Schweiz: Zeitgenössische und feministische Kunst im Berg

Muzeum Susch in der Schweiz, Gebäude von außen
Im kleinen Dorf Susch im Engadin hat die Mäzenin Grazia Kulczyk ein Museum für zeitgenössische Kunst eröffnet und es in den Fels gebaut

Drinnen im Berg ist die Atmosphäre besonders. Felswände ragen neben modernen Kunstwerken in die Höhe, cool designte Treppen führen in die Tiefe. Mitten in einem archaischen, grottenartigen Raum taucht ein riesiger, silbrig glitzernder Zylinder von Miroslav Balka auf, der sich langsam dreht und den coolen Namen „Narzissus Susch“ trägt.

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„Narzissus Susch“ von Miroslav Balka 

Im Jänner 2019 hat sich die polnische Unternehmerin und Kunstsammlerin Grazia Kulczyk in Susch, einem 200-Seelen-Dorf am Fuße des Flüelapasses im Unterengadin, ihren Traum verwirklicht. Nach vierjähriger Bauzeit eröffnete sie in einem ehemaligen Klosterhospiz aus dem 12. Jahrhundert ein Museum für zeitgenössische Kunst, das zeigt, was mit Geld alles möglich ist.

Unterirdische Kunst

Kulczyk, die mit dem Bau von Shoppingmalls in ihrer Heimat schwer reich wurde, kaufte die Häuser um das Benediktinerkloster auf, darunter eine ehemalige Brauerei. Ließ Tonnen von Felsen sprengen, um unterirdische Verbindungsgänge zu schaffen. Arbeitete ausschließlich mit einheimischen Architekten, die die Vorgabe hatten, regionale Materialien zu verbauen. Schuf mit deren Hilfe ein imposantes architektonisches Ensemble, in dem die Mäzenin nun ihre eigene Sammlung ausstellt.

Feministisch, zeitgenössisch, osteuropäisch

Eine hochkarätige permanente Sammlung von Werken vorwiegend osteuropäischer Künstlerinnen. Zweimal im Jahr finden Wechselausstellungen statt, meist mit Schwerpunkt feministische Kunst. Ein perfektes Forum für Künstlerinnen, die es in der männlich dominierten Kunstwelt nicht leicht haben, sich einen Namen zu machen. „Fast zehn Tonnen wurden für diese unterirdische Kunstwelt gesprengt“, erzählt Mitarbeiterin Aleksandra Wojtaszek, die fachkundig und stolz durch das Museum führt. „Sehen Sie, da haben wir einen Felsen belassen. Da rinnt das Wasser hinunter, man spürt förmlich die Kühle“. Das stetige Rinnsal verfärbe den Fels: „Das ist auch Kunst, von der Natur geschaffen.“

Überall Kunst

Zeitgenössische Kunst auf tausendfünfhundert Quadratmetern in altem Gemäuer des Schweizer Bergdorfes, sieht sich das jemand an? Im Engadin braucht man sich darum keine Gedanken zu machen, rund um Susch wimmelt es nur so von Kunst-Hotspots. Es gibt die international renommierten Galerien in St. Moritz, Zuoz und S-chanf, Events wie die Engadin Art Talks und sogar Kunsthotels wie das Castell in Zuoz.

2020 ist zum Muzeum eine weitere Sehenswürdigkeit gekommen: ein strahlend weißer Turm, neben dem Gebäudeensemble. Geschaffen vom 1948 in der Schweiz geborenen Künstler Not Vital, der für seine skulpturalen Landschaftsarchitekturen bekannt ist und sich im nahe gelegenen Schloss Tarasp ein Kunst-Denkmal geschaffen hat, in dem er auch lebt. Der zehn Meter hohe Turm ist bis in den Giebel hohl und über eine rechteckige Öffnung im Stein zu betreten – aber nicht zu besteigen. Er ist Vermittler zwischen Dorf und Kunst, eine Wegmarke zwischen altem Kirchturm und neuem Museum.

Teil der Dauerausstellung: „Flock I“ von Magdalena Abakanowicz

Teil der Dauerausstellung: „Flock I“ von Magdalena Abakanowicz

Im Bistro nebenan kann man übrigens gut essen. Es gibt Snacks, aber auch ein Dreigang-Menü mit Leckerbissen wie gebratenem Kalbssteak auf Pastinaken-Mousse und köstlichen Kuchen.

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