Switter: Was hinter dem "Twitter für Sexarbeiterinnen" steckt
Sexarbeiterinnen verlassen Twitter in Richtung Switter – in großer Zahl: Über 30.000 Userinnen haben sich laut der Online-Plattform Buzzfeed in den vergangenen Wochen auf dem alternativen sozialen Netzwerk registriert. Grund dafür ist ein neues US-Gesetz gegen Menschenhandel, das kürzlich vom US-Kongress verabschiedet wurde. Durch die neue Regelung sei der offene Diskurs über Sexarbeit auf sozialen Netzwerken gefährdet, kritisieren Sexarbeiterinnen via Vice.
Das Gesetz namens "Allow States and Victims to Fight Online Sex Trafficking Act of 2017" geht aus den Initiativen SESTA und FOSTA hervor. Es richtet sich gegen die Unterstützung des Menschenhandels zum Zweck sexueller Ausbeutung. Betreiber von Internetplattformen sollen strafrechtlich belangt werden, wenn ihre Seite zur Bewerbung von Menschenhandel benutzt wird. Kritiker bemängeln allerdings, das Gesetz sei zu breit gefasst. Somit könne es auch gegen Betreiber verwendet werden, die nicht wissen, dass ihre Plattform für Menschenhandel genutzt wird.
Angestoßen wurde das Gesetz von der Debatte rund um die Kleinanzeigenseite Backpage.com, die in den USA für versteckte Inserate für sexuelle Dienstleistungen bekannt ist. Ein Teil davon bewarb Dienstleister, die minderjährig oder unfreiwillig tätig waren. Betreiber diverser anderer Online-Dienste fürchten nun eine Klagewelle, zumal nicht alle Postings auf Schlagwörter und Hashtags kontrolliert werden können.
Ausschluss von Twitter & Co.
Das neue Gesetz zwingt soziale Netzwerke ihre Nutzungsbedingungen abzuändern. Sexarbeiterinnen werden im Zuge dessen von Diensten wie Twitter, oder Skype ausgeschlossen. In einem Artikel für Vice schildern Frauen, warum sie auf die Plattformen angewiesen sind. Demnach würden Twitter und Co. in erster Linie eine verstärkte Sicherheit für Frauen bedeuten, da sie ihre Dienste nicht auf der Straße anbieten müssen, wo sie häufig Opfer von Übergriffen und Ausbeutung werden. Außerdem würden die Dienste auch dazu benutzt, um aufdringliche, gewalttätige oder übergriffige Kunden auszuweisen und Kolleginnen auf deren Verhalten aufmerksam zu machen. Diese können Anfragen der betreffenden Freier ablehnen und bedrohlichen Situationen entgehen.
"Das sind gute Plattformen, weil ich Recherchen über meine Kunden anstellen konnte (…), um sicherzustellen, dass sie auch wirklich die Person sind, die sie vorgeben zu sein. Ich habe Twitter und Instagram verwendet, um zu zeigen, dass ich eine reale Person bin und um sicherzugehen, dass ich es nicht mit Gesetzesbrechern oder komischen Leuten zu tun habe", sagt Sexarbeiterin Ameena aus Kalifornien Buzzfeed.
Interaktion via Switter
Entwickelt wurde vom australische Start-up Assembly Four, das digitale Projekte für Sexarbeiterinnen technisch umsetzt. Es ist mit Mastodon vernetzt, einem dezentral agierenden sozialen Netzwerk, das im Gegensatz zu Mainstream-Plattformen weniger Daten von Usern bezieht und diese auch nicht bündelt, sondern auf diverse Server verteilt.
Auf Switter können User öffentlich und privat Information austauschen, sowie Werbungen schalten und auf diese reagieren. Um das US-Gesetz zu umgehen, ist die Seite auf eine österreichische Domain gemeldet. Lola Hunt, australische Entwicklerin, Gründerin von Assembly Four und selbst Escort-Girl, sagte angesprochen darauf, für wen Switter gedacht sei im Interview mit Vice: "Wir wollen die ganze Community hier haben, Klienten und alles. Wir wollen, dass das für alle ein sicherer Ort ist." Man mache sich gegen Zensur stark, dulde aber keine Inhalte, die Rassismus, Sexismus, Diskriminierung oder Fremdenhass bedienen oder gewaltverherrlichend sind. eröffne so die Möglichkeit sozialer, sicherer Interaktion von Sexarbeiterinnen und ihren Kunden abseits von Twitter.
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