Doktorspiele sind ganz normal

Doktorspiele sind ganz normal
Wann beginnt die kindliche Sexualität? Experten klären auf.

Mit Missbrauchsvorwürfen ist derzeit Lena Dunham, Star der Teenie-Serie „Girls“, konfrontiert. Ein US-Blogger behauptet, dass sie als Siebenjährige ihre kleine Schwester missbraucht haben soll, weil sie dieser in die Vagina geschaut habe. Er kommentierte damit eine Passage aus ihrem neuen Buch. Jetzt brach die Schauspielerin entnervt ihre Europa-Lesereise ab.

Anlass für den KURIER, mit Experten über die ersten Körpererfahrungen von Kindern und den Reiz von Doktorspielen zu sprechen. Für die Sexualpädagogin Bettina Weidinger ist besonders irritierend: „Hier wird sofort negativ bewertet, obwohl man den Fall gar nicht kennt. Die Kombination aus Kind und Sex führt automatisch zu einer schnellen Aufregung.“

Zweifellos ist es Aufgabe der Erwachsenen, eine Situation zwischen Kindern immer danach zu analysieren, ob es notwendig ist, einzugreifen, bzw. sich einzumischen. Das gilt nicht unbedingt für sexuelle Neugier, sondern vielmehr für soziales Verhalten wie kindliche Erpressung oder gar Gewalt in diesem Kontext.
Experimentierlust „Sex zwischen Erwachsenen und das Lustempfinden und Experimentieren von Kindern sind zwei völlig verschiedene Dinge“, betont Weidinger. Das Körpergefühl fange bereits vor der Geburt an: „Schon im Bauch können Kinder eine Erektion haben. Ihr Lustempfinden ist von Anfang an da. Man erlebt immer wieder Kinder, die sich die Windel aufmachen und sich an ihre Geschlechtsorgane greifen. Sie machen etwas, das sich gut anfühlt.“ Solche Erkundungen gehören zur Entwicklung des Körpergefühls, sagt Weidinger: „Natürlich ist es nicht angenehm, wenn sich Kinder vor den Gästen auf ihren Penis greifen. Dann können Eltern ruhig sagen: Es ist absolut in Ordnung. Aber hier und jetzt passt es nicht.“ Wichtig sei, das Kind nicht für sein Verhalten zu kritisieren.

Mit vier oder fünf Jahren interessieren sich Kinder auch für die Geschlechtsorgane anderer Kinder. Dann ziehen sie sich gemeinsam ins Zimmer zurück, zeigen sich nackt oder widmen sich „Doktorspielen“ – Eltern werden da leicht nervös. Was ist zu tun? Weidinger: „Wenn Eltern ein ungutes Gefühl haben, sollen sie dem Kind sagen: Ich möchte das nicht.“

Wichtig ist für Kinder der soziale Lerneffekt, betont die Sexualtherapeutin: „Seien Sie sensibel, ob ein Kind auf das andere Druck ausübt. Kinder lernen beim Spielen, welcher Kontakt ihnen guttut, und üben Nein zu sagen. Das sollten die Eltern unterstützen.“
Manchmal überschreiten Kinder die Grenzen, sagt Sabine Götz vom Institut für Erziehungshilfe: „Wenn Kinder sexuelle Praktiken zum Beispiel im Fernsehen sehen, die sie nicht verstehen, verarbeiten sie das im Spiel. Das muss man vorsichtig ansprechen, weil Kinder sofort merken, wenn Eltern ein Verhalten beunruhigend finden.
Ab sechs bis sieben Jahren zeigen Kinder Interesse für Tabubrüche und Schimpfwörter wie das berühmte F-Wort. „Eltern sollten direkt sagen, dass das nicht den guten Umgangsformen entspricht."

Das erste Interesse für „erwachsenen Sex“ zeigt sich ab etwa zehn Jahren. Ab diesem Zeitpunkt beschäftigen sich die Kinder mit der Fantasie des Geschlechtsaktes, ohne aktiv zu werden. Erst langsam wenden sie sich realen Personen und konkreten Handlungen zu.
Heikel sei nur zwanghaftes Verhalten, sagt Götz: „Wenn Kinder sich für nichts anderes interessieren als ihr Sexualleben.“

Den ersten Sex haben Jugendliche durchschnittlich mit 16 Jahren, so Weidinger: „Eltern haben manchmal Angst, dass sie diesen wichtigen Moment übersehen. Aber es geht in der Erziehung darum, den Kindern zwischen null und zehn Jahren einen guten Umgang mit ihrem Körper beizubringen.“
Sexualpädagoge Wolfgang Kostenwein beobachtetet eine besondere Scheu der Erwachsenen, mit ihren Teenager-Kindern über Sex zu reden: ""Erwachsene reden anstatt über Sex oft über stellvertretende Themen wie Krankheiten oder Verhütung. Dann ist es verständlich, dass sich Jugendliche diese Informationen anderswo holen.“

Sie richten sich nach dem Tempo ihres Kindes. Wenn es fragt, antworten Sie. Aufschieben bringt nichts.

„Du bist ok“ ist die wichtigste Nachricht für Ihr Kind. So lernt es, sich zu spüren.

Verbieten Sie Ihrem jungen Kind nicht, über Sex zu reden. Es weiß gar nicht, dass das als peinlich gilt.

Hören Sie hin, was es wissen will. Interessiert es sich für Conchita Wurst oder will es über Homosexualität reden? Will Ihr Teenager Ideen zum Flirten oder Verhütungstipps?

Wenn Sie sich dabei unwohl fühlen, sagen Sie es. Und finden Sie jemanden anderen, der das Gespräch übernimmt.

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