Psychoanalyse vs. Film: Macht der Gefühle

Psychoanalyse vs. Film: Macht der Gefühle
Sie entstanden im selben Jahr und handeln beide von Wünschen und Träumen: der Film und die Psychoanalyse.

Keira Knightley und Michael Fassbender im Psycho-Drama "Eine dunkle Begierde". Zur Vorpremiere bei der Viennale am 29. 10. wird auch Regisseur David Cronenberg erwartet. Es wäre zu schön gewesen, direkt eine Ironie der Geschichte. Ein Sex-Symbol auf der Couch vor einem Homosexuellen, der Sigmund Freud mimt und die Worte spricht, die ihm ein französischer Existenzialist zuschrieb. Marilyn Monroe, Montgomery Clift, Jean-Paul Sartre. Ein Trio Supérieur wäre das gewesen. Aber bis auf Monty Clift schaffte es keiner der drei in John Hustons Film-Bio "Freud". Fast 50 Jahre ist das her. Die Psychoanalyse wurde seither nicht nur durch die schusseligen Kino-Sitzungen mit Woody Allen zu einem vertrauten Thema.

Sex, Träume und verborgene Wünsche

Regisseure wie Fritz Lang, Federico Fellini, Ingmar Bergman und David Lynch fühlten sich zum cineastischen Blick auf das Innenleben des Menschen berufen. Bernardo Bertolucci ("Der letzte Tango in Paris") sagte einmal sogar: "Ich fand heraus, dass meine Kamera über eine zusätzliche Linse verfügt, und die war nicht von Kodak oder von Zeiss, sondern von Freud." Dass nun auch David Cronenbergs Weg direkt in die Wiener Berggasse führt, überrascht kaum. Schon seine Filme "Crash" (Perversion und Fetischismus) und "Videodrome" (Gewalt und Sex) haben Es, Ich und Über-Ich zum Thema. Sein Historienepos "Eine dunkle Begierde" (Kinostart: 11. November) wird noch expliziter: Auch hier spielt ein Trio eine Rolle, und was für eines. Sigmund Freud (Viggo Mortensen) und C. G. Jung (Michael Fassbender), die beiden Begründer der Psychoanalyse, rittern um die Gefühle von Sabina, einer überaus attraktiven, jedoch hysterisch kreischenden Patientin (Keira Knightly). Regisseur Cronenberg stieß in den 1990er-Jahren auf den pikanten Stoff, bei einem Abend im National Theater in London. Die Dialoge zum Psycho-Duell stammen von Oscar-Preisträger Christopher Hampton ("Gefährliche Liebschaften"). Was den kanadischen Filmemacher aber noch mehr fesselte: "Dass die Dreiecksbeziehung zwischen Jung, Freud und Sabina die Geburtsstunde der modernen Psychoanalyse war."

Freuds gespaltenes Verhältnis zum Film

Wenn man dabei den Eindruck gewinnt, als würde Freud-Darsteller Viggo Mortensen die Show nicht nur von einer geradezu entfesselten Keira Knightly gestohlen, sondern ebenso von dem in Deutschland geborenen Michael Fassbender, liegt man nicht ganz falsch. Immerhin war schon Freuds Verhältnis zum Medium Film sehr gespalten. Seine Abhandlungen zur Sexualtheorie und die Werke "Totem und Tabu", "Das Unheimliche" und "Massenpsychologie und Ich-Analyse" waren schon erschienen, als Filmproduzent Samuel Goldwyn versuchte, Freud als Berater zu gewinnen. Doch selbst die in Aussicht gestellte Gage von 100.000 Dollar konnten den Vater der Psychoanalyse nicht dazu bewegen, am geplanten Liebesfilm über Antonius und Kleopatra mitzuarbeiten. Zeit seines Lebens sollte er dem neuen, verführerischen Massenmedium gegenüber sehr misstrauisch gewesen sein. Seine Skepsis war sogar so groß, dass er sich kaum und selbst dann nur widerwillig filmen oder fotografieren ließ. Die Psychoanalyse hingegen wurde immer populärer. Nicht in Wien. Aber in Berlin, wo mit Georg Wilhelm Pabsts "Geheimnisse einer Seele" Mitte der 1920er-Jahre der erste Film über die Psychoanalyse entstand. Die Fallstudie mit Werner Krauss und Ruth Weyer in den Hauptrollen konfrontierte die vornehme Gesellschaft mit ihren unterdrückten Trieben, ihren Ängsten und Mordgelüsten. Freud hatte eine Mitarbeit am Ufa-Projekt abgelehnt. Produzent Hans Neumann ließ sich dadurch nicht beirren - und engagierte dessen Schüler Karl Abraham und Hanns Sachs als wissenschaftliche Berater.

Akribische Recherche

Cronenberg ist bekannt für seine akribische Recherche. Man kann also davon ausgehen, dass bei der "Real-Live"-Story über die Geburt der Psychoanalyse alle Details stimmen. Sogar die Tagebücher der Patientin Sabina wurden gelesen und analysiert. Sicher, "Eine dunkle Begierde" ist sehr dialoglastig. Aber selbst dieses Merkmal ist nicht aus der Luft gegriffen. Das erste Aufeinandertreffen von C. G. Jung und Sigmund Freud, 1907 in Wien, soll dreizehn Stunden gedauert haben. Ein Gespräch über dreizehn Stunden! Ein wenig Wiedergutmachung ist auch dabei. Sabina Spielrein, die einstige Patientin, wurde später selbst Psychoanalytikerin. Sie forschte über "Sex als destruktive Macht". Sie wird gewusst haben, warum. Und genau genommen erzählt Cronenberg auch gar nicht die Geschichte der beiden ohnehin weltbekannten Kapazunder, sondern ihre - die der zu Unrecht unbekannten Frau.

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