Interview mit einem Reisenden, der das Reisen hasst

Nur hier ist baden erlaubt: In den Stromschnellen des Gran Rio im Urwald Süd-Surinams gibt es keine Kaimanen, Piranhas oder Gangs von Zitteraalen
Wolfgang Godai war in 167 Ländern der Welt und hat viel erlebt. In seinem neuen Buch schreibt er nur über die schlimmsten Reiseerlebnisse. Wir fragen uns – und ihn –, wieso?

Mit fünfzehn Jahren die erste Interrail-Tour, mit achtzehn per Autostopp durch Ostafrika und mittlerweile fast die ganze Welt gesehen: Der in Wien geborene Wolfgang Godai ist ein Vielreisender. Das Besondere ist, dass er in seinem neuen Buch ausschließlich die grauenhaften Reiseerfahrungen beschreibt – von Vergiftungen, Überfällen bis zu Gefängnisaufenthalten. Ein Gespräch mit einem, der das Paradies noch sucht.

KURIER: Sie kommen gerade aus Kasachstan und sind krank zurückgekehrt. Wie geht es Ihnen?

Wolfgang Godai: In Kasachstan ist so viel schiefgegangen wie schon lange nicht mehr. Uns hat eine Agentur abgezockt, der Flieger war eiskalt, das habe ich seit Jahren nicht mehr erlebt. Und ich fliege viel – ich versteh’ das nie. Mit den Erlebnissen aus Kasachstan könnte ich einige Kapitel meines Buches bereichern.

Interview mit einem Reisenden, der das Reisen hasst

Flugzeugausrüstung: Skiunterwäsche,  Wollsocken, Haube u. v. m.

In dem Sie ja interessanter Weise sehr viel über die schlimmen Momente Ihrer Reisen schreiben. Eigentlich fast ausschließlich.

Die wenigsten Länder sind harmlos. Ich bin mal alleine von Panama bis Mexiko gereist, damals eine der gefährlichsten Gegenden für Backpacker. Ich habe höllisch aufgepasst und mir ist nichts passiert, aber wieder daheim bin ich die Treppe runtergestürzt und hatte einen dreifachen Oberarmbruch mit Gehirnerschütterung. Oder einmal in Brüssel: Ich gehe am Abend über den Grande Place, da gibt mir ein Räuber eine drüber, reißt meine Kamera weg und rennt davon. Daraus wurde eine zweistündige Polizei-Verfolgungsjagd. Und drei Wochen später hat man mir in Valencia Brieftasche und Hotelschlüssel gestohlen. Was ich sagen will: Ob im Kongo, in Asien oder in Europa – es kommt immer drauf an, wie sehr man aufpasst.

Und doch schreiben Sie, dass Sie an einem Heroin-Joint gezogen und giftige Meeresschnecken gegessen haben.

Ich habe in meinem Leben sehr wenige Joints geraucht. Dort (in Phnom Penh) hat jeder geraucht und ich wusste nicht, was drin ist. Und ich esse außerhalb Europas gar nichts Rohes mehr, nachdem ich in Asien die fürchterlichsten Magen- und Darmerkrankungen hatte. Vielleicht ist das Schicksal ein ekliger Kerl und will gerade den Übervorsichtigen eines auswischen.

Interview mit einem Reisenden, der das Reisen hasst

Im Höllenfeuer des Vulkans Yasur - leider ohne Schnorchelbrille

Bleibt die Frage: Warum fahren Sie immer wieder los?

Diese Frage höre ich am häufigsten von Kollegen, Freunden, Familie. Als ich jetzt nach Kasachstan bin, war ich angezogen wie im kältesten Winter und wurde trotzdem krank. Ich dachte: Ich hasse es, ich hasse es. Eigentlich mag ich Reisen schon lange nicht mehr. Fernreisen hasse ich besonders. Ich mag die Strapazen nicht, die kalten Flieger, die unguten Hotels. Ich habe Angst vor Krankheiten … aber ich kann’s nicht ändern, ich bin einfach unfassbar neugierig.

Interview mit einem Reisenden, der das Reisen hasst

Spektakuläre Natur in Turkmenistan: Der Yangykala-Canyon

Aber warum immer wieder in so wilde Regionen? Es wirkt wie eine Sucht.

Sucht gehört zum Reisen dazu. Ich war sicher sehr süchtig. Ich habe noch zwei weiße Flecken auf meiner Reisekarte, Papua Neuguinea und Osttimor. Da will ich noch hin, habe alles organisiert, schönes Hotel und Flug. Es sollte also nicht allzu viel passieren. Ich schaue, dass ich vorsorge.

Woher kommt diese Reisesucht, wo liegt der Ursprung?

Schon meine erste Reise war Horror. Mit acht Jahren schickte mich meine Mutter für drei Wochen mit Ordensschwestern in ein Ferienheim nach Rimini. Wir wurden von den Schwestern entsetzlich behandelt und sind alle krank geworden. Ich wollte trotzdem immer wieder weg. Mit zwölf Jahren stand ich nach der Schule und am Wochenende auf der Autobahn und bin irgendwohin gestoppt. Mit fünfzehn ging ich erstmals auf Interrail-Tour. Ich fühlte mich frei, sobald ich rauskam. In der Jugend geht das natürlich viel besser, denn man hält alles aus. Und man kriegt, was man sucht, nämlich Kontakt zu Gleichaltrigen mit ähnlichen Interessen, aus dem Ausland, die tolle Sachen erzählen. Das war nirgendwo einfacher als auf Interrail. Da begann meine Neugier – ich brauche das Reisen, es war immer mein einziges Hobby. Es sind sogar Beziehungen gescheitert, weil ich ständig unterwegs war. Ich möchte immer mehr sehen, ich möchte alles sehen. Aber vieles werde ich nicht mehr sehen können.

Warum nicht?

Ich lasse es jetzt ausklingen. Die ersten dreißig Reisejahre waren fantastisch, aber mit dem Alter und den Wehwehchen wird’s mühsamer. Und es gibt nicht mehr viele Länder, die ich noch nicht kenne. Ich träumte vom Pamir Highway, der die Grenze zwischen Tadschikistan und Afghanistan markiert und landschaftlich fantastisch ist. Und den Ländern in der Sahelzone. Das wäre in meiner Jugend gegangen, da war es ungefährlicher. Ich werde nicht mehr den Niger oder den Tschad-See sehen. Aber ich möchte in Europa weiterreisen, nur dass ich mein Leben nicht mehr riskiere.

Interview mit einem Reisenden, der das Reisen hasst

„Paradies gibt’s nicht! Die Wahrheit über das Reisen. Eine Abrechnung“, Buchschmiede Verlag. 222 Seiten. 23,90 €

Ein Reisebuch mit dem Titel „Paradies gibt’s nicht!“ klingt wie Ironie. Was ist mit Traumstränden und Strandbungalows à la Malediven?

Der Begriff „Urlaubs-Paradies“ wird überstrapaziert. Ich habe dieses Paradies noch nicht gefunden. Natürlich gibt es schöne Strände, aber da zerstechen einen dann die schlimmsten Moskitos.
Ich war auch auf den Malediven, aber da wurde ich wegen eines superkalten Fliegers krank und saß alleine auf einer kleinen Insel. Da kann man nichts machen, außer baden, schnorcheln oder tauchen. Sonst gibt’s dort nichts. Und nur Lesen ist auch anstrengend. Und es ist überteuert, sie zocken einen ab. Ähnlich ist es auf den Seychellen, aber da kann ich mit dem Mietwagen in den Supermarkt fahren und günstig einkaufen.

Aber wer will ein Buch über Reisekatastrophen lesen? Wollen doch alle träumen ...

Schadenfreunde ist einer der größten Seller. Schreibe ich nur über schöne Plätze, würde niemand das Buch kaufen – das kann man gratis im Internet nachlesen. Wenn ich aber von den Erlebnissen erzähle und mich aufrege, gackern die Leute – und ich habe noch viele Geschichten parat. Es wird also ein zweites Buch erscheinen. Da kommen dann andere Abenteuer rein und Geschichten über Menschen. Nicht mehr nur das Böse, sondern Kurioses, Skurriles, Verrücktes aus der Welt.

Das Buch
„Paradies gibt’s nicht! Die Wahrheit über das Reisen. Eine Abrechnung“, Buchschmiede Verlag, 222 Seiten, 23,90 €,
Bestellung auf buchschmiede.at

Der Autor
Infos und Kontakt zu Wolfgang Godai über wolfgang-godai.at, Instagram und Facebook

Gewinnspiel
Der KURIER verlost drei Bücher, schicken Sie bis zum 9. Juli eine Mail mit dem Kennwort „Paradies“ an reise@kurier.at.

Und einfach mal Urlaub machen, wäre nichts für Sie?

Ich hatte Urlaube, wo ich auf einer griechischen Insel herumgefahren bin und am Strand lag. Und wenn ich an einem schönen Strand sitze, ohne laute Nachbarn und ich sehe das Meer, hab ein Glas Weißwein vor mir – dann geht’s mir gut. Dann kann ich auch die Moskitos verschmerzen. Auf der isländischen Insel Heimaey verspürte ich einmal plötzlich Glück. Da war ich der einzige Mensch an der Küste. Neben mir Papageientaucher. Ich saß da, sah auf das Meer und zu den wunderschönen Vögeln – da war ich glücklich. An diesen Moment denke ich oft.

Es gab also auch schöne Reisemomente. Warum stehen die nicht im Buch?

Das Buch soll auch Service bieten. Ich möchte helfen und beschützen – vor Reisekatastrophen, Airlines und Hotels. Obwohl das an sich gegen meine These geht: „Wenn man glaubt, dass man alles im Griff hat, passiert einem meistens was.“

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