jede nur ein Stück haben, einigen sie sich z. B. auf ein Leiberl, das wir dann doppelt kaufen müssen. Sie wollen nur völlig gleich angezogen sein – von den Socken bis zur Jacke.“

Siamesische Zwillinge vor 10 Jahren getrennt
Weihnachtsgeschichte Familie Stankovich, Fischamend am 12.12.2013. Über 10 Jahre nach der Trennung der Siamesischen Zwillinge Michaela und Melanie.
Erst seit einigen Jahren sind auch Urlaube möglich, allerdings: „Rund drei meiner fünf Urlaubswochen verbringe ich mit den Kindern im Spital oder bei Therapien wie z. B. der Osteopathie“, sagt Milena Stankovich. „Heuer im Sommer sind wir an einem Donnerstagabend mit dem Zug nach Venedig gefahren – bis Mittwoch waren wir im Spital.“ Ein große Stütze ist Schwester Jacqueline. „Ohne sie wäre es nicht gegangen, sie ist eine ganz Tüchtige“, sagt die Mutter. „Sie hilft den Schwestern bei den Hausaufgaben, spielt mit ihnen, begleitet sie ein Stück auf ihrem Schulweg.“

Jacqueline maturiert 2015 und schreibt ihre vorwissenschaftliche Arbeit über die spezielle Form siamesischer Zwillinge, die – wie ihre Schwestern – im Bauchbereich zusammengewachsen sind. Sie möchte Medizin studieren: „Das Schicksal meiner Schwestern hat auch mich geprägt. Deshalb interessiere ich mich sehr für Kinderchirurgie. Ich würde auf diesem Gebiet gerne etwas beitragen und anderen Familien weitergeben.“

„Wir sind so froh über die gute Behandlung auf der Kinderchirurgie im Wiener AKH“, sagen die Eltern: „Melanie und Michaela hatten das Glück, dass sie sich kein lebenswichtiges Organ teilten mussten. Im Spital sehen wir so viele Kinder, denen es viel schlechter geht, als es unseren je gegangen ist. Dann sind wir ganz besonders dankbar für alles.“

Siamesische Zwillinge:

Die Herkunft

Zusammengewachsene eineiige Zwillinge werden nach einem 1811 in Siam (Thailand) geborenen Zwillingspaar als „siamesisch“ bezeichnet.

Die Ursache

Eine nicht vollständige Trennung der Eizelle im frühen Stadium. Der Auslöser ist nicht bekannt.

Meist wird in der Literatur eine siamesische Zwillingsgeburt auf 100.000 bis 500.000 Geburten angegeben. „Ich habe in 20 Jahren zwei gesehen“, sagt Kinderchirurg Horcher. Die meisten dieser Kinder werden tot geboren oder sterben in den ersten Tagen . „Wahrscheinlich geht die tatsächliche Häufigkeit eher gegen 1:1 Million – also ein siamesisches Zwillingspärchen auf eine Million Geburten.“ Zum Vergleich: täglich werden weltweit 300.000 bis 400.000 Kinder geboren.

KURIER: Welche Bilanz ziehen Sie zehn Jahre danach?
Ernst Horcher: Eine sehr gute. Die beiden Mädchen haben sich sehr gut entwickelt. Weltweit sind nur zehn anatomisch ähnlich verbundene siamesische Zwillingspaare wie Michaela und Melanie bekannt – fünf davon sind gestorben. Das Ganze war also keine so ungefährliche Geschichte. Und sie haben einen sechsten Sinn füreinander. Zwischen ihnen besteht eine besondere Verbundenheit.

Was war gefährlicher bzw. schwieriger zu bewältigen: Die Trennung oder die Zeit danach?
Ganz eindeutig die Zeit danach.Beide Mädchen hatten ja sehr komplexe Fehlbildungen im Bauchbereich – das Ausmaß konnten wir vor dem Eingriff nicht genau abschätzen. Hier waren sehr aufwendige Korrekturoperationen notwendig, deren Folgen die Kinder sehr belastet haben – und dies teilweise bis heute tun. Wir konnten aber mit den Eingriffen sehr viel erreichen. Trotzdem ist die Betreuung der Kinder für die Eltern nach wie vor sehr aufwendig, sind regelmäßige Kontrollen, Therapien und immer wieder auch Spitalsaufenhalte notwendig. Aber die Eltern machen das sehr gut.

Wie sehen Sie heute die Zukunft der Kinder?
Äußerst positiv. Sie haben viel durchgemacht, aber sie haben schwierige Situationen immer sehr gut gemeistert. Ich bin überzeugt, dass sie – mit ihrer ganzen Familie – ein sehr schönes Leben vor sich haben.

„Noch stärker als eineiige Zwillinge sonst haben siamesische Zwillinge eine ganz intensive seelische Verbundenheit und ein starkes Verantwortungsgefühl füreinander“, sagt die Psychologin Agnes Panagl von der Klinik für Kinderchirurgie der MedUni Wien/AKH Wien, die auch Michaela und Melanie betreut.

Eine solche Beziehung und eine „Ich-Identität“ seien aber kein Widerspruch: „Psychologinnen und Psychologen vermitteln in der Arbeit mit derart eng verbundenen Kindern: ,Ich darf darauf vertrauen, dass es dem anderen gut geht und er gut zurechtkommt, auch wenn ich nicht dabei bin. Ich muss mir keine Sorgen um ihn machen und nicht fürchten, dass die Beziehung beeinträchtigt wird, wenn wir nicht immer zusammen sind.‘“ Schließlich können Erfahrungen, die man alleine macht und in die Beziehung einbringt, äußerst bereichernd sein.

Bei Kindern, die wie Melanie und Michaela immer wieder sehr lange Spitalsaufenthalte hinter sich haben, sei es auch wichtig, in der psychologischen Betreuung diese Erfahrungen spielerisch zu verarbeiten und aufzuarbeiten – etwa durch Zeichnungen oder Rollenspiele, betont Panagl. Und was Michaela und Melanie betrifft: „Die beiden entwickeln sich toll, sind gut integriert, starke Persönlichkeiten und sehr glückliche Menschen.“


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