Reykjavik: Im Schein der Polarlichter
Sie sind die Polarlichtjäger von Reykjavik: Grétar Jónsson und seine Truppe an Fotografen, die alle eine Faszination teilen. Wenn atemberaubende Farbexplosionen den arktischen Himmel erhellen, sind sie mit ihren Objektiven zur Stelle und harren oft stundenlang in klirrend kalten Nächten aus. Wichtigste Ausrüstung: Eine Thermoskanne mit heißer Schokolade und eine Packung getrockneter Kabeljau.
Vor zehn Jahren gründeten sie das Museum „Aurora Reykjavik“. Es ist kein Ort mit langweiligen Erklärungen, sondern eine Weltreise von Lichtstimmung zu Lichtstimmung. Die größte Chance, ein Polarlicht zu erleben, bieten kalte Winternächte. Meistens ist das Farbspiel grün, selten „so rot wie Feuer“, wie Roceo im Museum erzählt. Früher glaubten die Menschen, Nordlichter seien ein schlechtes Omen.
Mittlerweile ist man längst eines Besseren belehrt. Wer die Chance am freien Himmel verpasst, wird im „Aurora“ mit 4-K-Qualität auf einer Sieben-Meter-Leinwand getröstet.
Das Gute an Reykjavik: Es ist so vieles fußläufig zu erreichen. Am Alten Hafen reihen sich Lokale wie ein berühmter Hotdog-Stand, alte Lager für Fischernetze und neue Galerien dicht aneinander. Im Museum „Whales of Iceland“, Europas größte Schau über die majestätischen Kreaturen des Meeres, wird spürbar, dass heute Naturverbundenheit die Walfänger mehr und mehr verdrängt. Lebensgroße Modelle von dreiundzwanzig Walarten beeindrucken. Spätestens jetzt erahnt jeder die Dimensionen des Blauwals, dem größten Wal, der sich über die Länge eines Basketballfeldes erstreckt und zweihundert Tonnen wiegt.
Eine bewegte Geschichte hat der nahe gelegene „Kaffivagninn“ (Kaffeewagen), ältestes Lokal im Land. Der Kultbetrieb geht auf die 30er-Jahre zurück. Ein findiger Geschäftsmann funktionierte damals einen Stadtbus um. Betrunkene Seemänner sollen den Wagen dann einmal umgekippt haben. Heute brachte ein Betreiberwechsel das Lokal wieder ins Wanken.
Himmlische Kreationen
Neben Farbexplosionen am Himmel überraschen auf der Insel auch geschmackliche Feuerwerke: Im Restaurant Jómfrúin etwa, der „Jungfrau“, wo mit Koch Jakob Jakobson einst die Smørrebrød-Tradition aus Dänemark Einzug hielt. Seit einem Vierteljahrhundert wird die Kunst des belegten Schwarzbrotes hier schon zelebriert – in allen Varianten, egal ob mit Krabbensalat, geräuchertem Lachs oder Roastbeef.
Mit der sogenannten „Kochtopf-Revolution“, als Isländer auf Töpfe trommelten und ihre Regierung nach dem Finanzcrash 2008 davonjagen wollten, scheint auch die Geschichte eine kulinarische Note zu haben. Island ist heute gesellschaftlich einen Schritt voraus, gilt auch als Vorzeigeland für Gleichberechtigung.
Die Sonne verirrt sich im Frühjahr und Sommer häufiger an den Polarkreis. Dann wird der Himmel eisblau und Reykjavik – was so viel bedeutet wie rauchende Bucht – pulsiert. Jung, dynamisch, mit offenen Sichtachsen.
Statt Hektik mit hoher Skyline gibt es heute noch viele bunte kleine Häuser, die aus Holz gebaut und mit Wellblech verkleidet sind. Wohlhabende wohnen am Stadtteich Tjörnin, wo eine entschleunigte Stimmung zum Verweilen einlädt.Nur einige Schritte weiter eröffnet sich auf der ansteigenden Shopping-Straße Skolavordustigur ein atemberaubender Blick auf die Hallgrímskirkja, ein für Mitteleuropäer ungewöhnlicher Sakralbau, ganz in weißen Granit getüncht und im Inneren von überwältigender Schlichtheit. Einundvierzig Jahre dauerte es, bis der Bau 1986 endlich fertig wurde.
Isländer und Urlauber genießen im Götterviertel ihren Kaffi, wenn es die Temperaturen erlauben, im Freien. Mittendrin: Juliana Osk Hafberg, eine Künstlerin, die gerade erst eine Galerie eröffnete. In ihrer Kunst widmet sie sich weiblicher Energie, Sanftheit und Verletzlichkeit. Der „Spirit of Island“ für sie? „Es ist so viel neue Energie da.“ Sie ist stolz, Teil davon zu sein.
Die Kunst- und Kulturszene Islands explodierte in den vergangenen Jahren. Immer mehr kreative Köpfe siedeln sich an. Längst sind nicht mehr nur Stars wie Sängerin Björk weit über die Insel hinaus populär. Die Isländer lieben ihr Konzerthaus „Harpa“, den Glaspalast am Hafen, der zum Inbegriff für die moderne Seite Reykjaviks wurde.
Anreise
Mit dem Flugzeug aus Wien oder München. Tipp: Mit einer Kreuzfahrt von Norwegian Cruise Line lässt sich der Nordatlantik mit Island intensiv erleben (ncl.com).
C02-Kompensation via atmosfair: 30 €
Essen
Fermentierter Hai (Hákarl), Fischeintopf (Plokkfiskur), Roggenbrot, geräuchertes Lammfleisch (Hangikjöt), Skyr (Nationaljoghurt), Hochzeitskuchen (Hjónabandssaela)
Lokaltipps
Restaurant Jómfrúin, lebt die Smørrebrød-Tradition, die ursprünglich aus Dänemark kam: jomfruin.is
Kaffi Loki: gegenüber der Hallgrímskirkja, berühmt für isländische Delikatessen von Hai bis zu Roggenbrot: loki.is
Allgemeine Auskunft
de.visiticeland.com
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