Warum dieser Mann fürs Frauenvolksbegehren spricht

Christian Berger ist Vorstandsmitglied und Sprecher für das Frauenvolksbegehren
Als Sprecher des österreichischen Frauenvolksbegehrens setzt sich Christian Berger für frauenpolitische Agenden ein. Das tut er nicht obwohl, sondern weil er ein Mann ist.

Jung, männlich, feministisch: Eine Verbindung dieser drei Attribute ist nicht alltäglich, beschreibt aber den 26-jährigen Wiener Christian Berger. Gekleidet in einem legeren khakifarbenen Hemd, lässigen Jeans und weißen Sneakers sitzt er im Büro des Frauenvolksbegehrens im dritten Wiener Gemeindebezirk. Dort haben sich die Aktivisten in einem hippen Zwischennutzungsprojekt eingemietet. Berger absolviert derzeit ein Diplomstudium der Rechtswissenschaften an der Uni Wien und beschäftigt sich im Zuge seines Studiums schon länger mit der Gleichstellung der Geschlechter. Der Schritt von der Theorie in die Praxis sei für ihn nur eine Frage der Zeit gewesen, erzählt Berger. Seit Frühjahr vergangenen Jahres engagiert er sich als Vorstandsmitglied und Sprecher für das Frauenvolksbegehren.

Begehren für alle

Dass er sich als Mann für frauenpolitische Agenden einsetzt, ist für ihn kein Widerspruch: "Feminist zu sein bedeutet für mich nicht nur, mich gegen Frauenfeindlichkeit, Sexismus und Geschlechterdiskriminierung einzusetzen, sondern auch für einen umfassenden sozialen Wandel", sagt Berger. Die Forderungen des Volksbegehrens gehen aus seiner Sicht auch Männer etwas an. Nicht nur, weil sie mit Frauen verheiratet sind und Töchter haben, sondern auch, weil sie selbst davon unmittelbar betroffen seien.

Warum dieser Mann fürs Frauenvolksbegehren spricht
Christian Berger, Schriftführer des Frauenvolksbegehren 2.0 im Interview. Wien am 26.02.2018

"Gerechte Löhne und das Schließen der Einkommensschere hätten auch für Männer Vorteile." Christian Berger, Frauenvolksbegehren

Als Beispiel nennt Berger die vielfach kritisierte Forderung nach einer Arbeitszeitverkürzung auf 30 Stunden pro Woche. Die Zeit der Vollzeitarbeitsstellen sei unter anderem aufgrund der Digitalisierung vorbei. Viele Männer würden gerne mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen, vom Arbeitgeber wird das nicht immer ermöglicht. Einkommensunterschiede zwischen den Geschlechtern seien für Männer ebenfalls negativ. "Wenn Frauen so viel verdienen würden wie ihre männlichen Kollegen, wäre das auch für die Männer eine Entlastung, weil sie keine internen Rechtfertigungsstrategien mehr entwickeln müssten."

Dass "die Frauen" dennoch namensgebend für das Begehren sind, begründet er damit, dass man so zur Kenntnis nimmt, dass es "schwierige Lebenslagen gibt, die Frauen stärker treffen." So würden 90 Prozent Alleinerzieherinnen zehn Prozent Alleinerziehern gegenüberstehen.

Warum dieser Mann fürs Frauenvolksbegehren spricht
Christian Berger, Schriftführer des Frauenvolksbegehren 2.0 im Interview. Wien am 26.02.2018

Männer zu überzeugen, dass die Gleichstellung auch für sie Vorteile bringt – wie es unter anderem ein Bericht der Weltbank aus dem 2012 nahelegt – ist nicht immer einfach, weiß Berger. Häufig findet er sich in Diskussionen wieder, in denen Männer den Kampf für Gleichberechtigung als einen gegen sie gerichteten empfinden. Als jüngstes Beispiel nennt Berger die #MeToo-Debatte, die Männer nicht selten verunsichert. Oder Männer, die ihm erzählen, dass sie sich "im Stich gelassen" fühlen. Die Ursache dafür sieht Berger in der noch immer vorherrschenden Idealvorstellung von Männlichkeit, die nach wie vor stark dominant-hegemonial geprägt ist. Verkörpert werde diese durch politische Figuren wie Trump, Putin oder Erdogan, die alle eine "ins Gefährliche überzeichnete Männlichkeit" darstellen. Viele Männer würden ihr ganzes Leben lang versuchen, diesen dominanten Vorstellungen nachzueifern, daran jedoch scheitern und sich benachteiligt fühlen.

Warum dieser Mann fürs Frauenvolksbegehren spricht
Christian Berger, Schriftführer des Frauenvolksbegehren 2.0 im Interview. Wien am 26.02.2018

Traditionelle Lebensweise

Berger, der am Land aufgewachsen ist, kennt dieses Männlichkeitsbild: "Da gibt es teilweise noch immer diese Hausväter, für die es undenkbar ist, dass ein gelungenes Leben nicht nur darin besteht, verheiratet zu sein, Kinder zu haben und ein Haus zu bauen." Mit Überzeugungsarbeit will man auch ihre Unterschrift gewinnen. Für Mitte März ist eine auf Männer ausgerichtete Kampagne geplant. Als einziger männlicher Sprecher ist Berger dafür aber nicht zuständig. "Warum sollte ich auch – nur, weil ich ein Mann bin?!"

Über drei Jahre ist es bereits her, seit sich die flammende Rede der Schauspielerin Emma Watson über die immer noch nicht vorhandene Gleichstellung der Geschlechter wie ein Lauffeuer in den Sozialen Medien verbreitete. In ihrer Funktion als UN Frauensonderbotschafterin und Gesicht der Kampagne HeForShe (auf Deutsch: Er für Sie) rief Watson Männer und Burschen dazu auf, sich für die Rechte von Frauen einzusetzen. Denn die Gleichstellung der Geschlechter sei auch ihre Angelegenheit.

"Männer, Geschlechter-Gleichstellung ist auch eure Angelegenheit." Emma Watson, Schauspielerin

Feministen gesucht

Beeindruckt von dieser Brandrede, gründete der 25-jährige Student Gerhard Wagner vor rund zwei Jahren gemeinsam mit seiner Studienkollegin Lisa Deutsch mit HeForShe Vienna einen Ableger der Kampagne in Wien. Wobei von der UN nur Name und Logo übernommen wurden, finanziell steht der Verein auf eigenen Beinen. Während sich die Mutterkampagne zunächst ausschließlich an Männer richtete, können sich seit Jänner 2016 alle Menschen bei HeForShe beteiligen.

"Männer haben oft das Gefühl, nicht betroffen zu sein." Gerhard Wagner, HeForShe Vienna

Warum dieser Mann fürs Frauenvolksbegehren spricht
Gerhard Wagner, Obmann HeForShe Vienna

Skepsis vorhanden

"Natürlich trifft man auch auf Skepsis, wenn man sich als Mann als Feminist deklariert", sagt Wagner, Obmann des Vereins. Mit ein Grund, warum sich das Geschlechterverhältnis der mittlerweile über 110 Mitglieder des Vereins noch immer aus rund 70 Prozent Frauen und 30 Prozent Männern zusammensetzt. Männer hätten oft das Gefühl, nicht mitreden zu können, sagt Wagner, der sich mehr männliche Mitglieder wünschen würde. "Entweder, weil sie das Gefühl haben, nicht betroffen zu sein, oder weil sie nichts Falsches sagen wollen." Diese Ängste seien unbegründet, letztlich sei die Gleichstellung der Geschlechter weder ein Frauen- noch ein Männerthema, ist Wagner überzeugt. "Die zentrale Frage ist, wie wir das Leben in unserer Gesellschaft gestalten wollen."

Veranstaltungstipp: Am 10. März zeigt HeForShe Vienna 15 Kurzfilme zum Thema Geschlechter-Gleichberechtigung im Wiener Top Kino, die von einer Jury bewertet werden.

www.heforshe-vienna.at

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