Rund und glücklich: Dicke sind auch nur Menschen

Magda Albrecht schreibt: „Mein Fett ist politisch.“
Magda Albrecht erfuhr als Dicke zahllose Kränkungen. Jetzt kämpft sie in ihrem Buch gegen fette Klischees.

Magda Albrecht hat es satt. "Liebe Diätindustrie, wir müssen uns trennen", schreibt die 31-jährige Bloggerin und Aktivistin aus Berlin. Schon als Kind ärgerte und kränkte sie sich über abfällige Kommentare, ihren dicken Körper betreffend. Heute sagt sie selbstbewusst: "Mein Körper passt nicht in eine Netflix-Serie." Einschränken kommt für sie "nicht mehr in die Tüte".

Magda Albrecht wurde 1986 in Stralsund geboren und wuchs in Berlin auf. Mit siebzehn Jahren schrieb sie den Songtext "Hungry Girls Are Popular" ("Hungrige Mädchen sind beliebt"). 2013 beendete sie ihr Amerikanistik-Studium und ist seitdem als politische Sprecherin und Journalistin tätig. Sie schreibt regelmäßig für den Blog des feministischen Vereins „Mädchenmannschaft“, forscht und hält Vorträge zu den Themen Queer-Feminismus sowie Körpernormierungen und Dicksein. Jetzt hat sie dazu ein Buch geschrieben, in dem sie mit gängigen Vorurteilen aufräumen möchte, denn immer noch gilt die Devise: Wer dick ist, hat versagt, ist faul und ist ungebildet. Ihr Werk "Fa(t)shionista. Rund und glücklich durchs Leben" (Ullstein Verlag. 336 Seiten. 16,50 Euro) sieht sie als Resultat einer veränderten Perspektive auf "meinen Körper, auf das Dicksein und eine Gesellschaft, die nicht freundlich zu Dicken ist".

Verurteilung

Albrecht kritisiert, dass Menschen, die auf irgendeine Weise von der Norm abweichen, pauschal beurteilt werden: "Allein die Körperform wird als Grund dafür herangezogen, Dicke mit negativen Beschreibungen zu belegen. Sie werden oft als faul und träge beschrieben, unabhängig davon, ob sie Sport betreiben oder nicht", sagt sie im Gespräch mit dem KURIER. Leistung würde in einer Ära der Selbstoptimierung immer noch mit einem schlanken Körper assoziiert: "Da können Dicke nur verlieren." Außerdem will sie damit etwas zusammenbringen, was in den Augen vieler nicht zusammenpasst und folglich auch nicht zusammengehört: Modebewusstsein und Körperfülle, also: "Fat und Fashion".

"Mein Fett ist politisch"

Körperfülle hat aus Sicht Magda Albrechts eine viel weitreichendere Dimension. In Anlehnung an die US-Aktivistin Virgie Tovar, der es trotz gesellschaftlich verbreiteten Schlankheitsslogans und allgemeiner Fettphobie gelungen ist, ihren Selbsthass und die Bewertungen anderer zu überwinden, sagt sie: "Mein Fett ist politisch." Was das für Albrecht konkret heißt? "Der Satz weist darauf hin, dass die Bilder, die Sprache und die Ideen über dicke Menschen nicht neutral oder gar objektiv sind, sondern politisch aufgeladen. Dass viele Menschen Dicke als hässlich oder träge wahrnehmen, entspringt häufig eher der Wahrnehmung als objektiven Tatsachen. Das kann man ändern", sagt sie.

Magda Albrechts Ziel ist es also, Körpervielfalt zu erreichen. Schlanksein soll nicht zwingend Ideal und Norm sein, weil aus ihrer Sicht Dicksein nicht automatisch bedeutet, krank zu sein. Kritikern, die meinen, eine derartige Verherrlichung von Übergewicht sei ein schlechtes Signal und man möge doch bedenken, wie sehr die Folgen von Adipositas das Gesundheitssystem belasten, setzt sie knallharte Argumente entgegen. "Es ist eine neoliberale und kapitalistische Sicht auf den Körper, Menschen danach zu beurteilen, ob sie das Gesundheitssystem etwas kosten oder nicht." Diese Kritiker würden sich in Wirklichkeit nicht für die Gesundheit interessieren. "Wenn sie es tun würden, würden sie darüber nachdenken, was Diskriminierung, Stress und Stigma anrichten können. All das begünstigt Erkrankungen wie Depressionen, und, ja, auch Diabetes oder Bluthochdruck", sagt Albrecht. Menschen, die sich wirklich um die Gesundheit von Dicken sorgen würden, müssten aufhören, pauschalierend über sie zu sprechen oder zu schreiben. Sie bezieht sich außerdem auf Studien, die besagen, dass ein Body Mass Index von 27, also im Bereich Übergewicht, sogar mit einer längeren Lebensdauer verbunden ist.

Wider die Norm

Albrecht ist eine von mittlerweile vielen "Health at Every Size" Aktivistinnen, die sich im Rahmen der sogenannten Body Positivity-Bewegung für die Anerkennung und Wertschätzung vielfältiger Körperbilder engagieren, wider den gesellschaftlichen Druck und übliche Körpernorm-Vorstellungen. Dabei geht es darum, sich so anzunehmen, wie man ist. Eine langwierige Angelegenheit, erzählt Magda Albrecht: "Es ist ein unglaublich schwieriger Prozess, manchmal mit Rückschlägen verbunden. Die Gesellschaft ändert sich ja auch nicht von heute auf morgen. Aber jeder Mensch kann im Alltag selbst etwas tun, zum Beispiel sich selbst hinterfragen, warum wir Körper permanent in gut und schlecht, schön und hässlich, würdig und unwürdig einteilen. Wer aufhört, ständig andere abzuwerten, verliert auch langsam die eigenen Selbstzweifel."

Gute Vorsätze?

Der allseits grassierenden Abnehm-Hysterie im Rahmen diverser Diäten erteilt sie eine klare Absage. Was sie von den gerade so aktuellen guten Vorsätzen hält? "In diesen Vorsätzen geht es oft darum, gesünder zu leben und mehr Sport zu treiben. Beides hat nicht per se etwas mit einer schlanken Figur zu tun. Sportlich sein und sich ausgewogen ernähren, können ja auch dicke Menschen. Hier zeigt sich, dass es nicht nur um eine ausgewogene Ernährung und Bewegung geht – dagegen ist nichts einzuwenden –, sondern darum, dass dicke Leute abnehmen sollen."

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