Schulalltag: Randale im Klassenzimmer

Schulalltag: Randale im Klassenzimmer
Was tun mit Kindern, die sämtliche Regeln ignorieren? Lehrer berichten, wie sie den Unterricht mit ihnen meistern.

Müller*, sie Trampl, sie können mir gar nix", steht auf der Tafel geschrieben. Müller ist die Mathematiklehrerin einer Kooperativen Mittelschule (KMS) in Wien. Als sie das Klassenzimmer betritt und die frechen, beleidigenden Worte liest, wischt sie sie kommentarlos von der Tafel.

Müller denkt gar nicht daran, sich auf eine Diskussion mit den Schüler einzulassen. Sie hat bereits resigniert. Mit fatalen Auswirkungen - in der Klasse herrscht das Recht des Stärkeren. Darunter leiden Schüler und Lehrer gleichermaßen.

"Freche Antworten kenne ich. Vor allem in der ersten Klasse Hauptschule ist das ein Problem", sagt Hauptschullehrer Manfred Wagner*. "Wenn du die Buben und Mädchen auf ihr schlechtes Benehmen hinweist, sind sie uneinsichtig." Manchmal hilft es, mit den Eltern dieser Schüler zu reden. "Doch auch von denen kommt häufig wenig Respekt", klagt er. Seine Kollegin Barbara Neumann* musste das bitter erfahren: "In einer Sprechstunde sagte mir ein Vater, dass es verständlich sei, wenn die Kids Schule blöd finden und auf Lehrer losgehen."

Auf dem Kasten

Was also tun? "Das erste Jahr bin ich fast ausnahmslos damit beschäftigt, Kindern Regeln beizubringen. Mit dem Stoff komme ich da kaum weiter", erzählt Neumann. Also stellt sie Regeln auf: "Während des Unterrichts sitzen wir nicht auf dem Kasten, sondern an unserem Platz." Oder: "Wir stecken schwächere Schüler nicht aus Spaß in den Mistkübel." Auch das Zuhören müssen viele Jugendliche erst lernen. "Wir reden erst dann, wenn wir dran sind", wiederholt Wagner die Regeln gebetsmühlenartig.

"Ich komme mir vor wie Sisyphus, der den Stein täglich wieder hinaufrollt. Eine Alternative dazu habe ich nicht. Mache ich das nämlich nicht, entsteht eine Struktur in der Klasse, in der Lernen überhaupt nicht mehr möglich ist. Die Probleme potenzieren sich dann", glaubt er.

Was würde helfen? "Ich wünsche mir, dass Elten aktiv Interesse daran zeigen, was ihr Kind macht, und sich mit ihm auseinandersetzen. Dass sie es am Abend einfach fragen, was es heute gemacht habe." Leider passiere aber genau das Gegenteil.

"95 Prozent unserer Schüler sind Migranten. Ihre Eltern leben in einer ,Satelliten- Gesellschaft'" meint Wagner. "Sie holen sich ihre eigene Welt aus der Türkei oder aus Serbien ins Haus. Sie zeigen kein Interesse am Land, in dem sie leben. Und somit auch nicht für die Schule, in die ihre Kinder hier gehen."

Regeln üben

"Das erste Jahr ist das Schwierigste", weiß Neumann aus Erfahrung. "Aber wenn sie die Regeln einmal verinnerlicht haben, klappt es auch mit dem Lernen." Sie ist sich sicher, "dass meine Schüler am Ende so viel können wie andere Hauptschulabsolventen. Oft sogar mehr. Stur den Stoff durchzuziehen, bringt eh nichts. Ich sehe zu, dass ich die Basis schaffe, sodass die Kinder den Kopf fürs Lernen frei haben. Und das ist eben das soziale Lernen."

Doch Problemschüler gibt es nicht nur in den Hauptschulen der Ballungszentren. Und nicht nur mit Migranten. Auch in einer AHS einer 10.000-Seelen-Gemeinde - mit 100 Prozent Inländerquote - werden die Lehrer vieler Schüler nicht Herr. "Da werden Hefte von Mitschülern zerrissen und andere beschimpft. Cool ist der, der die schlechtesten Noten nach Hause bringt. Wer Leistung bringt, wird fertiggemacht", schreibt eine Mutter dem Schüleranwalt . "Der Direktor weiß von der Situation, unternimmt aber nichts. Die Schüler will er nicht in andere Klassen versetzen. Er meint, ihm reiche eine Problemklasse."

*Namen von der Redaktion geändert


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