Zu viele Möglichkeiten: So planen Maturanten ihre Zukunft besser

Zu viele Möglichkeiten: So planen Maturanten ihre Zukunft besser
Wie Jugendliche im Schuljahr vor der Matura ihre Interessen erkennen können und warum sie einen Plan B brauchen.

Etwas mit Menschen“ antworten Jugendliche oft auf die Frage nach ihrem Traumberuf. Oder „etwas im Marketing“. Auch häufig sind die Antworten „Ich habe noch keine Ahnung“ und „Ich werde YouTuber“, beide sind keine gute Basis für die Berufswahl. Für viele ist die Entscheidung, wie es nach der Matura weitergehen soll, genauso schwierig wie die Abschlussprüfung selbst. Und mit viel Stress verbunden, weiß die Grazer Bildungsberaterin Monika Neuhauser vom Verein SAB (www.maturawasnun.at): „Manche Schüler kommen zu uns, weil sie den Kopf nicht frei haben für das Planen. Und viele sind erschlagen von den unendlichen Möglichkeiten, die sich ihnen bieten.“

Umfragen zeigen, dass Schüler wenig über den Arbeitsmarkt wissen. Mit der Hälfte der abgefragten Berufe konnten 15- bis 25-Jährige nichts anfangen, ergab eine Forsa-Umfrage. Immerhin wissen sie, was sie wollen: viel verdienen und einen fixen Job (77 Prozent) sowie Work-Life-Balance und Aufstiegschancen (55 Prozent).

Drei Wege zur Wahl

Wer nicht weiß, wo er anfangen soll, kommt auf drei Wegen zu mehr Klarheit. In der Beratung werden oft Interessens- oder Begabungstests eingesetzt, sagt Neuhauser, auch Online-Fragenbögen können Hinweise geben. „Tests sind nur eine Orientierungshilfe, sie treffen nicht die Entscheidung. Und ein Test ist nicht automatisch schlecht, nur weil etwas Unerwartetes herauskommt.“

- Berufe Es muss ja nicht immer nur der Beruf der Eltern, des Lehrers oder des Kinderarztes sein, nur weil man deren Aufgaben gut kennt. Nichts spricht dagegen, beim Einkaufen einen Apotheker zu fragen, wie sein Tag verläuft, oder an einem Tag der offenen Tür in einem interessanten Unternehmen vorbeizuschauen.

Natürlich kann man die Entscheidung pragmatisch angehen: Gute IT-Mitarbeiter werden von Firmen händeringend gesucht, wer also in diese Richtung geht, kann mit guten Karrierechancen rechnen. Weniger pragmatisch sollten potenzielle Lehrer denken: Nur für lange Ferien und einen sicheren Job sollte man sich so einen nervenaufreibenden Beruf nicht antun – und seinen Schülern auch nicht.

- Studienfach Wer sich nichts Spannenderes vorstellen kann, als Vorlesungen über das alte Rom und das Mittelalter zu belegen, ist als Geschichte-Student bestens versorgt. Und wer in der Schule die Stunde mit den Physik-Experimenten am meisten genossen hat, kann daraus auch seine Schlüsse ziehen. Gute Deutschaufsätze haben mit Journalismus nicht viel zu tun, sind aber eine gute Grundlage. Selbst wenn das Umfeld davor warnt, dass ein Fach überlaufen ist oder wenig Berufsmöglichkeiten bietet, soll man sich nicht davon abhalten lassen. Neuhauser: „Die Schüler sind nicht so fixiert auf eine Karriere von Anfang bis Ende. Wir erleben sie als sehr flexibel.“

- Hobbys Auch die Lieblingsbeschäftigungen nach Schulende können Hinweise für die Karriere nach der Matura geben. Wer gerne Laufen, Klettern oder Schwimmen geht und sich gerne bewegt, findet vielleicht als Sportwissenschafter seine Erfüllung. Oder als Fitness-Coach. „Nach der Beratung hat sich jemand Kreativer für den Beruf des Maskenbildners entschieden“, bringt Neuhauser ein anderes Beispiel.

Wer die Richtung der Berufsentscheidung definiert hat, arbeitet mit der Korkenzieher-Methode weiter – „tiefer und tiefer bohren“. Da geht es um die detaillierteren Fragen: „Wenn sich jemand für einen Sozialberuf interessiert, stellt er sich eher etwas Medizinisches oder etwas Therapeutisches vor? Uni oder Fachhochschule oder eine andere Ausbildung?“

Manchmal gehen die Überlegungen in eine ungewöhnliche Richtung: „Jemand hat sich für den Beruf Instrumentenbauer interessiert und nach der Matura eine Lehre begonnen“, erzählt die Beraterin. „Ein anderer Klient hat sich für das Studium der Raumfahrttechnologie entschieden.“ Auch die Polizei sei derzeit wieder ein Thema für Maturanten.“

In den Schulen soll das Projekt „18plus – Der Studien- und Berufschecker“ (www.18plus.at) den Schülern helfen, Entscheidungen zu treffen. Neben Orientierungstests gibt es Gespräche mit Studenten (www.studieren.at und www.studiversum.at). An den Universitäten können Neugierige „Studieren probieren“, so der Name des ÖH-Schnupperprogramms. Damit können Junge auch herausfinden, ob ihnen das System einer Uni liegt oder ob sie an einer Fachhochschule besser aufgehoben sind.

„Für manche ist ein Pause gut, bei der sie in sich hineinhören können“, weiß Neuhauser aus Erfahrung. Das Vorarlberger Projekt „KernJahr“ begleitet Jugendliche in dieser Phase. Reden über Berufe ist ein wichtiger Aspekt, betont Initiatorin Monika Wohlmuth: „Wichtig ist, auf Entdeckungsreise zu gehen, Leute, die ich treffe zu fragen, warum bist du geworden, was du bist. Lebensgeschichten zu sammeln, empfinde ich als unglaublich wichtige Erfahrungsschätze.“

Ein Schatz aus Erfahrungen ist auch das Projekt whatchado.com (frei aus dem Englischen „Was machst du?“), das vor sechs Jahren ins Leben gerufen wurde. Das Team hat dazu inzwischen Antworten von mehr als 6000 Menschen in Form von Videointerviews auf der Webseite gesammelt. Die Interessen der Website-Besucher werden mit 14 Orientierungsfragen eingeengt, um auf eine bessere Auswahl zu kommen. Tatsächlich: Beim Probedurchgang werden durchaus passende Berufe vorgeschlagen.

Auch die Eltern sind wichtige Gesprächspartner. Kaum jemand kennt die Fähigkeiten und Interessen ihrer Kinder so gut wie sie. Aber Eltern können auch viel falsch machen: Sie könnten ihren Junior über- oder unterschätzen. Mitunter wird versucht, die eigenen Berufsträume über das Kind zu verwirklichen. Manche geben einen Bildungsweg als Familientradition vor. Dabei haben die wenigsten einen guten Überblick über die heutigen Berufs- und Ausbildungsmöglichkeiten. Vor allem müssen einfühlsame Eltern erkennen, was die Berufswahl so schwierig macht – Neuhauser: „Das ist die erste Entscheidung, die Jugendliche selbstständig treffen müssen.“

Alternativen suchen

Dabei hat sich der Fokus in den zwanzig Jahren der Beratungsstelle SAB verschoben, so Neuhausers Analyse: „Die Jugendlichen brauchen heute mehr Unterstützung beim Karriere-Management, wie sie ihre Entscheidungsfähigkeit stärken. Und wie sie damit umgehen, wenn es nicht so läuft wie geplant.“

Denn zur Beratung kommen auch Studenten, die feststellen, dass ihre erste Entscheidung doch nicht gepasst hat. Immer öfter geht es darum, „den Blick zu öffnen und Alternativen zu finden“, erklärt Neuhauser. „Es wird immer wichtiger, zwei Sachen parallel zu verfolgen. Bei vielen Ausbildungen gibt es Studienplatzbeschränkungen. Was macht jemand, wenn er etwa den Platz für das Medizinstudium nicht bekommen hat? Und er feststellen muss, dass damit gewisse Wege versperrt sind – zumindest auf den ersten Blick.“

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