Gute Sprachen
Rund einer von vier Schüler:innen in Österreich hat mittlerweile eine andere bzw. zusätzliche Umgangssprache als Deutsch (mehr dazu in der Infobox unten). Im institutionellen Bereich, wie etwa in Schulen, spiegelt sich das laut Rudolf de Cillia aber kaum wider. „Teilweise gibt es sogar einen Zwang, Deutsch zu sprechen“, sagt der Sprachwissenschaftler und nennt als Beispiel die Vorgabe an manchen Bildungseinrichtungen, auch in der Pause Deutsch zu sprechen.
Und wenn eine andere Sprache hier überhaupt Platz finde, handle es sich vermehrt um die sogenannten „Elite-Sprachen“. Das sind für de Cillia etwa Englisch, Französisch oder Spanisch. Diese sind auch die gängigen, wenn es um Fremdsprachenunterricht geht. Die in Österreich von eigentlich sehr vielen Menschen gesprochene Sprachen Arabisch, Türkisch oder BKS (Bosnisch-Kroatisch-Serbisch) genießen hingegen ein eher schlechtes Image.
Schlechte Sprachen
„Die Sprachen, die vor allem Migranten oder Geflüchteten zugeschrieben werden, sieht man im institutionellen Raum fast nur, wenn es um Verbote geht“, erklärt die auf den elementarpädagogischen Bereich spezialisierte Sprachwissenschaftlerin Verena Blaschitz. „Es gibt einen regelrechten Assimilierungsdruck durch Sprachen. Dabei ist es sehr wichtig, dass mehrsprachige Menschen auch die Möglichkeit haben, diese anwenden zu können.“ De Cillia geht noch einen Schritt weiter und sagt: „Wo Sprachen bekämpft werden, wird auch die Demokratie bekämpft.“
Doch neben der vielleicht demokratiepolitischen oder moralischen Ebene ist Mehrsprachigkeit vor allem auch aus Sicht der Sprach- sowie Identitätsentwicklung durchaus wichtig. Denn, wie Blaschitz und de Cillia, so wie auch zahlreiche andere Autor:innen des Sammelbands, betonen, ist die Förderung der Mutter- oder Erstsprache, wie sie im wissenschaftlichen Kontext bezeichnet wird, essenziell für die Erlernung und Entwicklung jeder weiteren Sprache.
Denn Sprachentwicklung läuft nicht getrennt nach unterschiedlichen Sprachen ab, sondern ist vielmehr miteinander verknüpft. Vereinfacht gesagt: Wer seine Muttersprache gut lernt und spricht, spricht auch besser Deutsch.
Sprachen sind wie unsere Beziehungen
Ein anderer Aspekt, der auch in den 14 Thesen des Sammelbandes vorkommt, ist, dass Sprachen auch oft mit der Identität zusammenhängen. Zum Beispiel, weil sie etwas sind, dass man mit seinen Familienmitgliedern teilt und dadurch eine Verbindung entsteht. „Wertschätzung von Sprachen heißt Wertschätzung von Menschen“, lautet die fünfte These von „Fokus Mehrsprachigkeit“.
„Unsere Sprachen sind wie unsere Beziehungen: Man muss sie pflegen“, lautet die sechste These. Und die 14. und letzte besagt: Niemals lernt man eine gemeinsame Sprache durch das Verbot der Muttersprache“.
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