Sollen Frauen ihren Verlobungsring selbst bezahlen?
"Ich habe meinen Verlobungsring selbst gekauft und könnte kaum glücklicher darüber sein", verkündete die britische Autorin Bethany Rutter vor einigen Monaten in der Zeitschrift Glamour. Beim Gros der Leser sorgte sie damit für Stirnrunzeln.
Gar nicht ungewöhnlich, vielmehr als folgerichtig empfand Rutter ihren Entschluss: "Ich bekomme etwas, für das ich mit meinem eigenen Geld bezahlt habe und mein Partner muss sich keine Gedanken machen, was ich schön genug finden könnte, um es für den Rest meines Lebens zu tragen." Dass der Mann teures Geld für den symbolbeladenen Akt aufbringen müsse, sei ohnehin eine "veraltete Tradition".
Werden der Verlobungsring und seine Bedeutung in der jüngeren Generation also neu verhandelt?
Neuer Trend
Der weltweit größte Diamantenproduzent De Beers hat nachgeforscht: Die Zahl der Frauen, die für ihren Verlobungsring selbst aufkommen, ist in den USA in den vergangenen fünf Jahren von sieben auf 14 Prozent gestiegen. Gegenüber US-amerikanischen Medien bestätigen etliche Juweliere, dass immer mehr Kundinnen beim Verlobungsring nicht nur mitbestimmen, sondern auch mitzahlen wollen.
Seine ursprüngliche Bedeutung ist tatsächlich nicht mehr ganz zeitgemäß. Zwar geht der Brauch auf die alten Ägypter zurück, die den Austausch von Trauringen als Ausdruck ewiger Verbundenheit sahen. Im alten Rom sollten verheiratete Frauen jedoch als Mitgift eiserne Ringe mit kleinen Schlüsseln tragen, um die Zugehörigkeit zum Ehemann zu verdeutlichen. "Der erste echte Verlobungsring wurde 1477 von Erzherzog Maximilian von Österreich an Maria von Burgund vergeben", erklärt der österreichische Traditionsjuwelier Wolfgang Köchert. "Dass den Ring ein Diamant zierte, mag aus heutiger Sicht angemessen wirken, damals waren Brillanten aber Männern vorbehalten." Klingt romantisch und progressiv: Laut historischen Aufzeichnungen war der feudale Ring aber vielmehr Ausdruck pompösen Reichtums, den der Erzherzog zur Schau stellen wollte.
Die Denke, dass nur die Frau ein Symbol vorehelicher Bindung tragen sollte, wird mittlerweile zudem hinterfragt. Bereits vor zwei Jahren berichtete der britische Independent, dass immer mehr junge Männer und Frauen das Bündnis der Ehe so "gleichgestellt" und individuell wie möglich gestalten und daher beide nach der Verlobung einen Ring tragen wollen. Nach der Legalisierung der gleichgeschlechtlichen Ehe in den USA berichteten Ökonomen aufgrund der gesteigerten Nachfrage durch homosexuelle Paare von einem regelrechten Boom der Verlobungsringindustrie.
Ritual im Wandel
Auch in Österreich befindet sich das Ritual zumindest ansatzweise im Wandel. Die Ringauswahl muss etwa längst kein Geheimnis mehr sein: "Es kommt tatsächlich immer öfter vor, dass die Frau vorher vorbeikommt und ein oder zwei Bemerkungen fallen lässt, was ihr besonders gefällt. Als aufmerksamer Juwelier registriert man das und leistet dem Bräutigam Hilfe", sagt Köchert. Einen Trend zum Selberkaufen sieht er derzeit nicht.
Ob sich die US-Entwicklung hierzulande bemerkbar machen wird, bleibt offen. Berechtigt ist sie: "Schmuck ist schwierig, zu schenken, besonders, wenn es um den Verlobungsring geht", sagt Christina Kolbe, Goldschmiedin und Expertin für Ehe- und Verlobungsringe. "Nicht selten ist es so, dass der vom Mann ausgesuchte Ring am Ende dann doch nicht gefällt. Es ist also absolut zu begrüßen und unbestritten legitim, dass Frauen sich bei Auswahl und Bezahlung einbringen. Dann ist die Qualität, in die investiert wird, gut aufgehoben – am Finger, nicht in der Schmuckschatulle."
Was Kolbe anspricht, bekräftigt auch Rutter: "Ein Verlobungsring muss keine große Geste sein, um große Bedeutung zu haben. Er muss einem selbst etwas bedeuten."
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