Artenvielfalt: So ging es Fischotter, Tiger und Stör im Jahr 2022
2022 erfasste die Rote Liste mehr gefährdete Spezies als je zuvor.
Tierbestände und Pflanzen erholen sich nur dort, wo es umfangreiche Schutzprojekte gibt.
Es war kein gutes Jahr für die Natur. Die Rote Liste der gefährdeten Arten ist so lange wie nie zuvor: „Erderhitzung, Flächenfraß, Überfischung und Wilderei machen vielen Arten das Überleben schwer“, sagt Georg Scattolin von WWF Österreich und liefert Zahlen: Weltweit mussten mehr als 41.500 von etwa 147.500 erfassten Tier- und Pflanzenarten als bedroht eingestuft werden. Seit 1970 bis heute sind die Bestände der beobachteten Spezies um durchschnittlich 69 Prozent zurückgegangen.
Auch der Ausblick der Naturschutzorganisation ist düster: Erfolgt keine Trendwende, könnte bis zu eine Million Arten in den nächsten Jahrzehnten aussterben. Lichtblicke zeigt die WWF-Jahresbilanz dort, wo Menschen intensiv Natur- und Artenschutz betreiben.
Einer Umfrage von Greenpeace zufolge sind 73 Prozent der Österreicher bereit, einen Beitrag zu diesem Schutz zu leisten. Allein: Mehr als die Hälfte glaubt, dass es um die Natur hierzulande gut steht.
„Ist die Erde krank, werden es auch die Menschen. Wir sind auf funktionierende Ökosysteme und Artenvielfalt für unser eigenes Überleben angewiesen“, sagt Georg Scattolin vom WWF. Aktuell geht es dem blauen Planeten schlecht wie nie; die Verlierer 2022 stehen für die Naturschutzorganisation fest. Eine Auswahl:
Für Österreich nennt der WWF den Fischotter. Die Kärntner Landesregierung verlängerte heuer ihre Verordnung, die eine Entnahme der an sich ganzjährig geschonten Tiere erlaubt. Auch Salzburg erließ 2022 eine Verordnung zur Bejagung von 57 Fischottern. Nach wissenschaftlichen Erkenntnissen gefährden aber nicht die Räuber die Fischbestände, vielmehr sind die Verbauung, Verschmutzung und Übernutzung von Gewässern dafür verantwortlich.
Apropos Fisch: Sieben der acht Störarten in Europa sind vom Aussterben bedroht, seit diesem Jahr gilt nun auch die achte offiziell als stark gefährdet. Den Glattdick, der zuletzt in Europa nur noch in der Donau schwamm, erklärte die Weltnaturschutzorganisation IUCN dort für ausgestorben. Auch in anderen Teilen der Welt kämpfen die Störartigen ums Überleben: Alle verbliebenen 26 Arten sind laut der Roten Liste 2022 akut gefährdet, fast zwei Drittel davon sogar direkt vom Aussterben bedroht. Nur freifließende Flüsse sowie das Aus für den illegalen Handel mit Störfleisch und Kaviar könnten die urtümlichen Knochenfische retten.
Auch das Breitmaulnashorn findet sich 2022 auf der Seite der Verlierer. Immer noch werden die Kolosse wegen ihres Hornes brutal verfolgt. In den vergangenen neun Jahren gingen in Afrika die Bestände dieser uralten Spezies durch Wilderei von 20.600 auf knapp 16.000 Exemplare zurück.
Die Gewinner
„Die tierischen Gewinner geben Hoffnung. Sie zeigen, was in Zeiten von Artensterben, Klimakrise und Pandemien möglich ist“, sagt Georg Scattolin vom WWF und hebt positive Entwicklungen für 2022 hervor. Drei Beispiele:
Für Österreich führt die Naturschutzorganisation einmal mehr den Seeadler als Sieger an. Im Jahr 2000 galten die majestätischen Greifvögel hierzulande noch als ausgestorben. 2022 brüteten wieder um die 50 Paare von Österreichs Wappentier hier – und damit eine stetig wachsende, stabile Population. Länderübergreifende Schutzmaßnahmen trugen maßgeblich zur Rückkehr der Überflieger bei.
Über Österreichs Grenzen hinweg rückten 2022 Haie und Rochen auf die positive Seite der Öko-Bilanz. Die Weltartenschutzkonferenz CITES beschloss im November dieses Jahres den besseren Schutz von Requiemhaien, Hammerhaien und Geigenrochen. Erlaubt ist internationaler Handel mit diesen Arten nur noch, wenn ihre Bestände dadurch nicht gefährdet werden. Mehr als 90 Prozent aller weltweit gehandelten Hai- und Rochen-Spezies werden so vor unregulierten Geschäften geschützt; eine wichtige Entscheidung, urteilt der WWF, denn ein Drittel der Hai- und Rochenarten ist bedroht. Die größte Gefahr für diese Taucher geht übrigens von der Überfischung aus.
Eine Erfolgsgeschichte erzählt 2022 auch der Tiger. Nicht nur der chinesische Kalender stand heuer in seinem Zeichen. Aktuellen Zählungen zufolge gab es seit dem letzten Tigerjahr 2010 einen Zuwachs von 50 Prozent auf nunmehr 4.500 bis 5.000 Exemplare. Besonders erfreulich sind die Zahlen in Nepal: Dort leben wieder 355 Tiere der bedrohten Großkatzen – fast dreimal mehr als 2009 geschätzt wurden.
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