Puzzle als Sinn des Lebens
Der Mensch lebt für den Moment, in dem er den fehlenden Puzzlestein findet. Mit dem sich zwei Felder zum Ganzen verbinden. Beim Puzzlespiel schließt sich damit der Rahmen, der die Größe des Bildes vorgibt.
Im Leben ist dieser Moment die Erkenntnis. Plötzlich geht das metaphorische Licht auf, kognitiv Erlerntes verbindet sich zu dem befriedigenden Gefühl, etwas zu verstehen. „Das Zusammensetzen verschiedener Teilchen liegt in unserem Wesen, seit der Geburt lernen wir alles Schritt für Schritt. Aber nicht nur linear, sondern auf verschiedenen Ebenen gleichzeitig. Die Erkenntnis ist der Punkt, an dem sich diese verschiedenen Wege kreuzen“, erklärt Daniela Renn, Vorstandsmitglied im Berufsverband Österreichischer PsychologInnen. Dann sehen wir das größere Ganze. Und fühlen es.
Der 29. Jänner ist heuer zum 21. Mal der Welt-Puzzletag. So skurril das wirkt, so logisch ist es. Das menschliche Sein ist ein großes Puzzlespiel, unser Denken und unser Verhalten sind davon geprägt, kleine Teile zum großen Ganzen zu fügen. Krimis sind das erfolgreichste Buch-Genre. Krimiserien fluten das Fernsehen und zuletzt wurde die kleinen Teile der Tat immer wichtiger, siehe "CSI" und "Sherlock".
Erkenntnis als Ziel
Diese Erkenntnis ähnelt dem, was wir spirituell als Erleuchtung kennen. Weil in ihr auch die "Verbindung zum eigenen Leben" steckt, erklärt Renn: "Diese Verbindung von Wissen und Emotion ist das Um und Auf in der Klinischen Psychologie." Und der Gesundheitspsychologie, eines von Renns Spezialgebieten (psypraxis.org): "Menschen wissen zum Beispiel oft, dass Rauchen schädlich ist. Aber erst mit dem Gefühl, dass es einen selbst betrifft, hört man auf.
Ein Teil der Puzzle-Faszination liegt im meditativen Charakter, einfache Bewegung bei totaler Fokussierung. Wie man an ein Puzzle herangeht, sagt etwas über den Charakter. Die einen arbeiten nach Schema und greifen die Mittelteile nicht an, bevor der Rand fertig ist. Andere schlichten nach Farben oder versuchen es nach Zufall.
Wie verrückt Menschen nach dem Spiel sein können, sieht man nicht nur auf der Spielemesse, die gerade in Nürnberg stattfindet. Dort zeigt sich übrigens auch, dass der ungebrochene Puzzle-Hype zum großen Trend der "Mental Training"-Spiele passt. Dementsprechend boomen unter den Puzzles Ausgaben für über 60-Jährige, die "Best-Ager-Puzzles", wie Ravensburger sie nennt: Auf den um 55 Prozent größeren Teilen sind Details besser erkennbar und sie liegen besser in der Hand.
Teilchen-Community
Die heißeste Neuheit in der Community sind Puzzle-Apps, den seit Jahren angebotenen 3-D- Versionen von Puzzleball bis Bauwerk steht sie sehr skeptisch gegenüber. Macht nichts, denken die Verlage: Ravensburger bewirbt gerade den "Big Ben im Nachtdesign". Der sei dank LED-Leuchten in wechselnden Farben "Blickfang jeder Wohnung". So wie diverse Einrichtungsgegenstände – Vase, Stifthalter, ... – die es seit Jahren als Puzzle gibt.
Aber das hat nichts mit dem großen Moment irgendeiner Erkenntnis zu tun.
Geschichte des Puzzles: Am Anfang war die Säge
Zerschnittene Bilder sollen zwar schon königlicher Zeitvertreib im 17. Jahrhundert gewesen sein, als Erfinder des Puzzles gilt trotzdem John Spilsbury. Der britische Kupferstecher schnitt 1760 mit einer Laubsäge aus einem Brett die Formen englischer Grafschaften für den Unterricht. Die Idee wurde zum Business,es folgten 30 weitere Landkarten und anderes Schulmaterial. Mit der Puzzlestanze wurde aus dem Business um 1850 eine Industrie. 1891 stieg der deutsche Verlag Ravensburger ein, der Verlag hat heute 660 Puzzles im Sortiment.
Begriff: Worträtsel um das "Puzzle"
Engländer sagen zu Rätseln und Verwirrungen „Puzzle“, das Spiel nennen sie „jigsaw puzzle“ (Laubsäge-Rätsel). Das Verb „to puzzle“ heißt ebenso „unschlüssig sein“ wie „tüfteln“. Es kommt von „to pose“ („etwas aufwerfen“) und der nicht mehr gebräuchlichen Form davon: „to pusle“ – „verwirren“ oder „durcheinanderbringen“. Woher das wiederum kam, ist noch immer ein etymologisches Rätsel. Der heißeste Verdacht: das mittelalterliche, französische Verb „aposer“ („jemanden stutzig machen“). Übrigens: Der Duden sagt Puzzle, aber puzzeln.
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