Im Kloster Neustift Silvaner und Kerner kennenlernen
Kloster Neustift und Klosterneuburg – das klingt nicht zufällig so ähnlich. Die Anlage nahe Brixen und das Stift nahe Wien haben einige Gemeinsamkeiten, die weit über den Namen hinaus gehen. Nur wissen das wenige. Besonders in Ostösterreich. In Tirol schaut es anders aus, denn immerhin war Neustift über lange Zeit hinweg eines der bedeutendsten religiösen und kulturellen Zentren Tirols. Dass sich vieles davon in der Architektur und in Sammlungen erhalten hat, macht es im heutigen Südtirol noch immer zu einem besonderen Ort. Mit seinen Gebäudeteilen von Romanik bis zum Klassizismus, wie dem Wunderbrunnen im Haupthof, als sich im Barock das Kloster Neustift als achtes Weltwunder darstellte. Es ist ebenso Ort, wo immer wieder Neues entdeckt wird, etwa das Chinesische Kabinett, dessen Wandmalereien aus dem Rokoko erst 2021 im Zuge einer räumlichen Umgestaltung unter zahlreichen Schichten Farbe auftauchten.
Ältestes Weinkellerei Italiens
Was verbindet Kloster Neustift also sonst noch mit Klosterneuburg? Da muss der Blick zurück ins Jahr 1140 und auf die Person Hartmann gerichtet werden. Der Augustiner Chorherr stand dem Stift bei Wien seit 1133 vor, wurde 1140 als Bischof nach Brixen berufen und gründete 1142 nahe seinem Bischofssitz ein neues Chorherren-Kloster – Neustift eben. 880 Jahre ist das heuer her; und ein willkommener Anlass für die heutigen Chorherren, dieses Jubiläum gebührend zu feiern. Wie sein Bruderkloster liegt Neustift – Achtung, Gemeinsamkeit – inmitten von Weinreben, die hier, im fruchtbaren Eisacktal, seit rund zweitausend Jahren gedeihen. Wenig überraschend war der Weinbau schon immer ein wichtiges wirtschaftliches Standbein des Klosters. Heute ist Neustift nicht nur eine der ältesten Weinkellereien der Welt, sondern auch das älteste Weinbaugebiet Italiens. Und das nördlichste noch dazu.
Eisacktal-Spezialitäten
Sechshundert bis neunhundert Meter hoch liegen die Weingärten, Temperaturschwankungen inklusive, und es sind besonders die Weißweine, in denen sich diese Eigenschaften des Bodens mit Fruchtigkeit und Mineralität niederschlagen. Die schmeckt man dann auch, etwa aus dem Sylvaner, einer im Eisacktal besonders typischen Rebsorte. Oder dem Kerner, den man probieren sollte, vielleicht, während man bei einer Führung erfährt, wie diese deutsche Züchtung aus Riesling und Trollinger ihren Weg nach Südtirol und in die Weingärten des Klosters Neustift fand. Das war ab 1981, als ein besonders kalter Winter herrschte, der den Reben zusetzte. Man entsann sich dieser aromatischen und frostbeständigen Rebsorte, die in den 1920er-Jahren entstanden war, sich aber nicht durchgesetzt hatte. Mit dem Kerner, heute eine Spezialität des Eisacktals, entstand im Südtiroler Klima ein aromatischer, leicht trinkbarer Wein – ideal für die „klassische Linie“ aus der Klosterkellerei. Ein Glas Wein wird damit zu einer Zeitreise durch die Jahrhunderte. ingrid teufl
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