Warum kann in einem Menü von Ihnen beiden etwas auch mal nicht zusammenpassen?
Andreas Caminada: In manchen Fällen wie gemeinsamen Koch-Events (zuletzt das „Four-Hands-Dinner“ in Südtirol, Anm.) geht es ja nicht darum, ein harmonisches Menü gemeinsam zu kreieren, da dürfen schon einmal zwei Welten aufeinanderprallen. Es sind zwei verschiedene Kochstile, zwei verschiedene Köche, zwei verschiedene Ideen. Jeder hat seine Identität, seine Sprache, seinen Geschmack. Wenn das verschmelzen würde, wäre es ja langweilig. So gibt jeder zuerst vor, was er sich vorstellt, der andere fügt seine Gerichte hinzu und es kann relativ schnell eine Speisenfolge entstehen.
Muss man da nicht auch auf der gleichen Wellenlänge sein? Ein bisschen zumindest?
Caminada: Natürlich. Es ist ein bisschen wie ein Gentlemen’s Agreement. Wenn man sich kennt, versucht man, es zu machen.
Aber ist das Alpine nicht schon irgendwie eine gemeinsame Klammer Ihrer Küchen?
Caminada: Das Gemeinsame neben unserer Freundschaft ist, dass wir beide Restaurants in einer Bergregion haben und auch dort aufgewachsen sind. Beim Kochstil geht aber jeder seinen eigenen Weg.
Und der lässt sich wie beschreiben?
Niederkofler: Wir gehen wirklich nur rein von der Bergkultur aus. Wir haben 2008 mit unserer regionalen Küche angefangen, damals sind wir keinem Trend hinterhergelaufen. Wir haben vieles wie Zitrusfrüchte, Meeresfrüchte oder Oliven weggelassen. Eine Sojasauce verwenden wir trotzdem. Nur machen wir sie halt aus Berglinsen. Die Problematik bei uns ist, dass wir keine Gewächshäuser haben. Wir sind auch dafür kritisiert worden, dass wir selbst nichts produzieren. Aber ich hab’ immer gesagt: Ich bin ja kein Bauer! Wir haben unsere Aufgaben und überlassen es jenen, die die Möglichkeiten haben und es können. Durch diese spezielle Ausrichtung müssen wir unterschiedlich verteilen – auf Regionen und Täler. Deshalb ist es bei uns sehr komplex und schwierig, weil man auch Lieferwege berücksichtigen muss. Zum Beispiel: Im Mai, Juni spielt sich hier bei uns in 1.700 Metern Höhe noch wenig ab. Deshalb weichen wir in Richtung Bozen aus, um Kräuter und Gemüse zu bekommen.
Das heißt also, „Cook the Mountain“ ist nicht sammeln, was vor der Türe wächst, sondern die ganze Region einbeziehen?
Niederkofler: Es ist eben Bergkultur. Je mehr du machst, desto kreativer musst du sein. Uns ist wichtig, keine Zwischenhändler zu haben und mit den Leuten zu reden. Zu den Bauern hinzugehen. Wenn wir eine Lammschulter brauchen – was machst mit dem Rest des Tieres? Dann haben wir angefangen, das Hauptgericht in zwei Gängen zu machen und so auch die nicht so edlen Teile eines Tieres zu verarbeiten. Da kommen dann ganz neue Geschmacksmomente hervor. Wir sind auf unserem Weg auch draufgekommen, dass wir im Prinzip gar nichts Neues machen. Denn früher hat man es hier, in unserer Region, genau gleich gemacht. Aber rein aus Überlebensgründen. Ein gutes Beispiel dafür ist der Graukäse. Der wurde nur im Sommer gemacht, aus dem Restprodukt, das beim Butter- oder Rahmherstellen übrig blieb.
Wie viel Graubünden steckt denn in Ihrer Küche, Herr Caminada?
Caminada: Sehr viel natürlich. Mein Kochstil ist eine sehr produktnahe Küche – weniger ist mehr, sehr säurebetont. Unsere regionale alpine Küche ist sehr auf den Garten fokussiert, wir haben auch einen eigenen Permakulturgarten angelegt. Wir sind nicht so die Sammler, die in den Wald gehen. Wir sind mehr die Gärtner. Wir arbeiten aber auch viel mit Fermentation von Gemüse und legen vor allem im Sommer viel ein. Wir haben einen Kulinarikkeller, wo wir Platz haben für Eingelegtes, Gedörrtes und anderes. Davon zehren wir auch noch im Winter. Nicht ausschließlich, aber es ist schon eine wichtige Zutat. Wenn wir ein neues Menü zusammenstellen, schauen wir, was noch da ist. Sind zum Beispiel noch viele eingelegte Amaranthblätter da, dann werden die aufgebraucht, wir integrieren die irgendwie in das Menu. Wenn man im Frühling wieder mit frischen Sachen anfangen kann, ist das schön.
Haben Sie beide eine Lieblingszutat?
Caminada: Ich liebe Zwiebeln über alles. Es ist faszinierend, dieses Produkt in vielen verschiedenen Arten auf den Tisch zu bringen. Wir haben einen Bauern, der fünfundzwanzig verschiedene Zwiebelsorten anbaut. Da haben wir ein ganzes Gericht kreiert, da ist viel Spannung und Säure drin. Dazu hatten wir viele Physalis aus dem Garten, und dazu scharfe Öle. Es war ein herrliches Amuse-Bouche-Gericht.
Niederkofler: Das ist eine schwierige Frage, weil die Natur zu jeder Jahreszeit Besonderes zu bieten hat. Wir versuchen, darauf einzugehen. Anhand dessen entscheiden wir die Verarbeitung, die Garmethoden und Ähnliches. Nur im Sommer haben wir etwa einen Salat mit vierzig Kräutern und statt Essig marinieren wir ihn mit Kombucha aus Holunderblüten. Diese feine Säure unterstreicht die Kräuter. Das ist dann das Spannende an unserer Arbeit.
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