"Deutsch ist nichts Besonderes": Lieber cringe als voll fad

"Deutsch ist nichts Besonderes": Lieber cringe als voll fad
Englisch, Türkisch oder Arabisch: Der Sprachgebrauch der jüngeren Generation beschränkt sich längst nicht mehr nur auf Deutsch.

„Cringe“, das steht für unangenehm oder peinlich. „Sus“ ist die Abkürzung von „suspect“, also suspekt. Und „sheesh“ sagt man, wenn man sein Erstaunen zum Ausdruck bringen will – ob positiv oder negativ.

Die drei Wörter haben neben der Tatsache, dass sie bei dem Voting des Langescheid Verlags zu den Top drei der deutschen Jugendwörter des Jahres gewählt wurden, aber noch etwas Anderes gemein. Eine Eigenschaft, die eigentlich ziemlich offensichtlich ist: Alle drei Begriffe entstammen dem Englischen.

Mit Ausnahme von 2019 werden die Jugendwörter seit 2008 jährlich veröffentlicht. Schaut man sich die gewählten Wörter seither genauer an, fällt direkt auf, dass deutsche Begriffe in dieser Liste eher die Minderheit sind. „Babo“, „Yalla“, „Hayvan“, „YOLO“, „fame“ sind nur einige der Wörter, die aus dem Englischen, Türkischen oder Arabischen in der Liste der Jugendwörter auftauchen. Mehrsprachigkeit, für die Jugend scheint sie längst normal zu sein.

Ergebnis von Migration und Globalisierung

Wieso das so ist, kann Inci Dirim, Germanistin und Expertin für Mehrsprachigkeit von der Universität Wien erklären. Sie sieht diese Entwicklung nicht als sprachwissenschaftliches Phänomen, sondern als Ergebnis von Migration und Globalisierung. „Um diese Entwicklung zu verstehen, muss man in den Blick nehmen, dass wir in einer globalisierten Migrationsgesellschaft leben. Durch den Einfluss von Migration kommen auch Wörter und Begriffe aus den Migrationssprachen in den Sprachgebrauch der Jugendlichen. Und durch die Globalisierung englische Wörter und Begriffe“, so die Expertin.

Dass Jugendliche sich nicht nur des Sprachrepertoires bedienen, das sie von ihren Eltern haben oder in der Schule lernen, sei ganz gewöhnlich. „Gerade Jugendliche kommunizieren viel untereinander, haben Netzwerke, auch internationale, und eignen sich so auch neue Begriffe an. Hinzu kommt, dass Deutsch in dem Fall eine unmarkierte Sprache ist, sprich Deutsch ist nichts Besonderes. Und gerade wenn es darum geht, sich besonders auszudrücken, dann stehen andere Sprachen zur Verfügung. Auf der einen Seite geht es um den Inhalt, aber auch darum, dass dieser Inhalt betont wird“, erklärt Dirim.

Keine deutsch-österreichischen Grenzen

Zwischen Deutschland und Österreich sieht die Expertin dabei keine Unterschiede. „Es geht gar nicht so sehr um österreichische Wörter oder Bundesdeutsch. Schließlich bewegen sich die österreichischen Jugendlichen auch genauso wie die deutschen in internationalen Netzwerken. Die Jugendlichen kommunizieren sehr viel über das Internet, das darf man nicht vergessen“, betont Dirim.

Die Verschmelzung der Sprachen zeigt sich aber eben nicht nur in der Jugendsprache. Auch alltägliche Begriffe, die die Mehrheit verwendet, sind immer wieder aus Fremdsprachen. „Lockdown zum Beispiel, eigentlich ein englischer Begriff, ist mittlerweile auch in Österreich selbstverständlich. Wenn Sie sich auch die neuen Wörter, die in den Duden aufgenommen wurden, ansehen, sehen wir ein ähnliches Muster“, sagt Dirim. Für die Expertin ist das eine Entwicklung, die auch in den nächsten Jahren weiter voranschreiten wird. „Die deutsche Sprache an sich ist natürlich nicht gefährdet. Aber wir sind globaler geworden und damit verändert sich auch die Sprache.“

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