Unentdeckter Geheimtipp in der Puszta: Ein Fluss für dich alleine
Sehr schnittig wirkt das Hausboot am nagelneuen Anlegeplatz an der Bodrog, einem schmalen Nebenfluss der Theiß. Es fährt nur zwölf Stundenkilometer schnell, erklärt uns Kálmán, der Basisleiter in Tokaj, bei der kurzen Einschulung in das Revier. Ein ideales Tempo, wie sich zeigen wird, um ganz geruhsam alles entdecken zu können: Tierwelt am Ufer und im Wasser, Weinberge rund um Tokaj, Kirchtürme, die nahe Ortschaften ankündigen. Nach einer „Schnupper-Runde“ unter Aufsicht von Kálmán kann ausgelaufen werden. „Das Hausboot unbedingt immer in der Flussmitte steuern, in der Nähe der Ufer könnten Untiefen oder angetriebene Baumstämme den Weg versperren!“ Ein guter Rat, die Tour kann beginnen…
Für die Crew heißt es „Leinen los“ und mit den Enterhaken vom Steg abstoßen. Den Gashebel ein Stück vorschieben und sanft mit dem Steuerrad auf den Fluß hinaus lenken, das ist jetzt die Aufgabe des Skippers, der vom oberen Deck aus den Überblick behält. Die übrige Mannschaft hat es sich auf den Pölstern des Vordecks bequem gemacht und genießt die vorbeiziehende Landschaft.
Am Ufer blühen gelbe und weiße Seerosen, dichtes Buschwerk und hohe Bäume säumen den Flusslauf. Ein Eisvogel fliegt aus dem Geäst hoch, im Dickicht am Ufer verharrt regungslos ein Reiher, bis ihn das herannahende Hausboot aufschreckt. Mit seinen mächtigen Schwingen hebt er ab, fliegt ein Stück voraus und landet auf einem Baum in sicherer Distanz. Keine anderen Schiffe sind unterwegs, nur einzelne Fischer mit ihren schmalen Booten.
- Anreise
Mit den ÖBB bis Budapest und weiter mit der Bahn in Richtung Tokaj. oebb.at - Urlaub am Hausboot
– „Estivale sixto“, 3 Doppel-Kabinen, Salon, Küchenzeile, 2 Bäder, Terrasse, ideal für
2 Familien mit 2 Kindern. 1 Woche ab 2.534 €, hausboot-nicols.de. Buchungen bei Terramarin Hausbootreisen St. Pölten - In Budapest: UP-Hotel Budapest
- Auskunft: visithungary.com/de
Wer die Region Tokaj bereist, stößt unweigerlich auf Wein. Der private Anlegesteg des Weingut Dereszla passt gut in die Routenplanung. Wir besuchen den zweitgrößten Weinkeller der Region, dessen Ursprung auf das 14. Jhdt. zurückgeht. Lilien, eine Absolventin der Tokajer Weinschule, öffnet ein mächtiges Tor, das den Eingang in ein weitläufiges Labyrinth an Gängen freigibt, tief in den Berg hinein. „Bei einer ganzjährig gleichbleibenden Temperatur von 12 Grad reifen hier die Weine der Region Tokaj heran. Auf den vulkanischen Böden gedeihen vor allem Furmint und Muskateller.“ Unzählige Fässer stapeln sich in den dunklen Gewölben, aber auch dutzende Flaschen in einer Felsnische, wegen des kostbaren Inhalts mit einem Gitter gesichert.
Lilien lädt zur Verkostung ein und erklärt die Vorzüge der jeweiligen Sorten. Das nahgelegene Bistro des Weinguts verwöhnt uns mit regionalen Köstlichkeiten, Fischsuppe mit Jungzwiebel, Grauwels-Steak mit Paprika und Hüttenkäsenudeln, zum Dessert Topfenknödel mit Sauerrahm und gesalzenem Karamell. Auf der Terrasse lassen wir den Tag mit einem Glas kühlen Furmint ausklingen, mit Blick auf das Hausboot, unserem schwimmenden Zuhause für die kommenden Tage. Früh am Morgen weckt das Geklapper der Jungstörche, die in ihren Nestern auf den Dächern der nahen Häuser ungeduldig auf Futter warten.
Es sind vor allem die noch weniger bekannten, aber historisch interessanten Orte, die sich mit den Fährrädern entdecken lassen, die wir an Deck mitführen. In Sárospatak liegt in Ufernähe die Burg Rákóczi, mit mächtigem, im Stil der Renaissance umgestalteten Wohnturm und einer vierseitigen Schlossanlage. Das Ziel der Radtour ist ein abseits gelegener Hügel. Dutzende in Reihen gegliederte gemauerte Dreiecke, die wie Hausgiebel aus dem Boden ragen, sind Eingänge der für die Region Tokaj typischen Weinkeller. Steile Treppen führen in die Tiefe, wo Bauern ihren Weine reifen lassen.
Beim einzigen Kraftwerk auf der Strecke muss das Hausboot geschleust werden. An diesem Tag fahren ganz allein in die weite Kammer, hilfreiche Hände übernehmen die Leinen, das hintere Tor geht zu, Wasser wird abgelassen und das Boot gleitet sanft tiefer. Gut zehn Meter wird der Wasserspiegel gesenkt, bevor sich die Tore für die Weiterreise öffnen. Stromab weitet sich der Fluss, wie zu einem in die Länge gezogenen See, die Strömung ist kaum bemerkbar. In den dicht bewachsenen Uferböschungen entdecken wir äsendes Rotwild. Fischer präsentieren uns beim Vorbeifahren stolz so manchen Fang. Der Fischreichtum ist bemerkenswert, immer wieder springen größere Exemplare aus dem Wasser und tauchen nach einem lauten Aufklatschen wieder unter.
Auf der letzten Tagesetappe vor Kisköre erreichen wir einen Nebenarm, der zur einem der Theiß-Seen führt. Es ist windstill und heiß, wir halten an, springen ins Wasser und schwimmen um unser Hausboot. Unvergesslich bleibt der Abend auf dem Deck, als sich Milchstrasse und Sternzeichen über das ganze Firmament wölben.
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