Zentralmatura: Was sagen die Experten über die Ergebnisse?

Zentralmatura: Was sagen die Experten über die Ergebnisse?
Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek ist zufrieden mit der Zentralmatura. Was fällt bei den Ergebnissen auf? Wer übt Kritik?

Nach der ersten Bekanntgabe der Zentral-Matura-Noten waren nicht nur die meisten Maturanten beruhigt, sondern auch Unterrichtsministerin Gabriele Heinisch-Hosek. Die befürchtete Fünfer-Katastrophe ist ausgeblieben: "90 Prozent der Schüler haben sogar in Mathematik eine positive Note. Knapp 24 Prozent sind 'gut' und 35 Prozent 'befriedigend'. Andere werden sich hoffentlich bei den Kompensationsprüfungen noch verbessern."

Damit liegen die Ergebnisse beim Erfahrungswert der 10- bis 15-prozentigen Durchfallsquote in Mathematik. Ein genauer Vergleich mit früheren Ergebnissen ist mangels alter Statistik nicht möglich. Noch sei es zu früh für eine Detailauswertung: "Wir müssen noch die mündlichen Prüfungen abwarten und können erst im Juli mit einer detaillierten Analyse beginnen. Wir können jedes Bundesland, jede Schule und sogar jede Klasse auswerten", kündigt sie an.

In weiterer Folge wird so auch den Lehrern ein Zeugnis ausgestellt: "Ich war immer für ein Schülerfeedback, freiwillig gibt es das ja schon."

Bei so einem großen Projekt bleibt Kritik natürlich nicht aus, worauf Heinisch-Hosek entspannt reagiert. Ein Vorwurf lautet: Die Beispiele seien zu leicht gewesen. Die Experten sehen das nicht so und die breite Streuung der Ergebnisse spricht für sich. Für nächstes Jahr gibt es beim Niveau keinen Anpassungsbedarf", sagt die Ministerin. Zur Tatsache, dass Mädchen schlechter abschneiden, meint sie: "Wir arbeiten in einem Projekt einer Pädagogischen Akademie bereits daran, wie wir das Geschlechterthema besser angehen."

Wiener Stadtschulratspräsidentin Susanne Brandsteidl (SPÖ): "In Schulen mit schlechteren Ergebnissen die Gründe suchen"

„Durchaus positiv“ sieht die Wiener Stadtschulratspräsidentin Susanne Brandsteidl (SPÖ) ihre Ergebnisse. Im bundesweiten Mittelfeld, in Englisch etwas darüber, in Mathe etwas darunter. Sie sieht allerdings "keinen Grund zum Jubeln. Denn recht offensichtlich ist, dass es neben einer großen Anzahl an Schulen bzw. Schulklassen mit nahezu nur positiven Noten, auch Schulen und Schulklassen mit schlechteren Ergebnissen gibt.“ Sie will den Ursachen auf den Grund gehen, etwa ob es in diesen Klassen Mängel bei der Vorbereitung gegeben habe. „Ist dem so, heißt es in Folge, Einzelgespräche mit Lehrern und Schulpartnern zu suchen, um hier Verbesserungen - durch Fort- und Weiterbildung - zu erzielen.“ Künftig wolle man von einem Mittelfeldplatz im Bundesländerranking weiter nach oben kommen.

Bildungswissenschafter Stefan Hopmann (Uni Wien): "Matura den Schwerpunkten des Standortes anpassen"

In Wien fielen etwa die Bundes-Oberstufen-Real-Gymnasien (BORG) negativ auf. Hier gab es besonders viele „Nicht Genügend“. Bildungswissenschaftler wie Stefan Hopmann verwundert das wenig: „So etwas kommt heraus, wenn man alle Schüler über einen Leisten schlägt.“ Heißt: „Alle Schüler schreiben die gleiche Matura – unabhängig davon, welchen Schwerpunkt die Schulen haben.“ Und Mathematik ist an den wenigsten BORG ein Schwerpunkt. Hopmann weist auch auf den Umstand hin, dass es eben „keine eindeutige Mathematik-Kompetenz gibt. Jeder Test repräsentiert einen bestimmten Modus, Mathematik zu verstehen.“ Und da passen die Bifie-Vorgaben eher zu den in den AHS gestellten Aufgaben als zu der in den BORG unterrichteten Mathematik.

Hopmann warnt allerdings davor, aus den Maturaergebnissen den Schluss zu ziehen, dass die BORG die schlechteren Schulen wären: „Solche kausalen Zusammenhänge sind wissenschaftlich unseriös. Das müsste eigens untersucht werden.“

Er plädiert für eine teilzentrale Matura: „Den ersten Teil kann man ruhig zentral prüfen, der zweite sollte aber von der Schule formuliert und dem Schwerpunkt des Standorts angepasst werden.“ Auch wenn die Matura ohne technische Pannen verlaufen ist, sei sie dennoch nicht gelungen: „Das ist so, wie wenn Sie eine Autotour in die falsche Richtung machen. Ist die Tour dann gut verlaufen, nur weil es keine Panne gab?“

Bundesschulsprecher Lukas Faymann: "Förderung schwacher Schüler verbessern"

Faymann, der heuer selbst maturiert, betont die deutlichen Unterschiede zwischen den Schulen und fordert zusätzliche Mittel für eine gezielte Förderung schwächerer Standorte, "um möglichst viele Schülerinnen und Schüler auf ein hohes Niveau zu bekommen". Der Schlüssel zum Erfolg liege in der individuellen Förderung der Schulen, als auch der Schülerinnen und Schüler. Der positive Ausgang der Matura darf keinesfalls dazu missbraucht werden, um weiterhin bei individuellen Förderungen wie den Vorbereitungsstunden zu sparen.“

Harald Walser, Bildungssprecher der Grünen: "Bessere Qualitätskontrolle des Unterrichts"

Walser, einst Direktor einer Vorarlberger AHS, weist ebenfalls auf die Unterschiede zwischen Schulen, aber vor allem zwischen Burschen und Mädchen hin. Als Gegenmaßnahmen kann er sich eine bessere Qualitätskontrolle des Unterrichts, verstärkte Weiterbildung der Lehrkräfte, aber auch eine Anpassung der Prüfungsformate vorstellen: „Wir müssen aufpassen, dass die Entwicklung zum ,Teaching to the test' - also zur reinen Testvorbereitung gestoppt wird.“ Natürliche bestehe die Gefahr, dass zentral vorgegebene Testaufgaben den Unterricht verarmen und sich dieser nur noch auf Testvorbereitung beschränke: „Wer diese Gefahr kennt, kann ihr auch begegnen." Rückmeldungen aus den Schulen würden zeigen, dass viele Lehrkräfte sehr skeptisch sind, weil sich alles auf einen Prüfungsmodus zuspitzt, warnt Walser.
Walser verweist aber auch auf positive Nebeneffekte der Zentralmatura: „Die Zusammenarbeit der Lehrkräfte untereinander hat sich verstärkt. Zwischen Schülern und Lehrern wurde eine neue Lernkultur eingeführt, da diese nun am gemeinsamen Ziel arbeiten.“

Zentralmatura: Was sagen die Experten über die Ergebnisse?

Kompensationsprüfungen

Die Schüler, die auf eine schriftliche Prüfung einen Fünfer haben, können am 1. und 2. Juni zur Kompensationsüprüfung antreten. Die Aufgabenstellungen werden bei Zentralmatura- Fächern vom Bildungsinstitut Bifie) vorgegeben, die Fragen stellt der Klassenlehrer.

Wer nicht zur Prüfung antritt, der kann im Herbst erneut zur schriftlichen Matura antreten. Die meisten werden die Chance, sich den Fünfer auszubessern, aber wohl nutzen.

Mündliche Prüfung

Frühestens ab dem 3. Juni müssen die Maturanten in zwei bzw. drei Fächern zur Mündlichen antreten. Für jedes Fach gibt es einen Pool von 12 bis 24 Aufgaben mit je 2 Fragestellungen – abhängig von der Wochen- stundenzahl des Prüfungsfachs. Auch hier gilt: Wer durchfliegt, kann im Herbst wieder antreten.

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