Abenteuer in New York

Nadine, Katharina Thon - Advocacy-Beauftragte von SOS-Kinderdorf und Ravi (v.li.n.re.)
Nadine aus Tirol und Ravi aus Nepal sprechen bei der UNO über die Sorgen junger Menschen.

Häuser, die bis in den Himmel ragen, Menschen, die sich auf den Straßen dicht aneinander vorbeischlängeln: Ravi Bajracharya ist in einer anderen Welt gelandet – in New York City. "Es war wie ein Traum, ich habe so etwas noch nie gesehen", sagt der 17-Jährige rückblickend. Er lebt seit dem Tod der Mutter vor zehn Jahren im SOS-Kinderdorf Sanothimi bei Kathmandu in Nepal. Ravi hat sein Herkunftsland zum ersten Mal verlassen.

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Während er die Eindrücke verarbeitet, steht Nadine Dalpra auf dem Empire State Building und genießt den Blick über die Stadt. "Ich habe sie mir groß vorgestellt, aber das hab ich nicht erwartet." Die 20-Jährige aus Tirol wurde von ihrem Jugendhausleiter nach New York entsandt. Sie und Ravi werden vor Hunderten Menschen beim Jugendforum des Wirtschafts- und Sozialrates der Vereinten Nationen sprechen.

Vorurteile

Nadine will von ihren eigenen Erfahrungen erzählen. Vier Jahre lebte sie in einer Jugendwohngemeinschaft von SOS-Kinderdorf. "Ich wurde deshalb oft gehänselt. Viele der Kinderdorf-Kinder wurden ausgegrenzt und blieben unter sich. Auch als ich zu arbeiten begann, merkte ich, dass es viele Vorurteile gibt."

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Ein weiterer Punkt, den sie ansprechen wird: Gewalt in der Familie. "Es sollte unabhängige Anlauf- und Beratungsstellen geben, an die sich Kinder wenden können – ohne, dass sie das Jugendamt von den Eltern trennt. Ich weiß aus eigener Erfahrung, dass viele Hilfe und Rat brauchen, aber nicht gleich von zu Hause wegwollen." Auch die 18+-Thematik steht auf Nadines Liste. Sie fordert, dass Jugendliche auch nach dem Erreichen der Volljährigkeit Unterstützung und Beratung bekommen. "Mit 18 ist man offiziell volljährig, das heißt aber nicht, dass man schon alleine zurecht kommt und voll im Leben steht. Viele brauchen noch Beratung und Ansprechpersonen, zum Beispiel wenn sie in eine fremde Stadt ziehen, um dort zu arbeiten."

Begleitet werden sie und Ravi von Katharina Thon, der Advocacy-Beauftragten von SOS-Kinderdorf. Sie setzt sich insbesondere für die Rechte von Kindern und Jugendlichen in der Fremdunterbringung ein. Ziel ihrer Arbeit ist es, sicherzustellen, dass die Grundprinzipien der UN Kinderrechtskonvention in allen Bereichen eingehalten werden.

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Bevor Ravi und Nadine ihren großen Auftritt haben, streifen sie durch New York. Nadine, die seit zwei Jahren in Wien lebt und als Bürokauffrau arbeitet, erweist sich in einem Skateshop als perfekte Beraterin für Ravi. Das Eis ist gebrochen. Am nächsten Tag stehen sie staunend vor dem UN-Hauptquartier. "Ich war total perplex. Es ist ein riesiger Wolkenkratzer, umgeben von einem Park. Mit dem UN-Pass konnte ich überall hin. Unglaublich, wie viele Menschen dort arbeiten", sagt Nadine.
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Ihren Text für die Rede haben beide schon vorbereitet. Nadine spaziert am Ufer des East Rivers entlang, saugt die frische Luft ein. Immer wieder geht sie ihre Zeilen durch. Ihre Nervosität steigt. Ravi versucht in der Cafeteria auf andere Gedanken zu kommen. Bevor er nach New York reiste, sprach er mit Jugendlichen in seinem Ort. Der 17-Jährige ist dort Präsident des "Child Club" – eine Einrichtung, in die Kinder aus der Umgebung mit ihren Anliegen kommen können. "Ich wollte wissen, was ihnen wichtig ist. Viele arbeiten unter menschenunwürdigen Bedingungen. Die Regierung sollte in ihre Fähigkeiten investieren und Arbeitsplätze schaffen, damit sie nicht ins Ausland gehen müssen, um ihre Familien zu unterstützen."

Bei einer Veranstaltung in der deutschen Vertretung überrascht Ravi mit seinem Diplomaten-Geschick. Bei dem Wettbewerb "World Skills Competitions" treten junge Menschen aus Industrie, Handwerk und dem Dienstleistungsbereich aus der ganzen Welt an, um sich zu messen. Als Ravi erfährt, dass Nepal nicht zu den teilnehmenden Ländern gehört, geht er auf die Organisatoren zu und spricht sie an. Er will sich dafür einsetzen, dass auch Jugendliche aus seinem Land künftig mitmachen können.

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Schließlich ist es so weit: Nach der Eröffnungsrede des österreichischen Botschafters ist Nadine an der Reihe. Laut und mit kräftiger Stimme trägt sie ihre Punkte vor, das Herz schlägt ihr bis zum Hals. "So viele Menschen hörten zu, interessierten sich für unsere Geschichte, wollten mit uns sprechen – das hat mir so viel Selbstbewusstsein gegeben", sagt sie rückblickend. "Jetzt muss man schauen, ob sich was verändert – ich hoffe sehr."
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Für seine Rede legt Ravi die Zettel zur Seite. Er spricht frei und wendet sich an die Jugendvertreter im Raum, ermutigt sie, in ihren Ländern aktiv zu werden. "Ich hab in den zwei Tagen viel gelernt und will mein Bestes geben, um den Menschen bei uns helfen zu können." Die sind übrigens begeistert von Ravis Auftreten bei der UN. "Am meisten freute sich meine Kinderdorf-Mutter. Ich sah es an ihrem Lächeln, sie war so stolz."
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Tätigkeit: Der Wirtschafts- und Sozialrat der Vereinten Nationen (Economic and Social Council) ist eines der sechs Hauptorgane der Vereinten Nationen. Er setzt sich aus 54 Mitgliedsstaaten zusammen. Der österr. Botschafter bei den Vereinten Nationen, Martin Sajdik wurde am 14.1 zum 70. Präsidenten gewählt.

Aufgaben: Der Rat hat die Aufgabe, wirtschaftliche und soziale Entwicklungen voranzutreiben, etwa die Hebung des allgemeinen Lebensstandards, Formulierung von Lösungsvorschlägen für soziale und gesundheitliche Probleme, Förderung der Kooperation in Kultur und Erziehung sowie Förderung der Menschenrechte.

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