Woher der Name Cancun stammt, ist nicht genau geklärt. Eine populäre Interpretation: In der Sprache der Maya hieß „Kankun“ Schlangennest. Was Sinn ergeben würde, denn als der Badeort im Norden der Halbinsel Yucatán am Reißbrett konzipiert wurde, präsentierte sich die zu erschließende Landzunge als höchst unwirtlicher Flecken in einem vergessenen Winkel der Karibik: Sumpf, Mangroven, Dschungel, Sanddünen, gottverlassene Playas.
Heute, über fünfzig Jahre später, bündelt Cancun (und die angrenzende Riviera Maya, wo eher das deutschsprachige Publikum aufschlägt) alle Urlaubswünsche von Low Budget bis High End. Klar, so romantisch und idyllisch wie in den frühen 1970ern ist es nicht mehr, als die Hotelzone erste Konturen annahm, die ersten Shoppingcenter, Golfplätze und Jachthäfen aus dem Boden gestampft und mit dem Wohngebiet am Festland verbunden wurden. Aber die Basis für einen Hotspot, der schon bald Acapulco in den Schatten stellen sollte, war gelegt. Nicht einmal zerstörerische Wirbelstürme, Drogenkriege, Finanzkrise, Schweinegrippe und aktuell Corona konnten sich nachhaltig als Partycrasher halten. Die pulsierende Destination Cancun tut aber auch alles, um den Touristen aus aller Welt eine grandiose Fiesta für alle Sinne zu bieten, jenseits gängiger Klischees vom Tequila-Wetttrinken zu Spring-Break-Zeiten bis zum Mariachi-Gefiedel in Lokalen.
Gigantische Allerwelts-All Inclusives finden in diesem Kosmos genauso Platz wie ein elitäreres Refugium wie Mayakoba, knapp fünfundvierzig Minuten vom Flughafen an der Riviera Maya. Vier Luxus-Hotels haben sich dort auf zweieinhalb Quadratkilometern breitgemacht, umgeben von Regenwald, Kanälen, Lagunen, Strand und dem Golfplatz „El Camaleon“, der es zur ersten PGA-Tour-Station außerhalb der USA und Kanadas gebracht hat. Die kulinarischen Offenbarungen überzeugen auch kritische Restauranttester.
In einer Kneipe wie dem „Puro Corazon“ weiter südlich in Tulum spielen Essensbewertungen eine Nebenrolle. Hier geht es um Stimmung. Wie auf Bestellung zirkulieren good vibes in lauer Nachtluft, als ein bärtiger Untergrundmusiker, verstärkt mit einer Ukulele und einem Gast-Saxofonisten, seinen Latin Pop dem margarita-seligen Publikum entgegenröhrt – eine einzige Ode ans Leben und die Lebenslust. Spontan bricht das Tanzfieber aus und die Chicas aus der Cocina klinken sich immer wieder ein, indem sie ihre Hausmannskost auf den Tellern mit einem gekonnten Hüftschwung servieren.
Auch grandiose Ausflugsziele mit Hochkultur-Touch oder Weltwunderstatus finden sich wie Sand am Meer, zum Beispiel die heiligen Maya-Stätten von Chichen Itzá, Tulum, Uxmal oder Coba. Dazu Themen- und Öko-Parks wie Xel Ha („das größte natürliche Aquarium der Welt“), Xplor, Xcaret. Sogar die populäre Isla Mujeres mit ihrem lässigen Aussteiger-Flair und Golfwagen, Scootern und Fahrrädern als Verkehrsmittel kann mit einem Maya-Tempel aufwarten. Allerdings ist er kaum zu erkennen, weil offenbar zu viele Hurricanes darübergefegt sind. Gewidmet ist er der Erd- und Mondgöttin Ixchel, einer Senorita der vielen Talente: Die Multitasking-Spezialistin galt als Schirmherrin des Regenbogens und der Webkunst und als Schutzpatronin der Heilkunst und Geburt.
Wie neugeboren – in der Sprache der Maya ka’a yaa’ntah – fühlt sich der Besucher, selbst wenn er sich nur eine kurze Auszeit im versteckten Dschungel-Hideaway „Esencia“ in Xpu-Ha, 30 Autominuten von Tulum, gönnt. Länger ist bei einem Check des Überziehungsrahmens des Bankkontos ohnehin nicht möglich. Aber diese sagenhafte Privatheit, diese Ruhe, diese Naturnähe, diese geschmackvollen Suiten und Villen, diese Strandperle vor der Haustür!
Wenig erstaunlich daher, dass Stars und Sternchen aus Hollywood in dieser Location in derselben hohen Frequenz herumflattern wie der „Yucatán Jay“, der prächtige Blaurabe. Bis vor wenigen Tagen ließ sich im „Esencia“ Laura Harrier, bekannt aus „Spiderman: Homecoming“ oder Spike Lees „Black Klansman“ verwöhnen, egal ob im Spa oder in der Beletage der rustikalen Beach-Bar. Wer eine Rooftop Wellness Suite ergattert, residiert im grünen Bereich – über Laubbaumwipfeln und Palmwedeln. Ein eigener Fitnessraum mit dem Hightech-Trainingsrad „Peloton“ neben dem Schlafzimmer animiert zum Indoor-Sporteln. Danach die Außentreppe hoch und rein in den blubbernden Jacuzzi. Sorgen? Eher nein.
Nicht zu toppen, glaubt man glückstrunken. Doch: Es wartet noch die kostenlose „Cenote“-Tour auf dem nur für „Esencia“-Gäste zugänglichen Nachbargrundstück. Im Kajak oder auf einem SUP-Board durch die Mangroven. Schon nach wenigen Minuten kommt es zu unvergesslichen Begegnungen. Erstmals seit drei Wochen haben Seekühe („Manatees“) wieder den Zugang vom Meer genommen und sind ins Süßwasser gewechselt. Schnell die Taucherbrille überziehen, aufs Brett legen, die Gunst nutzen, wenn sich die tierischen Ausflügler wieder zeigen, und aus einem halben Meter Entfernung minutenlang fasziniert beobachten. Guide Pascual, der Lifeguard des Hotels, kennt die friedlichen Geschöpfe beim Namen: Elvis, Luna, Alux und Frodo.
Aus Respekt ist schwimmen mit den vier Musketieren verboten. Das können die Menschen dann nach Ende des Tete-a-tete alleine im erfrischenden Nass tun. Warum sich Pascual nicht auch zu ihnen gesellt? Trockene Antwort: „Ich hab’s nicht so sehr mit Krokodilen!“ Schmäh haben sie also auch noch, unsere mexikanischen Amigos.
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