EU-Bauer bis Grumpy Cat: Worüber wir noch lachen

EU-Bauer bis Grumpy Cat: Worüber wir noch lachen
Während es im Fasching, im Kabarett und im Internet weiterhin lustig zugehen darf, steht man anderswo auf der Spaßbremse.

Er wird auch am Faschingsdienstag aus dem Fernseher lachen. Der EU-Bauer. 14-mal stand Manfred Tisal, ein gelernter Koch und Kellner, in dieser Saison auf der Bühne des Villacher Kongresszentrums. Und bei jeder der insgesamt 14 Faschingssitzungen lachten 840 Menschen laut mit ihm mit.

Der Fasching, eine letzte Bastion des lauten Lachens? Der Wiener Sozialhistoriker Hubert-Christian Ehalt ist überzeugt davon: "Lautes Lachen ist ein Zeichen, dass jemand nicht diszipliniert wurde. Bei einer Theateraufführung zum Beispiel kann jemand, der laut lacht, eine Situation zum Kippen bringen, weil so etwas in unserer Zeit einfach nicht mehr vorkommt."

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EU-Bauer

Für den Villacher Tisal unverständlich: "Humor ist doch der beste Weg, mit den Unzulänglichkeiten des Lebens fertig zu werden." Der 62-Jährige steht heuer zum 27. Mal beim Villacher Fasching auf der Bühne. Für die Rolle des EU-Bauern wird er vom Publikum geliebt. Seine Aufgabe sieht er darin, "aus den Lächerlichkeiten, die uns die Politik täglich liefert, etwas Lachhaftes zu machen". Darin habe sich in all den Jahren nichts geändert. Tisal, der schon als Helmut Zilk für Schenkelklopfen gesorgt hat, erklärt: "Ich halte den Politikern weiterhin den Spiegel vor. Der Trog ist der gleiche, nur die Namen haben sich geändert."

Macht er auch Witze über Flüchtlinge? Der Bauer nickt. Heuer hat er etwa gefragt: "Kennen Sie den Unterschied zwischen dem Flüchtlingsproblem und dem Fasching? Der Spaß hat Grenzen." Sein persönlicher Befund zur aktuellen Humorlage in Österreich: "So lange man noch über die Probleme lachen kann, so lange geht es uns noch halbwegs gut."

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Villacher Fasching, Fotos aus der Sitzung; Credit Gerhard Kampitsch, honorarfrei

Da widerspricht ihm der Gelehrte aus Wien entschieden. Hubert-Christian Ehalt doziert auch im größeren Rahmen: "Die aktuellen Gesellschaften sind geprägt durch einen sich verstärkenden Disziplinierungsterror." So waren große Emotionen, lautes Lachen und Weinen noch im Mittelalter und in der frühen Neuzeit an der Tagesordnung. Gefühle durften, sollten geäußert werden. "Dann wurden die Verhaltensweisen der Menschen nach gesellschaftlichen Mustern abgeschliffen und die Affekte gedämpft."

Jemand, der laut lacht

Unkontrolliertes, lautes Lachen ortet Ehalt nur mehr bei Aussteigern: "Die führenden Persönlichkeiten der Gesellschaft beherrschen ihre Emotionen perfekt. Jemand, der laut lacht, zeigt, dass er unprofessionell ist. Schreiende Chefs und Chefinnen gehören der Vergangenheit an. Die unangenehmsten Mitteilungen im Berufsleben werden ruhig und beherrscht adressiert. Coolness ist angesagt."

Dafür darf beim Villacher Fasching gelacht werden.

Er wird auch am Aschermittwoch lachen. Da hat Klaus Eckel im Stadtsaal Wien Premiere mit seinem neuen Programm "Zuerst die gute Nachricht". Darin macht er sich Gedanken, wie es mit unserer Befindlichkeit weitergehen soll. Warum wir uns etwa immer nur an das Abnormale klammern, uns nur für die paar Tausend islamischen Spinner interessieren und nicht für die 2,3 Milliarden Moslems, die sich in der Früh in Ruhe einen Tee machen.

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epa02521264 Winner of the Sponsorship Award, Austrian artist Klaus Eckel performs duerign the Cabaret Prize Award Ceremony in Nuremberg, Germany, 08 January 2011. The German Cabaret Prize is annually awarded by the city of Nuremberg and the Burgtheater in Vienna, Austria, and comes with 6,000 euros. EPA/DANIEL KARMANN

Das explosive Nachrichtengemenge, das sich aus den Krisen der Welt nährt, spielt seinem Berufsstand derzeit durchaus in die Karten. Eckels neues Programm ist bis September so gut wie ausverkauft. "Die Menschen sehnen sich nach Humor, sie lechzen nach Entspannung. Nach der dauernden Anspannung hat Lachen auch etwas Orgastisches. Es entspannt uns auch muskulär. Ich habe auch den Eindruck, die Menschen sind ein wenig apokalypsenmüde."

Selbstironie

Der Kabarettist will nicht das Klischee vom boomenden Humor in Krisenzeiten herbeireden. Dennoch sagt er: "Wir müssen weiterhin lachen. Wir haben sogar die moralische Verpflichtung, dass wir uns rauszoomen aus unserer Welt. Erst dann wird klar, wie lächerlich manches ist, womöglich sich darüber aufzuregen, dass man keinen Parkplatz findet."

Wichtig ist Eckel die Feststellung: "Ironie ist immer einfach, wenn sie auf Kosten anderer geht. Aber die große Kunst ist es, wenn wir uns selbst nicht so wichtig nehmen. Das macht das eigene Scheitern erträglicher."

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Sommerkabarett: "Klaus Eckel: Weltwundern", Klaus Eckel widmet sich in seinem aktuellen Programm ganz dem Staunen und Wundern über unsere Welt. Und martert sein Gehirn mit wirklich wichtigen Fragen: Was wäre, wenn negative Gedanken dick machen würden? ... die Idioten aller Länder ein eigenes Land gründen müssten? ... beim Pyramidenbau eine Gewerkschaft mitgesprochen hätte? ... der Sensenmann völlig unerwartet den Löffel abgibt? Diese und viele weitere Gedanken warten ungeduldig darauf, gedacht zu werden.Im Bild: Klaus Eckel. SENDUNG: ORF eins - DI - 01.09.2015 - 22:35 UHR. - Veroeffentlichung fuer Pressezwecke honorarfrei ausschliesslich im Zusammenhang mit oben genannter Sendung oder Veranstaltung des ORF bei Urhebernennung. Foto: ORF/Hans Leitner. Anderweitige Verwendung honorarpflichtig und nur nach schriftlicher Genehmigung der ORF-Fotoredaktion. Copyright: ORF, Wuerzburggasse 30, A-1136 Wien, Tel. +43-(0)1-87878-13606

Die Politiker dieses Landes "haben leider null Selbstironie. Dabei lieben die Leut’ Menschen, die sich über ihr eigenes Scheitern amüsieren. Wenn du merkst, dass es dem anderen auch nicht besser geht als dir, schafft das Verbindung. Wir sollten schon den Kindern diesen spielerischen Umgang beibringen. Ich fordere daher: Selbstironie muss ein Schulfach werden." Der Eckel’sche Humortest: "Stellen Sie sich nackt vor den Spiegel, entspannen Sie die Muskulatur und lächeln Sie dabei zufrieden." Er gibt allerdings zu: "Da befindet man sich humortechnisch betrachtet schon in der Meisterklasse."

Kluge Schimpansen

Nachsatz: "Humor unterscheidet uns auch vom Tier. Wenn ein Schimpanse auf einer Bananenschale ausrutscht, lacht der andere nicht. Schimpansen wissen gar nicht, was sie versäumen."

Worüber darf man heute noch lachen? Klaus Eckel lacht: "Vor allem über die, die uns ständig mit ihrem missionarischen Eifer erklären, was heute nicht politisch korrekt ist."

KURIER: Die Karikatur über Flüchtlinge (siehe Bild) sorgte jüngst auf Facebook und im Feuilleton für Aufsehen. Berührt Sie das?

Michael Pammesberger: Eigentlich überhaupt nicht. Ich habe ein kleines Shitstörmchen von links-grüner Seite bekommen. Kurze Zeit später kritisierte die FPÖ via Pressemitteilung eine andere Zeichnung von mir. Ich bin froh, dass über meine Arbeit diskutiert wird. Ich mache sie ja nicht für Parteisekretäre, sondern für die Leute.

Ist es der Stimmung und Zeit geschuldet, dass Karikaturen solche Reaktionen hervorrufen?

Ein bisschen. Es ist eine gute Zeit für den Humor, weil diese Empfindlichkeiten und Gefühle natürlich auch Material sind, mit dem man spielen kann. Gleichzeitig ist es auch ein wenig mühsam, wenn alles auf die Goldwaage gelegt wird, sich bei jeder Karikatur jemand auf den Schlips getreten fühlt.

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Kann das auch zu einer Zeichenhemmung führen?

Ich hoffe nicht. Die Gefahr gibt es immer. Gerade nach Charlie Hebdo bestand die Gefahr. Nicht, dass um die nächste Ecke ein Dschihadist oder Vertreter der Witzpolizei steht, sondern, dass man ein wenig die Schere im Kopf hat, sich gewisse Dinge nicht mehr traut. Damals gab es einen kurzen Moment, aber ich habe mir gesagt: "Ja nicht zu viel Rücksicht nehmen auf alles und jeden."

Auch nicht auf die sogenannte "politische Korrektheit" in der Flüchtlingsdebatte oder in Glaubensfragen? Anlässlich des Kinofilms "Er ist wieder da" wurde erneut diskutiert, ob man sich über Hitler lustig machen darf. Darf man?

Unbedingt! Man darf, man muss sich über Hitler, Mohammed, Jesus lustig machen. Aber es ist nicht leicht, einen guten Witz über Hitler zu machen. Die Witzpolizisten sind mehr geworden, aus dem konservativen Lager, der Kirche und anderen gab es sie immer schon. Seit Neuestem gibt es sie auch im linken Lager. Das hat auch seine Wirkung. Der Villacher Fasching sagt heuer: "Keine Witze über Flüchtlinge". Ich bin nicht Teil des Villacher Faschings. Auch in diesem Sinne nicht.

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Michael Pammesberger, unbearbeitet, Wien am 17.03.2015.

Verläuft zwischen dem linken und rechten politischen Spektrum eine Humorgrenze?

Schwierige Frage. Ich glaube, es gibt so etwas wie einen linken oder rechten Humor – ich versuche, beide zu vermeiden, und will eher die Missstände, Inkonsequenzen und Denkfehler da wie dort aufdecken.

Wäre die Zeit nicht prädestiniert für mehr politisches Kabarett?

Wir haben die Welle der Comedians im Fernsehen hinter uns. Ich bin gespannt, was kommt, aber Krise sehe ich keine. Die Karikaturen sind auch nicht gleich geblieben. In den Fünfzigerjahren hat es genügt, den Bundespräsidenten überhaupt zu zeichnen. Heute muss man sich mehr einfallen lassen.

Wie dankbar ist die derzeitige Regierung, sind die bereits feststehenden Bundespräsidentschaftskandidaten für Ihre tägliche Arbeit?

Ich muss nehmen, was kommt. Es gibt Charaktere und Persönlichkeiten, die uns Karikaturisten mehr gelegen sind, die wir lieber haben, was nichts über die politische Fähigkeit aussagt. Wir haben die Fettnäpfchen-affinen Ulknudeln lieber als die Fadgas verströmenden Langweiler, insofern war der Wechsel Stenzel zu Hofer nicht in meinem Sinne.

Interview: Johanna Hager

Die Chuck-Norris-Sprüche seien "der ultimative Internethumor", sagt Judith Denkmayr. Am besten funktionieren einfache, knappe Gedanken, die sich als Satz oder Bild schnell und in geringer Datenmenge verbreiten lassen – so genannte Shareables. Die Webexpertin (www.digitalaffairs.at) hält den Witz im Netz für so vielfältig wie die User, er funktioniert aber vor allem, weil er weltweit Themengruppen zusammenbringt. "Am Anfang war der Humor im Netz spitzer, da war die Zielgruppe enger. Auf Twitter werden noch heute fast nur Insiderschmähs ausgetauscht."

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Kommunikationswissenschafterin Web-Expertin Judith Denkmayr, Credits Ingo Pertramer, honorarfrei für Geschichte Lachen.

Die Art des Schmähs ändert sich mit den Formaten. Was früher Powerpoint-Slides waren, sind derzeit vor allem "gifs" – kurze Videoausschnitte (etwa "confused Travolta"). "Die waren auf Facebook lange nicht erlaubt, jetzt sind sie der Renner." Facebook ist laut Denkmayr "die Distributionsfläche. Humor entsteht nicht unbedingt dort, er wird verbreitet." Das Kreative passiert eher auf offenen Plattformen wie 4chan.org, von wo auch Anonymous kommt, die Forensammlung reddit.com oder icanhas.cheezburger.com – wo nur Katzeninhalte gepostet werden. "Grumpy Cat" wurde vom Webhype zur eingetragenen Marke.

Aktuell lacht das Netz über die "Be-like-Bill"-Sprüche, die es nach Österreich als Kanzlerkritik schafften: "Sei nicht wie Werner".

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