Wo die perfekten Fotos gelingen: Südtirol für Foto-Nerds
Kurz vor Sonnenaufgang rammen die Kursteilnehmer ihre mitgebrachten Stative in den harten Schnee und montieren mit klammen Fingern die Kameras. Die Mützen sind tief in die Gesichter gezogen, Hände verschwinden immer wieder zum Wärmen in den Hosentaschen. Langsam werden die Konturen der gegenüberliegenden Berge klarer und die Felswände der Langkofelgruppe tauschen ihre Blässe gegen ein kräftiger werdendes Rosa.
Die erhabene Stille wird nur durch ein leises Klick-Klick-Klick gestört. Kursleiter Harald Wisthaler eilt von einem hilferufenden Hobbyfotografen zum nächsten und gibt Tipps zu Einstellung oder Bildausschnitt. Während Harald erklärt, warum die gewählte Blende nicht ideal ist, kämpft sich die Sonne hinter dem Langkofel hervor und wandert gen Himmel … Beim Korrigieren der ISO verstelle ich den Fokus und ein Scharfstellen klappt nun nicht mehr. Harald, der eigentlich mit einer Nikon arbeitet, hat die Fuji dennoch nach ein paar Handgriffen wieder hergestellt.
Anreise
Klimaschonend mit der ÖBB nach Bozen oder Brixen. Abholung auf Anfrage. Mit dem Auto über die Brennerautobahn und weiter auf der S12 nach Waidbruck. Die Lodge befindet sich in einem Landschaftsschutzgebiet, die Fahrgenehmigung erhält man vor Anreise
High Class
Drei Nächte in der Junior Suite ab 1.219 €, das Package im Chalet gibt es ab 1.426 € p. P. Mit dabei? Einfach alles! Denn hier bedeutet all-inclusive das Gegenteil von Ellenbogen-Duell am 08/15-Buffet: Käse, Speck, Gemüse und Co wird regional bezogen oder hausgemacht. Vom Frühstück bis zum 5-Gang-Menü ist alles inbegriffen, Spezialbier, Weine, Destillate und Co ebenso
56 Quadratkilometer
schönstes Wandergebiet. Die Seiser Alm oberhalb von Kastelruth und Seis am Schlern ist die größte Hochalm Europas
Fotoworkshop
9. 5. bis 12. 5. 2024
Spiegelreflex oder Systemkamera mit Wechselobjektiv und Stativ sind nicht nötig. Wer lieber mit dem Smartphone fotografiert, ist ebenfalls willkommen
Auskunft
Adler Lodge Alpe
adler-resorts.com
Eines wird schnell klar: Fotografieren ist viel mehr als den Auslöser betätigen. Alle Teilnehmer bemühen sich, die in der theoretischen Einführung erlernten Techniken umzusetzen sowie Bildaufbau und Perspektive mitzudenken. Kunstvoll wird ein Schneehaufen, für eine das rosa schimmernde Bergmassiv rahmende Unschärfe im Vordergrund, arrangiert. Doch bald danach drehen sich die Gespräche einiger Teilnehmer bereits um das frisch gebackene Brot und die Croissants, deren knuspriger Ruf bis in die Toskana reicht, anstatt um Blende und Co. „Die beste Kamera ist immer die, die man dabei hat“, beantwortet Harald die Frage nach dem idealen Equipment. Als langjähriger Sport- und Werbefotograf hat er unter anderem Großereignisse wie die MTB Marathon Weltmeisterschaften oder den FIS-Weltcup in Gröden fotografiert.
Mit Profis arbeiten
Die Gruppe, bestehend aus langjährigen Hobbyfotografen und Einsteigern, beschließt das Angebot eines zeitintensiven Unterwasser-Shootings auszuschlagen und sich stattdessen der Porträt- und Sportfotografie zu widmen. Beides könne man bestimmt öfter brauchen, so der Tenor. Model Greta hat nichts dem Zufall überlassen und zuvor Fotos von der geplanten Garderobe geschickt. Die professionelle Windsurferin spricht fünf Sprachen und modelt neben dem Studium der Medienwissenschaften. Mit offenem Haar und Hut posiert sie unter einem Baum im Nachmittagslicht und hält oder verändert die Position auf Wunsch.
Um ideale Verhältnisse zu generieren und harte Schlagschatten zu vermeiden, setzt Harald zusätzlich einen Reflektor ein. Abwechselnd wird einer der Teilnehmer von ihm bei der Bedienung des Hilfsmittels eingewiesen. Nach den Porträtaufnahmen wechselt Greta rasch ihr Outfit, denn nun ist Laufen angesagt. Unablässig joggt sie in flottem Tempo etwa zweihundert Meter zwischen einigen Bäumen hin und her – stets ein unangestrengtes Lächeln im Gesicht. Die Kursteilnehmer lehnen an den Bäumen, liegen lauernd in der schneefreien Wiese oder haben die Kamera am Zaun zur Stabilisierung abgelegt. Wo Hilfe benötigt wird, weil ein Bild noch ungewollt Bewegungsunschärfe aufweist, ist Harald zur Stelle – vielleicht liegt es jedoch schlicht an Gretas Lauftempo.
Wer in Anbetracht der 5-Sterne-Luxus-Lodge einen elitären Kurs erwartet, bei dem jeder Teilnehmer mit der eigenen hochpreisigen Spiegelreflexkamera mit schweren Wechselobjektiven, Stativ und Co. protzt, wird positiv überrascht sein. Der Umgang ist kameradschaftlich und auch Smartphone-Knipser sind gern gesehen. Wenn abends nach dem 5-Gänge-Menü und Käsebuffet so manche Fledermaus um die Chalets flitzt, könnte dies als Hommage an die Vergangenheit verstanden werden.
Afrika lässt grüßen
Dort, wo sich heute die Lodge befindet, stand einst das Hotel Mezdí, in dessen Umgebung 1966 Szenen für den Filmklassiker „Tanz der Vampire“ gedreht wurden. Als die Familie Sanoner 1997 das nach vielen Jahren Leerstand baufällige Gemäuer erwarb, war ein Hotel im Alm-Stil geplant. Doch es kam anders. Eine Reise der Besitzer nach Namibia sorgte für Inspiration samt Planänderung: Statt Hotel wurde eine Haupt-Lodge mit Rezeption, Kamin-Wohnbereich, offenem Restaurant sowie achtzehn Suiten und zwölf Chalets errichtet.
Die afrikanischen Einflüsse lassen sich im Kleinen wie im Großen erkennen: beginnend bei den Mustern der Polsterstoffe bis hin zum zwölf Meter hohen Totem des Künstlers Adolf Vallazza. „Die Ablenkungen, die die Lodge bietet, sind eine starke Konkurrenz“, gibt Harald grinsend zu.
Beim folgenden Sternenhimmel-Shooting sind wir nur mehr zu zweit. Zum einen lässt sich der Himmel wunderbar rückenschwimmend im Outdoor-Pool bewundern und zum anderen sind die vor dem Kamin servierten Gin-Tonics einfach zu gut.
Kommentare