Die Heimkehr der Maori

Wie kamen Knochen und Schädel von Menschen ins Museum? Oft ethisch fragwürdig. Das Weltmuseum stellt sich seiner Vergangenheit und gibt Überreste aus der Maori-Sammlung zurück.

Forscher sprechen gerne von Inventar-Nummern. Und meinen menschliche Relikte. Das trifft auch auf WMW Inv.Nr. 42.619 oder WMW Inv. Nr. 11.943 zu. Man könnte aber genauso gut sagen: die Mumie eines Kleinkindes und ein mumifizierter, tätowierter Maori-Schädel. Beide wurden jetzt gemeinsam mit weiteren Stücken im Weltmuseum Wien im Rahmen einer Übergabezeremonie an ihre Heimat Neuseeland zurückerstattet.

Rückblick

Alles nahm 1925 seinen Ausgang: Damals übersiedelten die ethnographischen Sammlungen und einige menschliche Überreste vom Naturhistorischen Museum Wien (NHM) in das neu gegründete Museum für Völkerkunde (heute Weltmuseum). Das, was da von einem Museum zum anderen weitergereicht wurde, war gut dokumentiert – den Tagebuchaufzeichnungen der Wissenschaftler sei Dank: Der Naturforscher Andreas Reischek führte penibel Buch über Ort und Namen der Begräbnisstätten, die er auf seinen Forschungsexpeditionen durch die Nordinsel Neuseelands geplündert hatte.

Die Namen der Verstorbenen aber verlieren sich im Dunkel der Geschichte – Objekte brauchten keine Namen.

Die Heimkehr der Maori
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Reischek (1845–1902, Bild) war ein oberösterreichischer Naturforscher und Museumskurator. 1877 reiste er nach Neuseeland, um als Tierpräparator am Canterbury Museum von Christchurch zu arbeiten. Während seines zwölfjährigen Neuseeland-Aufenthaltes sammelte er mehr als 450 Artefakte der Maori, die heute zentraler Bestandteil der Neuseeland-Sammlung des Wiener Weltmuseums sind.

Seine Tagebuchaufzeichnungen belegen: Reischek war ein ausgezeichneter Beobachter, aber auch ein skrupelloser Sammler im Dienste der Wissenschaften. Seine freundschaftlichen Kontakte zu den Maori hinderten ihn nicht daran, ihre ausdrücklich für tapu (sakrosankt) erklärten, alten, verlassenen Siedlungs- und Begräbnisplätze zu plündern. Reischek selbst war der Ansicht, dass er wissenschaftliche Rettungsarbeit leiste und den anthropologischen Wissenschaften einen großen Dienst erweise.

Damals herrschte in Wissenschafterkreisen die Ansicht, dass die "Naturvölker" im Zusammenprall mit der europäischen Zivilisation aufgrund einer "gesetzmäßigen natürlichen Selektion" zum Aussterben verurteilt wären. Die Anthropologie hätte daher die Aufgabe, für die Konservierung kultureller und biologischer Dokumente zu sorgen. Viele europäische Wissenschaftler forschten in den Kolonien. Und so kam es, dass Schädel und Skelette, Haar-, Haut- und Gewebeproben sonder Zahl in Museen wanderten.

Ausblick

"Museale Schwachstellen" nannte sie der ehemalige Leiter des Naturhistorischen Museums (NHM), Bernd Lötsch, einmal. Denn auch im NHM lagert eine Vielzahl an Knochen, manche davon für wissenschaftliche Fragen hoch relevant. Nicht so die aus dem Weltmuseum: "Die Überreste haben wissenschaftlich keinerlei Bedeutung, sie sind aufgrund ihres schlechten Zustands auch nicht ausstellbar", sagt der Direktor des Weltmuseums Steven Engelsman. Und retournierte die Maori-Überreste gestern in einer feierlichen Zeremonie an eine Delegation aus Neuseeland.

Weltweit wurden seit 1990 etwa 1200 Skelette aus den USA, Großbritannien, Irland, Frankreich, den Niederlanden, Schweden, Deutschland und Österreich nach Australien zurückgestellt.

2009 und 2011 restituierten die Österreichische Akademie der Wissenschaften, die Universität Wien, das Naturhistorische Museum und das Wiener Pathologisch-Anatomische Bundesmuseum 47 Aboriginal-Skelette nach Australien.

2012 kehrten die sterblichen Überreste von Klaas und Trooi Pienaar, Angehörige der indigenen Gemeinschaft der San, nach Südafrika zurück. Das Ehepaar war an Malaria gestorben und 1909 im Rahmen der Südafrika-Forschungsexpedition des österreichischen Anthropologen Rudolf Pöch aus den frischen Gräbern entfernt worden.

In europäischen und nordamerikanischen Museen befinden sich noch immer mehr als 500 sterbliche Überreste von Maori und Moriori. Die erste Repatriierungswelle aus Frankreich, vornehmlich aus Rouen, hat 2011 stattgefunden. Im Jänner 2012 kehrten weitere zwanzig Toi moko (tätowierte, mumifizierte Schädel) aus dem Pariser Musée du quai Branly nach Neuseeland zurück.

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