
Das Innviertel zwischen deftigen Knödeln, Bier und feinem Luxus
Liebliche Landschaft, direkte Menschen, dazu Knödel und Bier. Neben deftiger Kost hat das Innviertel auch Platz für feine Küche und Luxus mit Butler-Service.
Vom Osten Österreichs aus gesehen ist das Innviertel ein weißer Fleck.
Gut, Knödel stehen schon mal auf der Karte der Wiener Wirtshäuser – als Gruß aus dem nordwestlichen Oberösterreich. Die SV Ried ist seit Jahrzehnten gern gesehener Gast in Wiens Fußballstadien – vor allem, weil sie dort selten gewinnt. Und dann ist da noch Braunau. Eine Stadt mit schönem Stadtplatz – berühmt ist sie trotzdem für etwas anderes.
Das Innviertel hat keinen Instagram-Wasserfall, keine mächtigen Berge. Der Reiz liegt woanders. Etwa in den Städtchen mit bunten Bürgerhäusern im Inn-Salzach-Stil. Besonders malerisch: das barocke Schärding mit dem farbenfrohen Hauptplatz namens Silberzeile. Die Stadt kürte sich einmal selbst zum Weltwunder. Dazu sind die Hügel sanft, der Blick reicht ins benachbarte Bayern.
Als das Innviertel zu Österreich kam
Bis 1779 gehörte das Innviertel zu Bayern – und kam nach Gezänk 1816 endgültig zu Österreich. Begeisterung löste das nicht aus. Jahre zuvor, im Spanischen Erbfolgekrieg, hatten aufständische Bauern den Österreichern zugerufen: „Lieber bayrisch sterben als kaiserlich verderben!“

Die Städte haben bunte Hausfassaden im Inn-Salzach-Stil. Besonders schmuck: die Schärdinger Silberzeile. So heißt hier der Hauptplatz. Der Inn fließt auch nahe vorbei.
©stadtgemeinde schärdingDas Bayerische wirkte lange nach – etwa im A, das wie ein O klingt. „Maria Theresia hat Lehrern die Anweisung gegeben, es abzutrainieren“, erklärt Sieglinde Frohmann. Sie ist Leiterin der Kulturabteilung in Ried im Innkreis und führt durch das Innviertler Volkskundehaus.
So sanft die Landschaft ist: Das Sture, das Wehrhafte, das gerne zur Folklore erhoben wird, rührt mitunter aus dieser Vergangenheit. Frohmann zeigt auf Raufwerkzeuge: Ausgehöhlte Erdäpfel oder Rüben wurden mit Nägeln gespickt und mit Zink oder Blei ausgegossen und an Schlägeln montiert. Sie wurden geschwungen, wenn Zechen, Zusammenschlüsse junger Bauernburschen, im Dunst der Wirtsstuben aufeinandertrafen. Das gehörte zum guten Ton. „Wenn keine Schlägerei war, hieß es: War’s leicht nix?“, erklärt Frohmann.

Innviertler Raufwerkzeuge aus dem Volkskundehaus
©Volkskundehaus Ried im InnkreisEin paar Schritte weiter steht ihr Stolz – und weil in vier Monaten Weihnachten ist, bekommt sie besondere Aufmerksamkeit: die „Stille Nacht“-Krippe. Jenes Arrangement, das in der St.-Nikolaus-Kirche in Oberndorf an der Salzach stand, als dort „Stille Nacht, heilige Nacht“ zum ersten Mal gesungen wurde. Ein Stockwerk drüber: Ein Zyklus von Alfred Kubin, dem Zeichner des Unheimlichen, der im Innviertel lebte.
Wie der Albertina-Direktor das "Rieder Heimatmuseum" berühmt machte
Zu ungeplanter Aufmerksamkeit verhalf der ehemalige Albertina-Direktor Klaus Albrecht Schröder dem Museum: „Wollen Sie es nicht dem Rieder Heimathaus schenken?“, soll er gesagt haben, wenn ihm ein Kunstwerk nicht gut genug für die Albertina erschien. Ein Satz, der es in seine Abschiedsinterviews schaffte – und Schröder ein eMail vom Rieder Bürgermeister einbrachte. Heute kann man darüber lachen.
Von der bildenden Kunst zur Braukunst ist es im Innviertel nur ein kleiner Schritt. Dass die Region bayerisch war, schmeckt man bis heute. Die Brauereidichte ist so hoch wie kaum wo in Österreich. Wenn es um den Hopfentrank geht, gibt es an Karl Zuser jun. kein Vorbeikommen. Der Mann mit stattlicher Statur und Lederhose ist Riedberg-Wirt und Diplom-Bier-Sommelier. Gerade trainiert er für die Bier-WM. 500 verschiedene Biere, 70 verschiedene Bierstile hat er im Keller. „Ziel ist, dass es zu jeder Speise das passende Bier gibt.“
Für Gruppen bietet er nach Anmeldung auch Verkostungen an – inklusive Bierstacheln. Eine Technik, bei der ein glühender Metallstab ins Glas getaucht wird. Die Kohlensäure zischt, der Restzucker karamellisiert – das Ergebnis ist warm, süßlich und verblüffend cremig. Schmiedegesellen sollen das im Winter erfunden haben.

Bier ist im Innviertel ein Muss: Experte Karl Zuser jun. zeigt hier das Bierstacheln
©SINNVIERTEL Tourismus/ Matthias KlugsbergerEtwas cremiger ist auch das Weißbier. Zuser jun. verweist auf Recherchen eines anderen Bierpapsts, Conrad Seidl: „Das erste Weißbier wurde auf Innviertler Boden gebraut. Nachsatz: „Als es noch zu Bayern gehörte.“ Klar.
Mit dem Lift auf der Brauturm fahren
„Hier haben die Menschen einen Zug zum Bier. Unser Job ist, das Feuer am Lodern zu halten“, sagt Christoph Scheriau von der Brauerei Raschhofer in Altheim. Er ist eigentlich gebürtiger Steirer und gelernter Banker. Nach dem Unfalltod seines Schwagers übernahmen er und seine Frau Doris Raschhofer in den Neunzigern die Brauerei. Sie bauten den jahrhundertealten Traditionsbetrieb in eine Erlebniswelt um – inklusive Lift, der auf den Brauturm fährt, um den Besuchern die landschaftlichen Zusammenhänge mit Bayern zu verdeutlichen.
Hier wird noch in Kupferkesseln gebraut, glänzend und gut sichtbar von der Straße aus – als wolle man sagen: Seht her, hier entsteht etwas Besonderes. Bier, das der legendäre deutsche Brauwissenschaftler Ludwig Narziß einst mit dem Prädikat „gut durchtrinkbar“ adelte.

Die Bier-Erlebniswelt der Brauerei Raschhofer in Altheim.
©Brauerei RaschhoferEinige Sorten, Lager und Märzen zum Beispiel, wurden längst prämiert, das naturtrübe Zwickl gar mehrfach beim „European Beer Star Award“ zum besten seiner Klasse gekürt. „Wir waren vor 25 Jahren die Ersten, die in Österreich ein Zwickl gebraut haben“, sagt Scheriau. Auch beim Craft Beer war man früh dran – lange bevor man in vielen hippen Lokalen über IPA-Noten philosophierte.
Wie sind die Innviertler so?
Wie der Steirer Scheriau die Menschen hier kennengelernt hat? „Ich weiß nicht, ob die großen Diplomaten aus dem Innviertel sind“, sagt er und lacht. Zwar wird auf Geselligkeit großen Wert gelegt, doch die trifft gerne auch auf schroffe Direktheit. Und bei der Weltoffenheit gibt es manchmal noch Luft nach oben.
Deftig im erfreulichen Sinne ist die Esskultur mit Soul-Food-Charakter. Der Schweinsbraten heißt im Innviertel „Bratl in der Rein“. Das beinhaltet gesurten Schopf und Bauch, serviert in einer metallenen Bratrein, gemeinsam mit Kartoffeln, Semmelknödeln und Stöcklkraut. Alles in einer Pfanne, alles auf einmal.
Dann wären da noch die Innviertler Knödel. Sie sind kleiner als anderswo. Was sie sonst von anderen unterscheidet, ist der Teig. Der aus Kartoffeln kommt nicht in die Schüssel. „Bei uns ist das Brandteig oder Semmelmasse“, sagt Josef Burgstaller, der Englwirt in Altheim. Gefüllt sind sie mit Grammeln, Bratenresten – und vor allem aber mit Surspeck. Als Beilage gibt’s Sauerkraut.

Mit Surspeck, Grammeln oder Bratenresten: Innviertler Knödel sind klein, aber defitg.
©SINNVIERTEL Tourismus/ Matthias KlugsbergerDie Knödel gibt es mancherorts auch noch als Draufgabe zum Bratl in der Rein. „Das ist die leichte Variante“, scherzt Burgstaller.
Aber das Innviertel hat sich in den vergangenen Jahren auch als Ort der gediegeneren Küche etabliert. Mehrere Hauben hat das Kammer5, das von den Machern des „Woodstock der Blasmusik“ in einem umgebauten Bauernhof betrieben wird. In Gstaig sorgt Christoph Forthuber für Furore. Er hat schon im Tantris gekocht und ist mit seiner Frau Doris kürzlich in das frisch renovierte Wirtshaus „Maria vom guten Rat“ gezogen. Zum Lieblingslokal vieler Einheimischer gehört der Wirt z’Kraxenberg mit zwei Hauben und einem Preis-Leistungs-Verhältnis, das man sonst selten findet.
Der Lukas in Schärding ist mit einem Michelin-Stern prämiert
Ein Michelin-Stern hängt im Restaurant Lukas in Schärding. Lukas Kienbauer eröffnete das skandinavisch anmutende Fine-Dining-Lokal vor rund zehn Jahren – mit gerade einmal 24 Jahren. Heute führt er in seiner Heimatstadt ein kleines kulinarisches Imperium: ein Steakhaus (das er aber mit Ende September schließen möchte), eine japanische Izakaya-Bar und er versorgt das Hotel „das Lamprecht“ mit Speisen.
Anfangs kochte Kienbauer im Restaurant einfach das, was ihm Spaß machte. Inzwischen folgt er einer klaren Linie: Japan, Frankreich, Innviertel. „Produkte aus der Region, aber mit japanischem Geschmackseinfluss und Präzision, kombiniert mit klassischem französischem Saucenhandwerk. Es ist eine kreative und moderne Klassik“, sagt er.

Lukas Kienbauer in der Küche seines Restaurants Lukas in Schärding.
©Claudio Martinuzzi Rolling Pin media GmbHDie Entwicklung der Gastronomie erklärt Kienbauer so: „Wir sind eine junge Generation, die sich selbstständig gemacht hat. Die Region hat sich wirtschaftlich stark entwickelt. Und wir haben gute Lebensmittel.“
Ausspannen de luxe im Geinberg5
Nicht nur das Essen, auch das Entspannen ist im Innviertel inzwischen eine Spezialität. Vor rund 50 Jahren bohrte man hier nach Öl – und stieß stattdessen auf warmes Wasser. Die Enttäuschung währte nicht allzu lang. Statt schwarzem Gold gibt es heute in Geinberg eine Therme mit Karibikstrand, Salzwasserbecken und Poolbar.
Direkt daneben liegt das Privatressort Geinberg5 – Luxus vom Feinsten. Jede Villa hat ihre eigene Sauna und ein Dampfbad, auf der Terrasse wartet ein Whirlpool, und davor breitet sich ein großer Badeteich aus, von dem aus man direkt in einen 24-Stunden-Thermenbereich schwimmen kann. Von der Terrasse des Haubenrestaurants blickt man auf den Rosenteich. Ein Butler bringt auf Wunsch Frühstück oder Dinner in die Villa. Ein Anruf genügt – und alle Wünsche werden erfüllt. Manche Gäste checken hier ein – und verlassen das Gelände nicht mehr.

Ausblick auf den großen Schwimmteich des Luxus-Villen-Resorts Geinberg5.
©Skyline MedienKann aber nicht schaden: Ist doch der Inn in der Nähe. Bei der Burg Frauenstein wartet Lisa Fuchs mit Fernglas und Adlerblick. Sie absolvierte in Afrika eine Ausbildung zum Safari-Guide. Wieder daheim entdeckte sie, dass spannende Vögel nicht nur in der Savanne zu Hause sind. „Ich wusste gar nicht, was für ein Juwel wir hier haben“, sagt sie, während sie auf die Flussauen blickt, in denen rund 300 Vogelarten leben, brüten, rasten oder überwintern.
Die Kraftwerke machten den Inn zum Vogelparadies
Der Fluss selbst hat eine wechselvolle Geschichte: Im 19. Jahrhundert wurde der Inn begradigt, er floss zu schnell und wurde zu tief. „Erst der Bau von Kraftwerken verlangsamte ihn, ließ Sedimente sich absetzen – und schuf so neuen Lebensraum“, sagt Fuchs. Heute trägt die Landschaft die Auszeichnung Europareservat.
Eine Attraktion anderer Art ist der Biohof Geinberg. Auf zwölf Hektar wachsen hier unter Glas rund 800.000 Pflanzen – Paradeiser, Paprika, Gurken –, beheizt mit Thermalwärme aus Geinberg. Nachhaltig, ohne fossile Brennstoffe. „Wir sind die Einzigen in dieser Größenordnung, die das so hinkriegen“, sagt Richard Kinzl, zuständig für Vertrieb und Marketing, während er an den meterhohen Tomatensträuchern vorbeischreitet.
Vorwürfe wegen Flächenversiegelung weist er zurück: „Im Gegenteil – wir bauen auf der guten Erde der Region.“ Was hier gedeiht, landet nicht nur in Supermärkten, sondern auch im eigenen Hofladen. Dort finden sich neben frischem Gemüse auch Innviertler Surspeck (natürlich!) und sogar Wein – der wächst hier mittlerweile ebenfalls.
Die längste Burg in Burghausen
Ein Abstecher ins benachbarte Bayern lohnt – allein schon wegen Burghausen an der Salzach. Eine mächtige Burg thront über der Stadt. Sie ist einen Kilometer lang und damit die längste Burganlage der Welt. Den spektakulärsten Blick gibt es von Hochburg-Ach – vom westlichsten Zipfel des Innviertels.

Von Österreich aus gibt es den besten Blick auf das bayerische Burghausen.
©Burghauser TouristikAuch Bad Füssing ist Österreichern unbekannt, für Deutsche ein Kurmekka mit drei Thermen und dem berühmt-berüchtigten Haslinger-Hof. Dort wird gegessen, getanzt – und mit dem Kurschatten geflirtet. So manch Innviertler fährt über die Grenze in Hoffnung auf einen Aufriss.
Kuriose Fakten. Wussten Sie, dass…
- ... Franz Winkelmeier (1860-1887) aus Friedburg mit angeblich 2,58 Metern Körpergröße einer der größten Menschen der Geschichte war?
- ... Napoleon im Jahr 1809 in Ried nur knapp einem Anschlag entgangen sein soll?
- ... das „Woodstock der Blasmusik“ in Ort im Innkreis das größte Blasmusikfestival der Welt ist?
Und natürlich Passau – diese prachtvolle Barockstadt, in der sich Inn, Ilz und Donau zur Donau vereinigen. Nur: Der Inn ist dort nicht nur breiter, sondern auch blauer als die schöne blaue Donau. Auch wenn die Donau mehr Wasser führt, man könnte schon ins Grübeln kommen: Warum eigentlich nach Passau nicht Inn statt Donau? Müsste Wien dann nicht am Inn liegen? Das würde dem Innviertel zu etwas mehr Aufmerksamkeit verhelfen.
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