"Nach der Nottaufe hat er die Augen geöffnet"
Theo wird im Februar vier Jahre alt. Sein Gitterbett steht im Wohnzimmer, rundherum blinkende Maschinen, Schläuche führen zu Theos Körper. Sie helfen ihm zu atmen, zu essen, überwachen sein Herz. Als es an der Tür der Korneuburger Wohnung läutet, hüpft Theos Zwillingsschwester Marie dem Besuch entgegen und stellt ihre Puppe Sophie I. vor.
Ihre Mutter Birgit Kosch ist noch etwas heiser – Theo hat erst eine schwere Lungenentzündung hinter sich und sie war auch verkühlt: "Ich hatte die ganze Schwangerschaft über keine Probleme. Nur gegen Ende hieß es, dass Theo etwas mit den Nieren haben könnte." Unerwartet dramatisch war dann die Geburt in der 35. Woche: "Zuerst waren die Herzschläge von Marie nicht gut. Daraufhin wurden beide sofort per Kaiserschnitt geholt." Marie war kleiner und schwächer – doch es ging ihr gut. Theo musste aber sofort beatmet werden und kam auf die Intensivstation.
Die Eltern fühlten sich wie im falschen Film. Birgit Kosch wollte nur noch wissen, was mit ihrem Theo los ist. "Der Arzt hat uns gleich gesagt, dass sie nicht wissen, ob er die erste Nacht überleben wird." Doch er hat nicht nur die erste Nacht überlebt, sondern auch die Atemnot, unter der er litt, bis er nach zwei Wochen einen Luftröhrenschnitt bekam. Und seinen ersten Herzstillstand mit drei Monaten – danach erhielt er einen Herzschrittmacher.
Bis heute gibt es keinen Namen für den Gendefekt, mit dem Theo lebt – zwei Jahre lang wurden seine Daten weltweit verglichen. Heute wird seine Erkrankung mit anderen zusammengefasst, über die man nichts Näheres weiß: Dismorphie-Retardierungssyndrom.
Die Familie kann sich kaum erinnern, wie oft Theo in seinem kurzen Leben schon reanimiert wurde. Wie oft sie dazu aufgefordert wurde, sich von ihm zu verabschieden. Die Eltern haben auch schon Vorkehrungen für die Bestattung getroffen. Theo hat sich lange nicht bewegt – die Familie war dankbar für jeden Tag, den sie gemeinsam verbringen konnten.
"Nach einem Monat haben wir ihn nottaufen lassen" – und dann geschah etwas, womit niemand mehr gerechnet hatte: "Gleich danach hat er die Augen geöffnet. Es ist bergauf gegangen."
Neustart
Bevor Theo zum ersten Mal nach Hause durfte, musste seine Mutter noch eine zweiwöchige Ausbildung absolvieren. Sie lernte, ihn richtig zu pflegen, seine Beatmungsmaschine zu bedienen. Die Ernährungspumpe. Die Sättigungsüberwachung. Und immer wieder sagten die Ärzte zu ihr: "Man kann so ein Kind nicht heimnehmen, es gibt Einrichtungen dafür." Doch das wäre für die 32-jährige Mutter nie infrage gekommen. Ihr war immer klar, dass sie Theo nach Hause nehmen würde.
"Ursprünglich wollte ich Krankenschwester werden, habe dann aber Koch gelernt, weil ich schneller arbeiten wollte", erzählt Kosch und lächelt über die Ironie des Schicksals. Jetzt muss Theo 24 Stunden am Tag gepflegt werden. Birgits Mann Karl verdient alleine das Geld für die fünfköpfige Familie. "Ich habe mich immer davor gescheut, mich mit dem Tod zu befassen. Theo ist zu einer Lebensaufgabe geworden und konfrontiert mich mit Problemen, denen ich mich sonst nicht gestellt hätte."
Entlastet wird Birgit Kosch von der Mobilen Kinderkrankenpflege MOKI NÖ, die viermal pro Woche für ein paar Stunden auf Theo aufpasst, während sie Marie vom Kindergarten holt und einkaufen geht. "Und ohne die Hilfe meiner Mutter wäre das alles sowieso nicht schaffbar."
Geschwister
"Mama, die Beatmungsmaschine klingt komisch", ruft Tobias dazwischen – der große Bruder der Zwillinge ist erst zehn Jahre alt. Als sie zur Welt kamen, wurde er gerade erst eingeschult. "Alles in Ordnung", beruhigt ihn seine Mutter nach einem kurzen Blick. Nicht nur Tobias, auch die Zwillingsschwester Marie fühlt sich für Theo verantwortlich. Sie schiebt für ihn Spielzeugautos über den Boden und bezieht ihn ein, während sie mit ihren Puppen Anna und Elsa spielt.
Auch die Wochenenden und Ferien sind auf Theo angepasst. "Wir haben keine normale Freizeit, wir können nicht schnell mal die Kinder zusammenpacken und etwas unternehmen – als Ehepaar schon gar nicht." Umso wichtiger ist es den Eltern, ihren Kindern ab und zu besondere Wünsche zu erfüllen. "Wir leisten uns sonst nichts, aber wir versuchen den Kindern zum Schulschluss ein Wochenende zum Beispiel im Legoland zu ermöglichen. Das ist dann unser Jahresurlaub." In dieser Zeit passt die Mutter von Birgit Kosch auf Theo auf.
Sie unterdrückt ihr Schluchzen. Es belastet sie, Theo keinen Urlaub ermöglichen zu können. Doch der Aufwand, ihn mitzunehmen wäre so groß, dass niemand etwas von dem Urlaub hätte. Ein Mal hat sie bei einem speziellen Hotel angefragt, ob sie ihn mitnehmen kann – "als ich die Geräte aufgezählt habe, die ich mitnehmen müsste, hat die Rezeptionistin aufgelegt." Danach hat sie es nicht mehr versucht.
"Für mich ist Theo ein normales Kind, nur, dass er andere Bedürfnisse hat." Weder die Familie, noch die Ärzte hätten gedacht, dass er sich jemals auf die Knie hochziehen, geschweige denn über den Boden durch die Wohnung rutschen kann.
"Aber er zeigt jeden Tag etwas Neues. Und wenn seine Kraft eines Tages zu Ende ist, dann müssen wir das respektieren. Dann ist es sein Recht, zu gehen."
Helfen Sie den Schwächsten
Familie Kosch hat sich an die Stiftung Kindertraum gewandt, um Unterstützung für die Finanzierung eines neuen Kinderpflegebetts zu erbitten – eine Hälfte wird aus öffentlicher Hand finanziert. Seit 1998 erfüllt die Stiftung Kindertraum Kindern mit Behinderungen oder schweren Krankheiten Herzenswünsche. Das Geld dafür stammt aus Spenden und Erlösen von Benefizaktionen. Immer öfter bitten Familien um Hilfe für medizinische Hilfsmittel und Therapien.
SPENDENKONTO
Stiftung Kindertraum
IBAN: AT10 6000 0000 9011 8500
BIC: OPSKATWW
Kennwort: Theo
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