Wann wird’s endlich Winter?

Wann wird’s endlich Winter?
Und wieder rieselt kein Schnee, im Osten des Landes bleibt es vorerst grün. Optimistischer ist man im Süden und Westen Österreichs.

Nur noch zehn Tage bis zum Heiligen Abend. Keine Straße ohne Festbeleuchtung, kein Tag ohne "Last Christmas". Daheim riecht es nach Zimt und Zucker. Man nascht heimlich an Vanillekipferln. Die wichtigste Zutat für das perfekte Weihnachtsmenü fehlt allerdings – der Schnee. Doch wie stehen heuer die Chancen auf ein "Fest in Weiß" ?

"In den nächsten Tagen bleibt es relativ warm", beantwortet Alexander Orlik von der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) die Anfrage des KURIER. Eine Prognose für den Heiligen Abend sei heikel – und unsicher. Also gilt die Devise "nix is fix": "Ab 18. Dezember gehen die Modellläufe ziemlich weit auseinander, da ist noch alles möglich", erklärt Orlik. Zumindest in Wien wird es bis 17. Dezember voraussichtlich nicht schneien.

Am ehesten darf man im Großteil Österreichs morgen, Montag, sowie am Dienstag auf einige Zentimeter Neuschnee hoffen. "Die Schneefallgrenze wird sich etwa bei 1000 Metern einpendeln", prognostiziert Stefan Kiesenhofer von der ZAMG. "Nordseitig wird es weiter herunterschneien, im Süden wird der Schnee erst weiter oben zu finden sein." In tieferen Lagen und im Flachland sei aber kein Schnee in Sicht.

Am Mittwoch wird es generell wieder kälter, jedoch ist kein Niederschlag zu erwarten. Von Freitag auf Samstag wird es wieder Niederschläge geben. "Der Regen wird allmählich in Schnee übergehen", sagt Kiesenhofer. Längere niederschlagreiche Kaltluftphasen seien aber nicht zu erwarten.

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Mariazell, Advent, Winter
Der Gedanke an Schnee erzeugt bei vielen Menschen nostalgische Gefühle. Es scheint allerdings, als würden schneereiche Winter immer rarer. Klimaforscher Herbert Formayer von der Universität für Bodenkultur: "Wenn es einmal schönen Schnee gibt, dann merken wir uns das natürlich. Vor gar nicht so langer Zeit waren alle relativ frustriert, weil wir so viel Matsch und Streusplitt auf den Straßen und Fußwegen hatten." Der Mythos vom Schnee lebt also.

Schneerekord

Und die Realität? Statistisch gesehen stehen die Chancen auf weiße Weihnachten – zumindest im Flachland – eher schlecht. "Betrachtet man die Daten seit 1991, dann gab es am 24. Dezember in Wien, St. Pölten, Linz und Graz nur jedes fünfte Jahr eine geschlossene Schneedecke. Etwas häufiger waren Salzburg, Innsbruck und Klagenfurt am 24. Dezember weiß, nämlich alle drei bis vier Jahre", sagt der ZAMG-Klimatologe Alexander Orlik.

Den Weihnachtsrekord unter den Landeshauptstädten hält Innsbruck. Am 24. Dezember 1961 lagen dort 96 Zentimeter Schnee. "Ich kann mich als Kind auch noch an einen der schneereichsten Winter erinnern, das war 1969. Da ging mir der Schnee bis zum Bauch, damals war ich aber auch nur einen Meter groß", erinnert sich Klimaforscher Formayer.

Große Mengen an Schnee wird es heuer vermutlich nicht geben: Der November war der wärmste seit Beginn der Aufzeichnungen. Auch die Nachtfröste Ende November sind ausgeblieben. Eine Folge des Klimawandels? "Natürlich hängt das mit der Klimaerwärmung zusammen. In den letzten vierzig Jahren ist es im Durchschnitt ein Grad wärmer geworden", erklärt Formayer. Das mache sich vor allem im Wiener Raum sowie im Flachland bemerkbar.

Wintersport

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Eine Schneekanone steht am Mittwoch (06.12.2006) auf einer grünen Skipiste bei Unterjoch (Schwaben). Wegen des für Dezember ungewöhnlich milden Wetters lässt der Schnee in den Alpen immer noch auf sich warten. Selbst für die Produktion von Kunstschnee sind die Temperaturen noch zu hoch. Foto: Karl-Josef Hildenbrand dpa/lby +++(c) dpa - Bildfunk+++
Auch in den Skigebieten des Landes schmelzen die Hoffnungen allmählich. "Es ist nicht abschätzbar, welchen Betrieb wir zu Weihnachten haben werden", sagt Peter Grögler, Marketingleiter der oberösterreichischen Seilbahnholding, zu der die Skigebiete Dachstein-West, Krippenstein und Feuerkogel gehören. Erst wenn es kälter werde, könne umfassend beschneit werden. Auf Schneekanonen setzt man auch am Semmering in Niederösterreich. "Derzeit sind wir gerade so im Grenzbereich zwischen: es geht zum Beschneien, es geht nicht", schildert Sprecher Markus Merz die aktuelle Situation. "Die Nervosität steigt." Vage bleibt daher die Prognose für Weihnachten: "Das können wir absolut nicht sagen. Der Plan ist, am 19. Dezember zumindest mit zwei Abfahrten zu starten. Und wenn möglich bis Weihnachten den Gesamtbetrieb." Sobald das Wetter für die Schneekanonen passe, "können wir binnen vier Tagen das gesamte Gebiet öffnen".

Zuversicht

Besser sieht es im steirischen Schladming aus. Derzeit sind elf Pisten bis zur Mittelstation offen, berichtet Sprecherin Marlene Scheidl, dazu noch die Gipfelbahn Hochwurzen. "Für die Weihnachtsferien sind wir zuversichtlich, dass wir das Angebot stetig erweitern können." Optimistisch sind auch die Kärntner: "Wir gehen vom Besten aus – also dass bis Weihnachten alle Bahnen und Pisten geöffnet sind", betont Elke Basler von der Turracher Höhe. Derzeit sind fünf Bahnen und Lifte offen. Ähnlich zuversichtlich gibt sich Andrea Saexinger von den Bergbahnen St. Anton. "Im gesamten Skigebiet sind 11 von 97 Liften geöffnet. Ich hoffe, dass jetzt jeden Tag etwas dazu kommt." Zumindest am Berg liegen mittlerweile 40 Zentimeter Schnee. "Bis Weihnachten haben wir sicher ein gutes Angebot."

Keine Nervosität herrscht in Lech. "Wir haben viele Genussurlauber, die nicht jeden Tag ins Gelände gehen und viele Stammgäste, die sowieso kommen", versichert Pia Herbst vom Tourismusbüro. Sie geht davon aus, dass die Pisten zwischen Weihnachten und Neujahr gut befahrbar sein werden. "Aber wir sind auch ein Dorado des Tiefschneefahrens. Damit wird es bis Weihnachten sehr knapp."

Es war einmal und es war einmal schön. Das Bild "Christkindlmarkt am Hof" von Johann Nepomuk Geller aus dem Jahr 1910 zeigt ein tief verschneites Wien und erweckt genau jene tiefen Gefühle, die bis heute das Bild von Weihnachten bestimmen. Auch wenn allen klar ist, dass die Chance auf schneereiche Feiertage dank des von Menschen gemachten Klimawandels immer geringer wird. Der Fremdenverkehr hat die Zeichen der Zeit längst erkannt. Seit 20 Jahren wirbt der Wintertourismus nicht mehr mit sicheren Schneeverhältnissen. Die weiße Pracht sei unzuverlässig, sagt Peter Zellmann, Leiter des Instituts für Freizeit- und Tourismusforschung.

Krippen ohne Schnee

Die Kirche hat des Schnees ohnehin nie bedurft. Krippen spiegeln in ihrer Bauweise zwar meist die typische Architektur in der Heimat des Krippenmachers wider, Schnee spielt in den religiösen Darstellungen – anders als auf kommerziellen Adventskalendern – keine Rolle. In Betlehem, einem kleinen Ort im heutigen Palästina, gab es zu Christi Geburt mit hoher Wahrscheinlichkeit auch keine weißen Weihnachten. Dennoch ist die Sehnsucht nach Schnee am Heiligen Abend groß – aber warum ist das so?

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ARCHIV: Schnee bedeckt eine geschmueckte Tanne in Leipzig (Foto vom 04.01.10). Ein liebevoll geschmueckter Tannenbaum darf an Weihnachten nicht fehlen. Auch wenn die symbolische Bedeutung seines immergruenen Nadelkleides vielleicht verloren gegangen ist - es steht fuer ewige Lebenskraft durch die Geburt Christi - gehoert Tannenduft einfach zu Weihnachten dazu. (zu dapd-Text) Foto: Sebastian Willnow/ddp/dapd
Die Erwartungshaltung wird etwa durch klischeehafte Bilder gestützt – wie sie in vielen Weihnachts-Werbespots oder in Fernsehfilmen üblich sind. Dort sind die (Kunst-)Flocken dick und die Familien glücklich. Draußen ist es kalt, drinnen knistert das Feuer. Man trinkt Tee und hat’s fein.

Schön und gut. Festzuhalten ist jedoch, dass Schnee im Nebelmonat Dezember früher nicht häufiger war als heute. Die Legende von den weißen Weihnachten dürfte Mitte des 19. Jahrhunderts entstanden sein, sagt die Wiener Volkskundlerin Nora Witzmann. 1863 tauchten in Europa die ersten Weihnachtskarten mit Schneepanorama auf, beliebte Motive waren im Schnee spielende und rodelnde Kindern. Inspiriert wurden diese Bilder vom winterlichen Neuengland oder dem alpinen Hochgebirge. Bereits 1996 schrieb die Schweizer Klimaforscherin Martine Rebetez in einer Publikation, dass "weiße Weihnachten" eine englisch geprägte Wunschvorstellung seien. Entstanden durch neumodische Weihnachtspostkarten, die sich weltweit ausbreiteten. Selbst in Australien gibt es die Ansichten verschneiter Landschaften, obwohl dort zur Weihnachtszeit Hochsommer herrscht.

Pflanzen ohne Schutz

Man könnte die Sehnsucht nach weißen Weihnachten aber auch als Restbestand einer vergangenen engen Naturverbundenheit des typischen Großstadtmenschen auffassen. Eine geschlossene Schneedecke galt für die Natur als Segen, sie schützt die darunter liegende Pflanzendecke vor Erfrieren und Austrocknen und versorgt das erste Grün im Frühling mit ausreichend Schmelzwasser.

Wann der Ausdruck "weiße Weihnachten" zum ersten Mal benutzt wurde, lässt sich nicht mit Sicherheit sagen. Im 19. Jahrhundert war der Begriff jedenfalls noch nicht geläufig, sagt Witzmann. Für die Jahrhunderte davor kann man eine romantische Beziehung zum Schnee ausschließen. Zur Zeit des Barocks war es bei uns sehr kalt. Diese Zeit wird als "Kleine Eiszeit" bezeichnet, Schnee am 24. Dezember war normal und unerfreulich. Vielleicht sind unsere "weißen Weihnachten" schlicht eine Übersetzung des amerikanischen Songs "White Christmas" (siehe unten). Bei dem überragenden Einfluss amerikanischer Kultur im 20. Jahrhundert wäre das jedenfalls keine Überraschung.

Da Schnee zum Fest in Zeiten der Erderwärmung immer seltener wird, wird die Sehnsucht nach den viel zitierten "Weihnachten wie früher" immer größer. Wie sang Erika Pluhar einst so schön: "Damals ist ein wichtiges Wort. Vielleicht das wichtigste."

Ohne Kunst kein Schnee: In den Schigebieten kommt man nicht mehr umhin, Pisten künstlich zu beschneien. Der Österreichische Sachstandsbericht Klimawandel geht davon aus, dass derzeit 67 Prozent der Pistenflächen mit Beschneiungsanlagen ausgestattet sind. Die Folgen für Vegetation, Tierwelt und Landschaft sind – je nach Gebiet – enorm. Josef Pichler vom Alpenverein warnt vor drastischen Folgen für mechanisch stark beanspruchte Gelände, weil es zu oberflächlichen Erosionserscheinungen kommen kann. Da Kunstschnee auch eine andere Struktur hat, sterben viele Pflanzen ab. "Das Vereisungsproblem ist beträchtlich und die Gefahr von Schäden nimmt vor allem dann zu, wenn durch die künstlich verlängerte Schneedeckendauer nicht genügend Zeit für die Vegetationsperiode verbleibt." Wildtiere werden verschreckt und flüchten, da die Anlagen automatisch und ohne Vorwarnung angeworfen und die meisten Beschneiungsflächen großzügig ausgeleuchtet werden.

Die Kunstschneeanlagen sind in punkto Technik zwar stark ausgearbeitet, aber auch ausgereizt, sagt Michael Bacher. Der Schneewissenschaftler gründete die Firma Neuschnee und testet an umweltfreundlicheren Alternativen, die weniger Strom und Wasser verbrauchen. In Obergurgl, Ötztal, steht derzeit ein Freiluftlabor, das echte Schneekristalle verspricht – so wie sie die Natur erzeugt.

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Dieser Schneegenerator sieht aus wie ein Ballon, ist drei Meter hoch und hat einen Umfang von zweieinhalb Metern. Bacher erklärt den Prozess: "In einer Wolkenkammer werden Wassertropfen und Eiskeime miteinander vermischt. Dazu muss es kalt sein, damit die Tröpfchen abkühlen. In diesen Nebel werden Kristallisationskeime eingebracht – kleine gefrorene Eisplättchen, die zwischen 10 und 20 Mikrometer groß sind. An diesen Eisplättchen bilden sich immer größere Kristalle, die als Schnee aus dem Wolkenbehälter nach unten ausfallen." Wenn die Testphase gut läuft, soll im nächsten Jahr der erste Prototyp auf den Pisten Schnee liefern.

54 Worte, 32 Takte. Mit dem Song "White Christmas" hat Irving Berlin eine Hit-Legende komponiert, von der weltweit 50 Millionen Stück verkauft wurden. Ein Rekord.

Angefangen hat alles an einem Morgen im Jänner 1940, als Berlin in sein Büro stürmte und zu seiner Sekretärin Helmy Kresa sagte: "Es ist nicht nur das beste Lied, das ich je geschrieben habe, sondern das überhaupt jemals geschrieben wurde." Dann diktierte er ihr den Song – der Exilrusse konnte keine Noten. Es heißt, dass er die Idee dazu bereits im Jahr 1937 hatte, als Berlin in Hollywood weilte und Weihnachten nicht mit Frau und Kindern im Schnee verbringen konnte. Als Trost kam ein Film mit der Post – von seinen Lieben, die "Frohe Weihnachten, Daddy" in die Kamera riefen. Berlin war so gerührt, dass er gleich loslegte: "May your days be merry and bright / And may all your Christmases be white." Mit Bing Crosby als Interpreten wurde das Werk schließlich zur weltweit bekannten Hommage an weiße Weihnachten. Über die der Dichter Carl Sandburg sagte: "Wenn wir es singen, können wir einander nicht mehr hassen."

Mister Berlin hat mit seinem Gespür für Schnee das Bild vom Fest für immer und ewig geprägt. Von dem Hit gibt es Hunderte Interpretationen – sogar auf Suaheli.

Leise rieselt ...

Das Thema Schnee spielt naturgemäß nicht nur in US-amerikanischen Weihnachtssongs wie "Let it snow" oder "Sleighride" eine zentrale Rolle. Auch in heimischen Advent- und Weihnachtsliedern ist das Bild von weißer Weihnacht präsent. Manchmal nur indirekt, wie Erna Ströbitzer vom Österreichischen Volksliedwerk vermerkt: "In vielen Liedern wird die Situation der Hirten und rund um die Krippe beschrieben – als kalt und windig, was auf Schnee hindeutet."

Die Archivrecherche im Steirischen Volksliedwerk ergibt jedenfalls 51 Treffer zum Thema "Schnee & Weihnachten" – mit bekannten Liedern wie "Leise rieselt der Schnee", "O Tannenbaum" oder aber "Kling Glöckchen, klingelingeling". Na, wenigstens etwas.

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