Tim Berners-Lee: "Das Web wird überall sein"

Tim Berners-Lee: "Das Web wird überall sein"
Der Erfinder des WWW über Anonymität, Privatsphäre und staatliche Überwachung in der vernetzten Welt.

Tim Berners-Lee ist der Erfinder des World Wide Web. Seine Vision von visuell gestalteten Seiten, die aufeinander verweisen, machte das Web zu dem, was es bis heute ist: Eine unerschöpfliche Wissensquelle, durch die jeder ohne Hürden navigieren kann.

KURIER: Sie haben vor mehr als 20 Jahren das World Wide Web erfunden. Was sind aus Ihrer Sicht die bedeutendsten Errungenschaften?
Berners-Lee:
Es sind jene, die der Menschheit weitergeholfen haben. Wenn es zur Kommunikation genutzt wurde und dazu beigetragen hat, Konflikte friedlich zu lösen. In der Geschichte des Web gibt es viele positive und aber auch einige negative Aspekte. Tiefpunkte gab es dann, wenn das Web bedroht war und versucht wurde, es zu kontrollieren.

Aktuelle Tendenzen zeigen, dass Regierungen und Firmen den Datenverkehr verstärkt kontrollieren wollen.
Das Netz muss ein neutrales Medium bleiben, und jeder muss auf jede Website zugreifen können. Wenn Regierungen oder Unternehmen die Macht haben, Informationen zu filtern, bestimmen sie die Weltsicht vieler Nutzer. Auch die Überwachung der Webnutzung, etwa für Werbezwecke, hat fatale Folgen. Leute nutzen das Web für intime Dinge, etwa um sich über Krankheiten zu informieren. Sie bekommen nicht nur Werbeeinschaltungen für Medikamente zu sehen, sondern müssen möglicherweise auch höhere Versicherungsbeiträge bezahlen. Wenn das Nutzungsverhalten protokolliert wird, werden Leute angreifbar. Die Neutralität des Netzes muss von einer Gesellschaft hochgehalten werden. Sie ist die Basis für alles andere.

Europäischen Gesetzgeber vertrauen hier auf Transparenz und den Markt. Ist das genug?
Es wäre gut, wenn wir ohne Regulierung auskommen. Dazu müsste die Netzneutralität aber so stark als ethisches Prinzip verankert sein, dass sich jedes Unternehmen daran hält. Regierungen sollten in jedem Fall bereit sein, einzuschreiten, wenn die Netzneutralität bedroht ist. In Form von Regulierungen oder Gesetzen.

Wie hat das Web unsere Einstellung zu Privatsphäre verändert?
Unsere Vorstellung von Privatsphäre wird gerade verhandelt. Viele Leute haben den Fehler gemacht, Informationen auf sozialen Netzwerken öffentlich zugänglich zu machen. Sie können nun von Leuten gesehen werden, für die sie nicht gedacht waren. Nun brauchen wir Regeln, wie wir mit solchen Informationen umgehen. Arbeitgeber könnten sich verpflichten, keine Daten aus sozialen Netzwerken zu verwenden, wenn sie Leute einstellen. Wir brauchen einen neuen Ethos, mit dem Leute dafür verantwortlich gemacht werden können, wie sie Daten verwenden.

Wie wichtig ist die Anonymität im Netz?
Wenn jemand kritisiert wird, hat er das Recht zu erfahren, wer dahinter steckt. Auf der anderen Seite brauchen wir ein Recht auf Anonymität. Beides sind Grundlagen der Demokratie. Anonymität ist besonders unter repressiven Regimen wichtig. Wir haben also einen Konflikt zwischen diesen beiden Rechten, weshalb wir Mechanismen entwickeln müssen, die beides ermöglichen.

Das Interview in gesamter Länge finden Sie auf www.futurezone.at

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