"Die Schmerzen sind verschwunden"

Die Schmerzen sind verschwunden
Bei einem Bandscheibenvorfall ist Geduld gefragt. Eine Operation ist in den meisten Fällen aber nicht notwendig, so Schmerztherapeuten.

Es begann mit einer banalen Bewegung im November 2012: "Als ich einen Stecker aus der Steckdose ziehen wollte, spürte ich plötzlich eine heftigen, stechenden und lähmenden Schmerz", erinnert sich Verkäuferin Timea L., 27, aus Wien. Die Schmerzen wurden immer schlimmer. Diagnose: zwei Bandscheibenvorfälle. "Ich war bei einem Chiropraktiker, habe Heilgymnastik gemacht – nichts half." In einem Spital erhielt sie die Auskunft: "Es gibt nur zwei Möglichkeiten: Spritzen zur Schmerzlinderung oder eine Operation."

"Damit wollte ich mich nicht abfinden", erzählt Timea L. Durch Zufall stieß sie auf den Orthopäden Hans-Peter Holzapfel vom Wiener Hartmannspital. Er riet ihr zu einer Nervenwurzelblockade: Unter Röntgenkontrolle werden in einem minimalinvasiven Eingriff ein Lokalanästhetikum und Cortison an den durch den Bandscheibenvorfall bedrängten Nerv herangebracht (ein Teil der Bandscheibe tritt in den Wirbelkanal, wo sich das Rückenmark befindet, vor) . Anschließend begann sie mit Heilgymnastik: "Meine Schmerzen sind verschwunden, in zwei Wochen gehe ich wieder arbeiten."

"Bei 90 Prozent der Bandscheibenvorfälle ist keine Operation notwendig", sagt der Orthopäde Oberarzt Rudolf Keusch, Leiter der "Interdisziplinären Schmerztherapie" im Hartmannspital: "Operieren muss man nur dann, wenn man schwerwiegende Lähmungen hat, die innerhalb von einer Woche keine Rückbildungstendenz zeigen." Nur bei einem extrem seltenen "Massenprolaps" – der viele Nervenwurzeln einklemmt und auch die Blasen- und Mastdarmfunktion beeinflusst – sei eine sofortige Operation notwendig.

Geduld

"Ein Bandscheibenvorfall dauert ein bis drei Monate, da gibt es keine schnelle Heilung", sagt Keusch. Auch nicht bei einer OP (dabei wird der vorgefallene Anteil der Bandscheibe entfernt): "Wenn man Pech hat, wölbt sich die Bandscheibe nach ein paar Monaten neuerlich vor, besonders dann, wenn man sich nicht wirbelsäulengerecht verhält." Grundsätzlich sei das Ergebnis zwischen OP und konservativer Therapie "auf lange Sicht dasselbe": Allerdings: "Auch bei einer schonenden OP besteht immer das Risiko, dass Bänder und Muskeln beleidigt werden und sich dadurch das gesamte Wirbelsäulensegment lockert – das erhöht aber das Risiko für einen neuerlichen Vorfall."

In der Akutphase umfasse die konservative Therapie eine stundenweise Ruhigstellung durch abgewinkelte Hochlagerung der Beine, abwechselndes Liegen und Gehen, eine Blockade der Nervenwurzeln mit Schmerzmedikamenten, entzündungshemmende Präparate, Eistherapie. Langes Stehen und Sitzen sollte man vermeiden.

"Erst wenn die akuten Schmerzen abgeklungen sind und sich mögliche Lähmungen zurückgebildet haben, kann man mit einer individuell angepassten Heilgymnastik und physikalischen Maßnahmen wie Ultraschall, etc. beginnen." Ein leichtes Mieder für drei Wochen soll helfen, die richtige Haltung zu bewahren. Fazit: "Fast alle Patienten bleiben durch eine solche interdisziplinäre Therapie langfristig schmerzfrei."

Tipps: Vorbeugen mit Balanceübungen

Ein Bandscheibenvorfall ist nichts Schicksalhaftes", betont Orthopäde Keusch: "Langes Sitzen, Rauchen (schlechterer Stoffwechsel, Anm.) und Stress sind Risikofaktoren – Stress führt zu Muskelverspannungen, das erhöht den Druck auf die oft vorgeschädigten Bandscheiben." Besonders belastend sei es, wenn man sich nach vorne beugt und dabei auch noch dreht – "wie etwa beim Staubsaugen, Schneeschaufeln, Eishockey oder einer falschen Golftechnik".

Vorbeugen könne man generell durch Bewegung, besonders aber durch spezielles Training der kleinen Muskeln zwischen den Wirbeln: "Das gelingt sehr gut durch Balanceübungen – etwa auf einem Bein stehen, Übungen auf einem Balancebrett oder auf der Slackline (Balancieren auf einem Gurtband, Anm.) –, (therapeutisches) Klettern und Heilgymnastik." Bewegliche Sitzflächen oder ein aufblasbares Ballkissen als Unterlage beim Sitzen helfen ebenfalls, die kleinen Muskeln zu trainieren. Vor dem Computer sollte man den Kopf nicht zu weit nach vorne schieben – das kann beim Drehen Bandscheiben der Halswirbelsäule schädigen.

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