"Keine angemessenen Stellen" für Top-Forscher

"Keine angemessenen Stellen" für Top-Forscher
Der Star-Genetiker über sein Verhältnis zu Politik und Akademie der Wissenschaften - und über Abwanderungsgerüchte.

Neben dem Schreibtisch des Genetikers Josef Penninger steht eine rote Säule in Form eines Punching Balls. Zum Frustabbau wird dem weltberühmte Forscher derzeit Anlass gegeben, trotz Spitzenleistungen auf dem Gebiet der Biomedizin bewege sich das Forschungsland Österreich in Richtung Kreisklasse.

KURIER: Herr Prof. Penninger, sie sind Genetiker in einem Land, das eine tiefe Abneigung gegen die grüne Gentechnik hegt, sie als Biomediziner lässt man aber in Ruhe arbeiten. Kann man ernsthaft das eine ablehnen, und das andere befürworten?
Josef Penninger: Ernsthaft nicht wirklich. Diese Angstzustände, dass, wenn man ein Gen in eine Pflanze reinschneidet und eine Kuh frisst diese Pflanze, dass das eventuell bei uns was bewirken könnte, das ist natürlich Unsinn. Wenn man einen Salat isst, isst man Milliarden von Genbausteinen mit. Wenn da ein paar mehr dazu kommen, spielt das keine Rolle, die werden ohnehin abgebaut.

Finden sie das bezeichnend für die Einstellung zu den Naturwissenschaften?
Dass wir nicht auf grüne Gentechnik setzen, ist kein großer Standortnachteil für uns, aber die generelle Einstellung, dass Wissenschaft nicht so wichtig sein soll für uns, und dazu dieses hehre Zurückwünschen in die Zeiten eines Jean-Jacques Rousseau (Schriftsteller, Philosoph, Naturforscher der Aufklärung, Anm.) ist natürlich ein Unsinn. Das muss den Leute klar sein, dass nur durch moderne Wissenschaften die meisten von uns in einem gewissen Alter noch am Leben sind. Vor 100 Jahren waren Infektionskrankheiten essentiell. Jetzt haben wir andere Probleme, wir werden älter und alt werden heißt: mehr Krebs, mehr Diabetes, mehr Fettleibigkeit, mehr Alzheimer. An diesen Dingen muss man forschen. Wenn wir das nicht wissenschaftlich angehen, haben wir in Europa ein Riesenproblem. Wenn wir mit 70 nicht mehr wissen, wo wir zu Hause sind, wird die Betreuung dieser Menschen so teuer, dass das ganze Gesundheitssystem zusammenbrechen wird. Wer soll sich das leisten? Dann wird es 100-prozentig, no na, eine 2- bis 3-Klassen–Medizin geben. Wir müssen auf Forscher setzen, die genau diese Dinge herausfinden, nur so werden wir in Zukunft eine vernünftige Gesellschaft haben, die nicht völlig zusammenbricht.

Der Biochemiker Rudolf Zechner sagt, dass Österreich junge Wissenschaftler verliere, weil sie hier keine Karriere machen können. Anton Zeilinger, Präsident der Österreichischen Akademie der Wissenschaften meint hingegen, dass sich der brain drain umgedreht habe. Wie sehen sie das?
Ich glaube, ganz ehrlich, der Abwanderungstrend junger Talente ist nicht gestoppt ist. Als ich vor elf Jahren nach Wien gekommen bin (um das Institut für Molekularbiologie IMBA aufzubauen, Anm.), herrschte hier so eine richtige Aufbruchstimmung, jetzt ist alles so richtig eingeschlafen. Ich kenne mich ein bisschen aus in der Welt, die Deutschen geben in der Forschung Vollgas, die Ergebnisse sieht man: die Helmholtz-Gesellschaft hat seit 2007 (je einmal für Chemie, Medizin und Physik, Anm.) drei Nobelpreise rausgeholt, die reden nicht nur, die tun was.

Woran liegt’s, am Geld allein?
Unsere Budgets sind eingefroren. Wenn ich mich bemühe, neue Initiativen zu setzen, dann heißt es, ihr habt eh schon genug, ihr braucht nichts mehr. Im internationalen Vergleich, kicken wir (das IMBA, Anm.) zwar in der Champions League, aber wenn man einen unserer Spitzenleute austauscht, sind wir wieder in der Regionalliga. Österreich muss sich halt entscheiden. Und ich sehe mehr Kreisliga als Champions League. Es ist nicht nur das Geld, es ist die Kultur. Es sollte zehn IMBAs geben in Österreich. Ich höre seit Jahren: ,Das brauch ma net’. Das ist so frustrierend, ich höre immer, dass die Gießkanne wichtiger ist, als dass man Plätze schafft für die tollen jungen Wissenschaftler. Am Ende ist es wie beim Skifahren. Wenn es nicht den Hermann Maier und den Marcel Hirscher gebe, würde das Interesse bald erlahmen.

Was raten Sie österreichischen Forschern im Ausland, die zurückkommen wollen?
Einem meiner früheren Studenten habe ich empfohlen, in Amerika zu bleiben und dort seine Karriere zu machen. Der würde liebend gern zurückkehren, aber für den gibt es hier keine angemessene Stelle, mit Verlaub, dem kann ich nur abraten. Und das ist die eigentliche Schande.

Fühlen Sie sich noch gewollt?
Meine Leidenschaft ist die Wissenschaft. Was wichtig ist, dass man das Gefühl hat, dass man etwas weiterbringt, dass man das Gefühl hat, Dinge zu schaffen, die wirklich Bestand haben, die langfristig wirken. Wenn das nicht mehr geht, muss man sich mit Bruce Chatwin fragen: ,What am I doing here?’. Für mich heißt das, ja gut, vielleicht ziehe ich mich völlig zurück in meine Wissenschaft, lass’ die Politik sein.

Ein Josef Penninger in der zweiten Reihe?
Die Frage ist, kann man auf dieser Arbeit, die wir geleistet haben, aufbauen, strahlen wir aus oder bleiben wir ein isolierter Leuchtturm. Herumsitzen im Kaffeehaus und darüber reden, wie man alles besser machen könnte, dieser Zynismus fehlt mir noch.

Hat man in Wien verstanden, worum es Ihnen geht?
Der Häupl (Bgm. Michael, SPÖ, Anm.) versteht, worum es geht, auch aus seiner Historie heraus als Wissenschaftler. Die Wiener haben viel gemacht, es ist halt ein zu großer Fleckerlteppich. Zu viele Institutionen, die um zu wenig Geld streiten.

Können sie sich vorstellen, direkt für die Stadt Wien tätig zu sein?
Ich setze mich gern mit dem Häupl zusammen, aber das ist mir jetzt neu. Ich habe ein paar Vorschläge gemacht, was wichtig ist, um ernst genommen zu werden. Wichtiger für mich ist aber, dass ich weiter forsche, da kann ich den Leuten mehr helfen, als in einer offiziellen Position.

Wurde ihnen ein Angebot gemacht?
Was soll ich dazu sagen? Ich meine, über das sollte man nicht reden, bevor man nicht unterschrieben hat.

Wie ist ihr Verhältnis zu ÖAW-Präsident Zeilinger?
Er ist ein hervorragender Wissenschaftler.

Wenn man ihren Lebenslauf liest, scheint es nur nach oben zu gehen. Darf man als Forscher Scheitern eingestehen?
Wir scheitern ständig, auch wenn wir das nicht auf die Homepage schreiben.

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